Die juristische Presseschau vom 15. Oktober 2015: EZB-Politik vor EuGH – rechtsextremer Richter beantragt Entlassung – Jurastudenten pro Todesstrafe

15.10.2014

BGH – Verdachtsberichterstattung: Die SZ (Helmut Kerscher) beschreibt einen Rechtsstreit zu Pflichten von Medien im Nachgang einer sogenannten Verdachtsberichterstattung, mit dem sich der Bundesgerichtshof gestern befasst hat. Im konkreten Fall war das Magazin Der Spiegel in der Vorinstanz zu einer weitgehenden Richtigstellung mit Ankündigung im Inhaltsverzeichnis und dem letzten Satz: "Diesen Verdacht erhalten wir nicht aufrecht." verurteilt worden, nachdem ein Strafverfahren gegen den Kläger eingestellt worden war. Der Spiegel argumentierte dagegen unter anderem, die Pressefreiheit sei gefährdet, wenn sich ein Medium nach rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung von dieser distanzieren und unter dem Titel "Richtigstellung" nachträglich "ins Unrecht" setzen müsse.

OLG München – NSU: Nach Berichten von spiegel.de(Gisela Friedrichsen), der SZ (Annette Ramelsberger) und lto.de haben Beate Zschäpes Verteidiger am gestrigen Verhandlungstag im NSU-Verfahren massive Kritik am Gericht geübt, weil dieses versäumt habe, eine mittlerweile demente ehemalige Nachbarin von Zschäpe rechtzeitig zu befragen. Die Frau sei als Entlastungszeugin in Frage gekommen. Daher habe das Gericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, so Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer.

Laut Zusammenfassung von zeit.de (Tom Sundermann) standen am gestrigen Dienstag zudem die Ergebnisse einer Durchsuchung bei André E., der als mutmaßlicher Unterstützer des NSU mit Beate Zschäpe angeklagt ist, auf der Tagesordnung.

Rechtsextremer Richter beantragt Entlassung: Nach Meldung von spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt) hat der langjährige Rechtsextremist Maik B., der seit einem Jahr im fränkischen Lichtenfels als Amtsrichter arbeitete, selbst seine Entlassung aus dem Justizdienst beantragt. Dem Antrag sei nach Mitteilung des Oberlandesgerichts Bamberg entsprochen worden. Zuvor hatte der Gerichtspräsident Maik B. zu den Neonazi-Vorwürfen angehört. Wie die SZ (Katja Auer u.a.) im Bayern-Teil schildert, wurden die bayerischen Behörden nur durch einen Zufall darauf aufmerksam, dass B. als Richter arbeitete.

LG Hannover – Porsche: Am gestrigen Dienstag hat vor dem Landgericht Hannover der Schadensersatzprozess gegen Porsche begonnen, in dem sieben Hedgefonds rund 1,8 Milliarden Euro fordern. Die Kläger hatten sich mit Leerverkäufen von VW-Aktien verspekuliert, als Porsche im Jahr 2008 an einem Übernahmeversuch scheiterte. Wie die FAZ (Joachim Jahn) berichtet, hat das Gericht dabei erstmals erwogen, in die Beweisaufnahme einzutreten, nachdem die Landgerichte Braunschweig und Stuttgart bislang alle Klagen dieser Art von vornherein abgeschmettert hätten. Die SZ (läs) stellt in ihrem Bericht heraus, dass die Kläger zudem die Prüfung einer Verfahrensaussetzung erreicht haben, um Erkenntnisse aus den Strafprozessen gegen die früheren Porsche-Topmanager Wendelin Wiedeking und Holger Härter in Stuttgart abzuwarten.

Auch wenn das Gericht nun ernsthaft den Einstieg in eine Beweisaufnahme prüft, so stehen vor einem Prozesssieg der Fonds nach Einschätzung von Joachim Jahn (FAZ) trotzdem noch viele "Abers".

StA Köln – Cum-Ex-Geschäfte: Wie die SZ (Klaus Ott) und Die Welt (Anne Kunz) berichten, hat die Staatsanwaltschaft Köln in Ermittlungsverfahren wegen umstrittener Cum-Ex-Geschäfte am gestrigen Dienstag zum großen Schlag ausgeholt. Die Ermittlungen richteten sich gegen eine mutmaßliche Tätergruppe von mehr als 30 Beschuldigten, die mehr als 460 Millionen Euro hinterzogen bzw. dies versucht haben soll. Dutzende Durchsuchungsbefehle in Deutschland, in neun weiteren europäischen Staaten und auf Übersee seien vollstreckt worden. Bei Cum-Ex-Geschäfte handelt sich um bestimmte Aktiengeschäfte, bei denen die frühere Rechtslage Anlegern ermöglichte, die Erstattung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden doppelt zu verlangen, obwohl sie nur einmal geleistet wurde.

Das Handelsblatt (Laura de la Motte/Sönke Iwersen) weist in seinem Bericht auf die kürzlich veröffentlichte Urteilsbegründung des Bundesfinanzhofs hin, wonach der Gesetzgeber selbst "erklärtermaßen davon ausgegangen" sei", dass mehrfaches Eigentum an einer Aktie und daher auch die mehrfache Erstattung von Kapitalertragsteuern, die nur einmal abgeführt wurden, möglich gewesen sei.

BAG zu Anfechtung des Arbeitsvertrags: Rechtsprofessor Christian Rolfs referiert auf blog.beck.de eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von März diesen Jahres zur Anfechtung von Arbeitsverträgen. Der Kläger hatte bei Einstellung in den allgemeinen Vollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen in einer formularmäßigen Erklärung angegeben, nicht vorbestraft zu sein, obwohl er im Jahr 2003 zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Der Arbeitgeber hatte daraufhin gekündigt und auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Das BAG hat beides für unwirksam erklärt, da ein berechtigtes Informationsinteresse des Arbeitgebers grundsätzlich nicht hinsichtlich solcher Verurteilungen bestehe, die im Bundeszentralregister getilgt sind.

EuGH zu Recht auf Vergessen: Die FAZ (Martin Gropp) und zeit.de berichten von der gestern in Berlin abgehaltenen Tagung eines Expertenbeirats, den der Suchmaschinenkonzern Google ins Leben gerufen hat, um Schlüsse aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Recht auf Vergessen zu ziehen. Dem Gremium gehört auch die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) an. Auf das EuGH-Urteil, wonach Privatpersonen unter Umständen Verweise in Suchmaschinen löschen lassen können, wenn sich diese als gegenstandslos oder nicht mehr aktuell erweisen, seien laut Google seit Mai mehr als 146.000 Löschersuchen bezogen auf 489.000 Verweise eingegangen.

EuGH zu Pauschalbesteuerung: Die FAZ (Joachim Jahn) fasst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zusammen, wonach der deutsche Fiskus Erträge eines ausländischen Investmentfonds nicht pauschal besteuern darf, wenn dieser nicht die für inländische Fonds gleichsam geltenden Pflichtangaben gemacht habe. Dies verletze die Kapitalverkehrsfreiheit, weil es deutsche Anleger davon abhalten könne, im Ausland zu investieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. Oktober 2015: EZB-Politik vor EuGH – rechtsextremer Richter beantragt Entlassung – Jurastudenten pro Todesstrafe . In: Legal Tribune Online, 15.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13486/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen