Die juristische Presseschau vom 1. Juni 2016: Hiphop vor Urhe­ber­recht / doch Stö­rer­haf­tung? / EuGH und Kopf­tuch­verbot

01.06.2016

Hiphop hat ein Grundrecht auf Samples, entscheidet das BVerfG. Außerdem in der Presseschau: Kritiker bemängeln fortbestehende Rechtsunsicherheiten bei der Störerhaftung und der EuGH verhandelt über Kopftuchverbote in Privatunternehmen.

Thema des Tages

BVerfG zum Sampling von "Tonfetzen": Kurze Tonsequenzen aus urheberrechtlich geschützten Musikstücken dürfen grundsätzlich genutzt werden, um daraus ein neues Werk zu schaffen – und zwar, ohne den ursprünglichen Urheber dafür um Erlaubnis zu fragen oder zu entlohnen. Das hat das Bundesverfassungsgericht im seit fast 20 Jahren schwelenden Streit zwischen der Band Kraftwerk und Hiphop-Produzenten Moses Pelham entschieden, der 1999 einen Song auf Grundlage eines Kraftwerk-Samples herausbrachte. Eine etwaige Entlohnung des Sample-Urhebers in solchen Fällen müsse der Gesetzgeber regeln. Aktuell gehe zumindest dann, wenn dadurch kein finanzieller Schaden entstünde, die Kunstfreiheit vor, befand das oberste Gericht und verwies den Fall an den Bundesgerichtshof zurück, der Kraftwerk Recht gegeben hatte. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und netzpolitik.org (Leonhard Dobusch).

Jost Müller-Neuhof (Tsp) meint, "das Urteil schlägt keine Bresche für Sound-Tüftler, sondern schleift die gesetzlich verhärteten Fronten zwischen Urhebern alter Schule und digitalen Innovatoren". Auch Thomas Stadler (internet-law.de) erkennt keine "Zeitwende". Hendrik Wieduwilt (FAZ) lobt, das Gericht habe "dem dogmatischen kontinentaleuropäischen Urheberrecht etwas Biegsamkeit beigebracht". Gigi Deppe meint im Audio-Kommentar auf swr.de, von diesem Richterspruch werde die Kreativbranche profitieren. Reinhard Müller (FAZ) hingegen warnt davor, dass zu Zeiten der einfachen Verfügbarkeit im Internet der Schutz des geistigen Eigentums in Gefahr sei.

Rechtspolitik

Störerhaftung: Nach der grundsätzlichen Einigung der Großen Koalition auf die Abschaffung der Störerhaftung liegt nun der Gesetzentwurf vor: Durch Einfügung eines Absatzes in § 8 des Telemediengesetzes (TMG) soll das "Providerprivileg" auf Betreiber von offenen Netzen ausgeweitet werden. Kritiker bemängeln, dass damit zwar Schadensersatzansprüche für das Handeln der Nutzer ausgeschlossen würden, sich ein ausdrücklicher Ausschluss auch von Unterlassungsaussprüchen aber lediglich aus der Gesetzesbegründung ergebe und damit Rechtsunsicherheit bestehen bleibe, so netzpolitik.org (Ingo Dachwitz).

Sexualstrafrecht: Die taz (Christian Rath/Simone Schmollack) weist darauf hin, dass der Entwurf zur Änderung des Sexualstrafrechts nach wie vor die Forderung "Nein heißt Nein" nicht umsetze, weil die bloß verbale Ablehnung sexueller Handlungen weiterhin nicht zur Strafbarkeit des Täters führe. Auch die angekündigte Strafbarkeit des "Grapschens" sei nicht aufgenommen.

Ehemündigkeit: Im Gespräch mit der FAZ (Albert Schäffer) fordert der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) eindeutige gesetzliche Regelungen zur Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen Minderjähriger in Deutschland. Zurzeit obliegt es der Einzelfallentscheidung der Gerichte, ob eine Ehe wegen eines Verstoßes gegen deutsche Familienrechtsgrundsätze unwirksam ist, was zu manchen sehr umstrittenen Urteilen führte. Die Welt (Peter Issig) schildert einen solchen Fall.

Abschaffung des 500-Euro-Scheins: Rechtsanwalt Björn Demuth fragt auf lto.de nach den Gründen für die Pläne in der EU, den 500-Euro-Schein abzuschaffen. Zu einer wirksamen Verhinderung von Geldwäsche oder Terrorismus werde dies nicht führen, es gehe eher um den staatlichen Wunsch nach Kontrolle der Geldbewegungen.

Mietpreisbremse: Einer aktuellen Studie zufolge hat die Mietpreisbremse ein Jahr nach ihrer Einführung nicht zu einem geringeren Anstieg der Mieten in den betreffenden Gebieten geführt, berichtet die SZ (Benedikt Müller). Im Interview mit der SZ (Robert Rossmann) ermutigt Bundesjustizminister Heiko Maas die Mieter, von ihren Rechten stärker Gebrauch zu machen, schließt aber auch Nachbesserungen des Gesetzes nicht aus.

Staatsangehörigkeitsrecht: Die FAZ (Reinhard Müller) zeichnet die Gesetzesentwicklung um das Recht der deutschen Staatsangehörigkeit in den letzten 20 Jahre nach. Er warnt davor, dass die deutsche Staatsangehörigkeit im europäischen Vergleich einfach zu erlangen sei, in manchen Fällen auch ohne Integrationsbemühungen. Dies sei angesichts des "in der Flüchtlingskrise festgestellten Kontrollverlusts" problematisch.

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz: Rechtsanwalt Jörn Kuhn befasst sich auf dem Handelsblatt Rechtsboard mit der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Er kritisiert die vorgesehene Befristung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern auf 18 Monate und zeigt alternative Möglichkeiten für Unternehmen auf, Mitarbeiter flexibel einzusetzen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. Juni 2016: Hiphop vor Urheberrecht / doch Störerhaftung? / EuGH und Kopftuchverbot . In: Legal Tribune Online, 01.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19649/ (abgerufen am: 01.05.2024 )

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