Ein Inselstaat versinkt: IGH ers­tellt Rechts­gu­t­achten zum Kli­ma­wandel

von Franziska Kring

20.04.2023

In einem Rechtsgutachten wird sich der IGH mit den Verpflichtungen der Staaten zum Klimaschutz beschäftigen. Auf Initiative des Pazifikstaats Vanuatu hat die Generalversammlung eine entsprechende Resolution verabschiedet.

Es ist ein bisschen wie David gegen Goliath: Ein massiv von den Folgen des Klimawandels bedrohter kleiner Inselstaat will die großen Industrienationen zu mehr Klimaschutz anhalten. Einen Achtungserfolg konnte Vanuatu immerhin schon verbuchen: Der Internationale Gerichtshof (IGH) wird sich in einem Rechtsgutachten u.a. mit der Frage beschäftigen, welche Verpflichtungen die Staaten zur Bekämpfung der Erderwärmung haben. Ende März hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) eine entsprechende Resolution verabschiedet (A/RES/77/276).

Den Entwurf hatte Vanuatu über viele Monate und nach Konsultationen mit verschiedenen Akteuren federführend erarbeitet. 105 Staaten haben das Vorhaben unterstützt. Erst Anfang März hatten den Pazifikstaat innerhalb von einer Woche zwei Wirbelstürme heimgesucht. Daraufhin hatte Vanuatu den Notstand ausgerufen.

Das Gutachten des IGH soll jetzt klären, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen die Staaten haben, um den Schutz des Klimasystems sicherzustellen.

Welche Rechtsfolgen hat ein Versagen?

Nach Art. 65 Abs. 1 IGH-Statut kann der IGH auf Antrag der berechtigten Organe bzw. Organisationen zu jeder Rechtsfrage ein Gutachten erstellen. Antragsberechtigt sind nach Art. 96 Abs. 1 der UN-Charta u.a. die Generalversammlung und der Sicherheitsrat.

Der IGH soll sich laut der Resolution zunächst mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten zum Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Erde vor den Treibhausgasemissionen beschäftigen. Solche könnten sich unter anderem aus dem Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, der UN-Klimarahmenkonvention und dem Paris-Übereinkommen sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ergeben.

Außerdem soll der IGH mögliche Rechtsfolgen darlegen, wenn Staaten durch ihre Handlungen oder Unterlassungen der Umwelt erhebliche Schäden zugefügt haben. Zum einen geht es dabei um Verletzungshandlungen gegenüber Staaten, die aufgrund ihrer geografischen Gegebenheiten oder ihres Entwicklungsstandes besonders von den negativen Folgen des Klimawandels gefährdet sind. Zum anderen geht es aber auch um Völker und Einzelpersonen, die ebenfalls von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.

Gutachten nicht rechtlich bindend

Bis zur Erstellung des Gutachtens kann es aber noch einige Zeit dauern. Staaten und internationale Organisationen können schriftliche Erklärungen zu den Rechtsfragen abgeben, dann folgt die mündliche Verhandlung, bevor das Gutachten ausgearbeitet wird. Wie ein Urteil wird auch ein Rechtsgutachten in einer öffentlichen Sitzung verkündet.

Ein solches Rechtsgutachten hat zwar keine rechtliche Bindungswirkung, aber durchaus politische Signalwirkung. Es kann klarstellen, was von den Staaten in puncto Klimaschutz erwartet wird. "Eine solche Meinung würde der Vollversammlung, den Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten helfen, die mutigeren und stärkeren Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, die unsere Welt so dringend benötigt", sagte UN-Generalsekretär António Guterres.

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Ein Inselstaat versinkt: IGH erstellt Rechtsgutachten zum Klimawandel . In: Legal Tribune Online, 20.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51596/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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