Kommunen lehnen Rundfunkbeitrag ab: "Unklarheiten werden einfach weggedealt"

Interview mit Hubertus Gersdorf

08.02.2013

2/2: "Es gibt keinen Kanon zulässiger Abgaben neben der Steuer"

LTO: Sie halten den neuen Rundfunkbeitrag also auch für verfassungswidrig?

Gersdorf: Ich halte es ganz grundsätzlich nicht für zwingend, dass der Rundfunkbeitrag als Gegenleistungsabgabe, also als Vorzugslast, ausgestaltet wird. Es wird ja argumentiert, wenn der Rundfunkbeitrag eine gegenleistungsfreie Abgabe ist, dann ist er eine unzulässige Steuer. Das ist so nicht richtig und verkürzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vollständig. Die Verfassungsrichter haben immer wieder gesagt, dass es keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgaben neben der Steuer gibt.

Ich denke, dass aus der Kompetenz der Länder zur Rundfunkfinanzierung folgt, dass diese von jeder natürlichen und juristischen Person eine gegenleistungsfreie Abgabe erheben dürfen, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren – in welchem Umfang auch immer. Und zwar unabhängig davon, ob die Programme im Einzelfall empfangen werden. Das Grundgesetz verpflichtet die Länder nicht, ihre Finanzierungskompetenz nur durch die Erhebung von Vorzugslasten wahrzunehmen.

"Es lohnt sich, die Dinge gerichtlich klären zu lassen"

LTO: Diese gegenleistungsfreie Abgabe zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre also eine neue Art der Abgabe?

Gersdorf: Ja, eine Abgabe sui generis. Das ist der ehrliche Weg, der beschritten werden muss, um deutlich zu machen, worum es geht. Es geht nicht darum, einen individuellen Vorteil abzugelten, sondern darum ein überindividuelles Ziel zu erreichen, nämlich Demokratie und Kulturstaatlichkeit, und das ist die zentrale Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich hätte mir gewünscht, dass Kirchhoff und Degenhart in ihren Gutachten intensiver auf diesen Punkt eingegangen wären.

Wenn wir das alles so einfach machten, dann könnte der Staatsvertrag aus wenigen Normen bestehen. Definitionsprobleme würde es nicht mehr geben. Es gäbe auch keine Probleme mit dem Gleichheitsgrundsatz, weil gar nicht mehr danach gefragt werden müsste, ob der Einzelne die Möglichkeit hat, Fernseh- oder Hörfunkprogramme zu empfangen. Außerdem könnten die Steuerbehörden die Rundfunkbeiträge einziehen. Das würde enorme Kosten sparen.

Allerdings müsste in der Tat die verfassungsrechtliche Frage geklärt werden, ob es so etwas wie eine  Rundfunkabgabe sui generis gibt, die aussieht wie eine Steuer, weil sie voraussetzungslos erhoben wird, aber gleichwohl keine Steuer ist, weil sie ausschließlich zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verwendet werden und keinesfalls in den allgemeinen Staatshaushalt fließen darf.

LTO: Die Drogeriekette Rossmann hat Anfang Januar Klage gegen den neuen Rundfunkbeitrag vor dem Bayerischen Staatsgerichtshof eingereicht. Bereits vergangenen August hatte der Jurist Ermano Geuer beim selben Gericht eine Popularklage erhoben . Denken Sie, die Klagen haben Aussicht auf Erfolg?

Gersdorf: Es lohnt sich auf jeden Fall diese Dinge einmal klären zu lassen.

LTO: Haben Sie schon gezahlt?

Gersdorf: Ja, ich zahle meinen Rundfunkbeitrag selbstverständlich. Wenn ich der Auffassung wäre, dass der neue Beitrag verfassungswidrig ist, dann würde ich auch Schritte unternehmen. Aber für Privatpersonen hat sich ja nichts Grundlegendes geändert. Im Gegenteil: Viele Probleme sind weggefallen.

LTO: Herr Professor Gersdorf, vielen Dank für das Gespräch.

Professor Hubertus Gersdorf ist Inhaber der Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur für Kommunikationsrecht an der Universität Rostock.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Hubertus Gersdorf, Kommunen lehnen Rundfunkbeitrag ab: "Unklarheiten werden einfach weggedealt" . In: Legal Tribune Online, 08.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8124/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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