Jurastudent lässt Demoverbot in Heidenau aufheben*: "Das BVerfG hat unserem Antrag statt­ge­geben"*

von Pia Lorenz

29.08.2015

2/2: Lieber handeln statt viel reden"

LTO: Herr Fengler, warum tun Sie das?

Fengler:  Für mich geht es um eine grundsätzliche, fundamentale Frage. Ich habe nichts dagegen, wenn Behörden Auflagen machen, das ist manchmal erforderlich. Aber ein  Versammlungsverbot für ein ganzes Stadtgebiet für ein gesamtes Wochenende? Das geht gar nicht!

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit darf nicht auf dem Altar von Budgetierung, Konsolidierung und der unzureichenden Ausstattung der Polizei geopfert werden – das sehen ja im Übrigen auch das VG und das OVG so.

Für die Umsetzung möchte ich lieber handeln statt viel reden. Dabei halte ich nichts von zivilem Ungehorsam, sondern wollte den Rechtsweg beschreiten – und das hat ja auch funktioniert. 

LTO: Gerichtsverfahren kosten Geld. Wer trägt nach der Entscheidung des OVG die Kosten? Und vor allem: Wer bezahlt sie?

Fengler: Das ist eine sehr gute Frage. Nach Ansicht des OVG habe ich die Kosten zu 90 Prozent zu tragen,  weil ich nur zu einem Zehntel obsiegt habe. Das sind rund 1.000 Euro für die beiden Instanzen …

LTO: Und Sie sind Student.

Fengler: Richtig. Aber heute Morgen hat mich Sigmar Gabriel angerufen – das passiert einem ja auch nicht gerade jeden Tag (lacht). Er hat mir seine Anerkennung für die Einleitung des Verfahrens ausgesprochen. Und mich gebeten, die Rechnung für die Verfahrenskosten an ihn zu schicken, damit er diese übernehmen kann.

"Junge Juristen hinterfragen zu wenig"

LTO: Sind Sie ein politischer Mensch?

Fengler: Ich bin selbst JuSo, also sicherlich kein unpolitischer Mensch. 

LTO: Sind Sie die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt? Oder teilen Sie die häufig zu hörende Kritik nicht, dass gerade die jungen Juristen nur noch auf ein Prädikatsexamen hinstreben und Wissen pauken, anstatt Dinge zu hinterfragen?

Fengler: Was die breite Masse der Juristen angeht, muss man wohl leider einsehen, dass das kritische Denken in den vergangenen Jahren gelitten hat. Ich würde mir wünschen, dass junge angehende JuristInnen kritischer begutachten, was sie tun.

Aber es gibt ja auch Ausnahmen: An vielen Fakultäten gibt es Arbeitskreise kritischer JuristInnen. Dort setzen Menschen sich kritisch mit unserem Rechtssystem auseinander. Und sie wie auch viele Anwälte bieten Pro-Bono-Beratung an.

LTO: Herr Fengler, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Michael Fengler ist Jurastudent in Bonn. Er arbeitet seit mehreren Jahren in der Kanzlei Felser in Brühl und spezialisiert sich auf das Beamtenrecht. Die Anträge an die Gerichte in Sachsen hat er selbst verfasst, sein Chef Michael Felser hat den Antrag an das BVerfG gestellt. Fengler hat, obgleich er noch keinen deutschen Studienabschluss hat, bereits  einen Master of Laws an der University of East Anglia absolviert. Dabei wurde er gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf.  

Das Interview führte Pia Lorenz.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Jurastudent lässt Demoverbot in Heidenau aufheben*: "Das BVerfG hat unserem Antrag stattgegeben"* . In: Legal Tribune Online, 29.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16748/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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