Gewährleistungsversicherung bei M&A-Transaktionen: Der neue Stan­dard beim Unter­neh­mens­kauf?

von Dirk Kramer, LL. M.

08.09.2016

2/2: Ein Angebot vor allem für Käufer

Während die Gewährleistungsversicherung ursprünglich als Versicherung für den Verkäufer ausgestaltet war, sind der weit überwiegende Teil der Versicherungen heute Käufer-Policen. Aus diesem Umstand zu schließen, dass die Versicherungen weit überwiegend vom Erwerber initiiert werden, wäre jedoch falsch. Im Gegenteil: Insbesondere im Private-Equity-Umfeld kommt es immer häufiger vor, dass ein Verkäufer potentiellen Erwerbern ein mit einem Versicherer vorabgestimmtes, unverbindliches Angebot zum Abschluss einer Gewährleistungsversicherung zusammen mit dem ersten Entwurf des Kaufvertrags zur Verfügung stellt ("Seller-Buyer-Flip" oder "Stapled insurance" genannt). Auf diese Weise wird deutlich gemacht, dass Angebote ohne Gewährleistungsversicherung wenig aussichtsreich sind. Versicherungsnehmer wird dann jedoch der Erwerber.

Bei dieser Vorgehensweise ist die Haftungsobergrenze des Verkäufers üblicherweise stark reduziert (etwa auf ein Prozent des Unternehmenswertes) und entspricht häufig dem Selbstbehalt unter der Versicherung, der für den Käufer des Unternehmens und damit dem künftigen Inhaber der Police gilt. Der Selbstbehalt ist für Versicherungen wichtig, um sicherzustellen, dass der Erwerber und spätere Versicherungsnehmer eine sorgfältige Risikoprüfung durchführt. Aus der Perspektive der Versicherung sollte gleichzeitig der Verkäufer in Höhe des Selbstbehalts unter dem Kaufvertrag haften, damit er die Richtigkeit der Garantieerklärungen sorgsam prüft.

Wer es sich leisten kann, verkauft fast risikolos

Gegen Prämienzuschlag akzeptieren Versicherer auch Strukturen, in denen Verkäufer nur für einen Teilbetrag des Selbstbehalts oder gar nicht haften und so fast gänzlich risikolos einen Unternehmenskaufvertrag unterzeichnen. Über der vereinbarten Haftungsobergrenze liegende Schäden kann der Erwerber bis zu einer selbst gewählten Deckungssumme direkt gegenüber dem Versicherer geltend machen, ohne sich vorher an den Verkäufer wenden zu müssen.  Die Mindestprämie liegt derzeit zwischen 50.000 und 60.000 Euro. Damit der Einsatz einer Gewährleistungsversicherung lohnt, sollte das Transaktionsvolumen daher mindestens fünf bis sechs Millionen Euro betragen.

Spötter behaupten, Versicherungen kämen für alles auf – außer für Schäden, die entstehen. Ob dies für den Bereich der Gewährleistungsversicherung gilt, wird vermutlich der gewährleistungsversicherte Erwerb des Sanitärausrüsters Grohe durch den japanischen Baustoffkonzern Lixil zeigen. Nachdem die chinesische Tochterfirma der deutschen Grohe Beteiligung Joyou AG einen Kredit nicht mehr bedienen konnte, meldete diese kurze Zeit später Insolvenz an. Marktteilnehmer berichten, dass es um rund 270 Millionen Euro Schadenssumme geht. Der Fall könnte zum Gradmesser für die Branche werden.

Der Autor Dirk Kramer, LL. M. ist Associate bei Kirland & Ellis LLP am deutschen Standort in München. Er berät Mandanten im gesamten Wirtschaftsrecht, insbesondere aber im Bereich Private Equity und M&A.

Zitiervorschlag

Dirk Kramer, LL. M., Gewährleistungsversicherung bei M&A-Transaktionen: Der neue Standard beim Unternehmenskauf? . In: Legal Tribune Online, 08.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20519/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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