Deutscher Juristentag vom 21.-23. September: Rechts­po­li­ti­sche Emp­feh­lungen aus Bonn für Berlin

von Hasso Suliak

20.09.2022

Ursprünglich sollte der 73. DJT vor zwei Jahren in Hamburg stattfinden, wegen Corona gab es dann aber nur ein abgespecktes Online-Forum. Nun erwartet die alte Bundeshauptstadt Bonn ein volles und spannendes Präsenz-Programm.

Ausgefallen ist der Deutsche Juristentag (DJT) seit 1949 noch nie. Auch 2020 nicht, als der 73. DJT wegen Corona nur in Form einer im Wesentlichen virtuellen Ersatzveranstaltung und ausschließlich zum Thema "Pandemie und Recht" stattfand.

Aber da die Hamburger Light-Veranstaltung kein "richtiger" Juristentag war, findet der 73. DJT nun wieder so wie gewohnt statt. In sechs Fachabteilungen werden aktuelle rechtspolitischen Themen von rund zweitausend Jurist:innen vor Ort im World Conference Center intensiv diskutiert. Als Grundlage dienen hierfür sechs Gutachten aus den Bereichen Zivilrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Justiz.

Ergänzt werden diese durch Referate, die besondere Teilaspekte der Thematik vertiefen, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und Kontrapunkte setzen. Die Referent:innen stammen dabei aus dem gesamten Spektrum der juristischen Berufe. Am Ende der Abteilungsberatungen stehen dann die Beschlüsse. Sie gelten als wichtiger Impuls für den Gesetzgeber.

Selbstfahrende Autos und Renteneintrittsalter

Im Zivilrecht dreht sich in Bonn alles um Rechtsfragen digitaler autonomer Systeme und damit einem wichtigen Teilaspekt der digitalen Revolution. Anlässlich technologischer Entwicklungen, wie z.B. selbstfahrender Autos, geht die Abteilung dem Bedarf nach neuen Haftungsregeln nach. Auch versicherungsrechtliche Fragen werden eine Rolle spielen.

Im Arbeits- und Sozialrecht geht es um Altersvorsorge und Demographie. Geklärt werden soll, welche gesetzlichen Maßnahmen in den Bereichen der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der betrieblichen und privaten Altersvorsorge erforderlich sind, um einerseits einen angemessenen Lebensunterhalt im Alter zu erhalten. Andererseits gilt es eine nachhaltige, ausgewogene Lastenverteilung zwischen denjenigen zu erreichen, die mit ihren Beiträgen und Steuern für die Leistungen der Rentner und Pensionäre aufkommen müssen und jenen, die Leistungen der Altersvorsorge beziehen. Diskutiert werden u. a. die Erhöhung des Renteneintrittsalters, die Einbeziehung weiterer Personenkreise in die Rentenversicherung (Stichwort: Bürgerversicherung) sowie Formen verpflichtender privater Altersvorsorge.

Mit Ö-Recht zur urbanen Nachhaltigkeit

In der öffentlich-rechtlichen Abteilung dreht es sich im Kern um die Frage, wie wir zukünftig in unseren Städten leben und arbeiten wollen. Diskutiert wird die Sicherung urbaner Nachhaltigkeit angesichts knappen und teuren Wohnraums, dichter werdenden Verkehrs, zunehmender Umweltbelastungen (insbesondere Klimaschutz) und einer Konzentration der Zuwanderung in den Ballungszentren. Erörtert wird, welcher Regelungsbedarf sich für den Gesetzgeber aus einer Nachhaltigkeitsstrategie für die weitere städtebauliche Entwicklung ergibt.

Die Strafrechtler:innen befassen sich auf dem DJT intensiv mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz im Strafprozess: Ist dieser in seiner aktuellen Ausgestaltung noch zeitgemäß oder lässt sich sogar zunehmend eine Erosion feststellen – obwohl der Vorrang des Personalbeweises durch unmittelbare Vernehmung heute noch in der Vorschrift des § 250 StPO verankert ist? Und: In welchem Verhältnis steht der Unmittelbarkeitsgrundsatz zur Aufklärungsmaxime? Welcher rechtsstaatliche Preis ist zu zahlen, um das Ziel des Strafverfahrens zu erreichen, die Wahrheit zu erforschen?

Die Frage, ob sich eine stärkere Regulierung von Online-Plattformen und anderen Digitalunternehmen empfiehlt, beschäftigt dagegen die Wirtschaftsrechler:innen auf dem DJT. Kommt das klassische Kartellrecht, mit dem in erster Linie auf die Herausforderungen durch Facebook etc. reagiert wird, an seine Grenzen? Sind die Grundregeln des wirtschaftlichen Wettbewerbs in Zeiten von "Big Tech" noch hinreichend passgenau? Am Ende stehen auch hier Empfehlungen für die Politik bzw. den Gesetzgeber.

Um die Unabhängigkeit der Justiz dreht sich schließlich alles in der entsprechenden Abteilung "Justiz". Im Fokus der Diskussion dort steht, durch wen und auf welche Weise Rechtsprechungsämter zu besetzen sind, um die im Grundgesetz und im Recht der Europäischen Union garantierte Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter zu gewährleisten. Die Diskutanten werden Antworten auf die Frage präsentieren: Welche Regelungen braucht man zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz bei der Besetzung von Richterpositionen?

Zitiervorschlag

Deutscher Juristentag vom 21.-23. September: Rechtspolitische Empfehlungen aus Bonn für Berlin . In: Legal Tribune Online, 20.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49682/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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