AfD-Organklage zum Fragerecht: Geheime jour­na­lis­ti­sche Neben­tä­tig­keiten

von Dr. Christian Rath

25.09.2023

Die AfD-Fraktion im Bundestag hat die Bundesregierung verklagt, weil diese nicht durchweg öffentlich macht, welche Journalisten sie für Moderationen und andere Nebentätigkeiten bezahlt hat. Christian Rath kennt die Klageschrift.

Das Verhältnis von AfD und Medien ist ganz überwiegend von beiderseitiger Abneigung geprägt. Die vorliegende, an sich interessante parlamentsrechtliche Organklage dient der AfD in weiten Teilen dazu, Journalist:innen, die im Rahmen einer Nebentätigkeit von der Bundesregierung bezahlt werden, die Unabhängigkeit abzusprechen.

Der Vorgang begann mit einer kleinen Anfrage der AfD-Fraktion aus dem November 2022. Darin fragte die Fraktion, welche Journalist:innen von Bundesministerien und Bundesbehörden in den vergangenen fünf Jahren Honorare erhielten. Dabei ging es um typische journalistische Nebentätigkeiten wie die Moderation von Veranstaltungen oder Medien- und Rhetorik-Trainings.

Weil die Antworten der Bundesregierung so unbefriedigend blieben, fragte die AfD-Fraktion mehrfach nach. Am Ende gab es fünf Regierungs-Antworten auf vier parlamentarische Fragen (einmal ergänzte die Bundesregierung ihre Angaben ohne Nachfrage; Bundestagsdrucksachen 20/4850, 20/5822, 20/6355, 20/7057, 20/7546).

Überwiegend Moderationen, vereinzelt Coachings

Ganz überwiegend ging es dort um Moderationen, vereinzelt um Coachings. Am Ende stand für die Jahre 2018 bis 2022 eine Liste von 267 Journalist:innen, die einmal oder mehrmals von der Bundesregierung Geld für Nebentätigkeiten erhalten hatten. 155 von ihnen arbeiten fest oder frei für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In der letzten Anfrage wurde das Ganze auch für die davor liegenden Jahre 2013 bis 2017 abgefragt.

Die Journalist:innen wurden zunächst nur "Journalist 1" bis "Journalist 267" genannt, was zwar das Zählen erleichterte, aber die Transparenz nur bedingt erhöhte. Die Journalist:innenen wurden jeweils einem Medium zugeordnet, z.B. dem ZDF oder der FAZ. Die Honorare im einzelnen wurden zunächst nicht ausgewiesen, sondern nur die Summe pro Ministerium.

So zahlte etwa das Justizministerium von 2018 bis 2022 für zwölf Moderationen an sieben Journalist:innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt 32.989 Euro und für weitere vier Moderationen an drei Journalist:innen von privaten Medien (Sport 1, Zeit und NJW) insgesamt 12.992 Euro.

Ob die Liste wirklich vollständig ist, ist zweifelhaft. So lieferten vier Ministerien gar keine Auskünfte: das Auswärtige Amt (Annalena Baerbock, Grüne), das Bauministerium (Klara Geywitz, SPD), das Familienministerium (Lisa Paus, Grüne) und das Innenministerium (Nancy Faeser, SPD).

Stoff für die Geheimschutzstelle

Als die AfD nicht locker ließ, gingen die Ministerien auf die betroffenen Journalist:innen zu und fragten, ob diese mit einer Veröffentlichung ihres Namens und ihres Honorars einverstanden sind. So erfuhr die Öffentlichkeit zum Beispiel, dass Johannes B. Kerner mehrfach das Musikfest der Bundeswehr moderierte. Welche Summe er hierfür erhielt, blieb aber geheim.

Im Bereich des Justizministeriums wurden nun fünf Zahlungen an öffentlich-rechtliche Journalist:innen und drei Zahlungen an private Journalist:innen öffentlich gemacht, also genau die Hälfte der Zahlungen. Zu den transparenzbereiten Journalist:innen gehörten Frank Bräutigam (ARD) und Joachim Jahn (NJW).

Die Namen und Honorare der übrigen Zahlungsempfänger:innen können nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags eingesehen werden. Die Informationen dürfen anschließend aber nicht öffentlich gemacht werden, was den politischen Wert deutlich mindert. Die Bundesregierung begründete die Vertraulichkeit mit Datenschutz und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Journalist:innen.

Organklage der AfD

Gegen diese teilweise Informationsverweigerung erhoben die AfD-Fraktion und der federführende AfD-Abgeordnete Martin E. Renner Ende August 2023 Organklage (Az. 1 BvE 11/23), die LTO exklusiv vorliegt. Darin sehen die Abgeordneten ihr parlamentarisches Fragerecht verletzt.

Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gehen sie davon aus, dass die Bundesregierung grundsätzlich auf parlamentarische Fragen antworten muss. Formelhafte Hinweise auf Datenschutz und Geschäftsgeheimnisse könnten nicht genügen. Die Beschränkung auf eine Einsichtnahme in der Geheimschutzstelle des Bundestags sei in diesem Fall eine unverhältnismäßige Beschränkung.

Die Journalist:innen seien auch nicht besonders schutzwürdig, heißt es in der Klageschrift, weil sie sich mit der Wahl des Berufs ohnehin öffentlich exponieren. Zudem hätten sie "mit Annahme der Aufträge der Bundesregierung" gewusst, "dass sie sich in einen politisch und demokratisch sensiblen Bereich begeben".

Dass es von öffentlichem Interesse ist, wie häufig welche Ministerien welche Journalist:innen mit welchen Summen für Nebentätigkeiten entlohnen, ist durchaus nachvollziehbar. Die AfD verweist zu Recht darauf, dass Medien staatsfern organisiert sein sollen. Ob hier über Umwege doch finanzielle Abhängigkeiten geschaffen werden, ist von öffentlichem Interesse.

Hetze gegen die Medien

Doch die AfD belässt es nicht dabei, die Relevanz ihrer Anfragen für die Öffentlichkeit darzulegen, was verfassungsrechtlich ja genügen würde. Ihre ganze Argumentation läuft darauf hinaus, dass hier etwas Illegales, Skandalöses geschehe und von der Bundesregierung vertuscht werde. Der "besondere Charme und die besondere Nützlichkeit einer verdeckten, geheimen, verborgenen Finanzierung von Journalisten" liege gerade in der "Verschleierung" derselben vor den Bürger:innen. So werde "der Schein einer freien Presse gewahrt".

"Durch Zahlungen entstehen finanzielle Abhängigkeiten", heißt es apodiktisch in der Klageschrift. Die Regierung habe sich der Medienschaffenden "bemächtigt". Der Staat beeinflusse "im Verborgenen", welche Informationen den Bürger:innen zur Verfügung gestellt werden und mit welchem "Framing" sie den Wähler:innen präsentiert werden. Der Staat arbeite "kollusiv" mit Journalist:innen zusammen, "die gegenüber dem mündigen Bürger nicht mehr Journalismus, sondern vielmehr Staatspropaganda betreiben". Das ist keine ernsthafte juristische Argumentation mehr, sondern nur noch Hetze.

Soweit bisher ersichtlich, hält sich die Verquickung in durchaus unproblematischen Grenzen. Wer einmal im Jahr eine Moderation für ein Ministerium übernimmt, verdient sich ein Zubrot, aber gerät sicher nicht in finanzielle Abhängigkeit. Wer vom Ministerium hohe Gagen erhält, wird meist auch sonst fürstlich bezahlt. Die Summen sind dann sozusagen marktüblich. Jedenfalls bestreitet niemand, dass die Journalist:innen auch ihre Gegenleistung, also in der Regel die Moderation einer Veranstaltung, erbracht haben.

Am Dienstag will die AfD ihre Verfassungsklage in Berlin vorstellen.

Transparenzhinweis: Der Autor Dr. Christian Rath wird am 3. Oktober beim Tag der Deutschen Einheit im Auftrag des BVerfG öffentlich mit zwei Verfassungsrichterinnen sprechen. Er erhält dafür kein Honorar. Das ist entweder Ausdruck seiner Unabhängigkeit oder sehr großer Abhängigkeit oder geschäftlicher Unfähigkeit.

Zitiervorschlag

AfD-Organklage zum Fragerecht: Geheime journalistische Nebentätigkeiten . In: Legal Tribune Online, 25.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52781/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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