Taubenrecht zu Pfingsten: Viel Feder­le­sens ums gur­rende Geflügel machen

von Martin Rath

05.06.2017

2/2: Kein Notstand im Taubenschlag, sagt der Richter

Einblick in ein Rechtsgebiet, das vielen, auch juristisch interessierten Menschen verborgen bleibt, gibt ein Fall, dem sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 25. März 2003 anzunehmen hatte (Az. 11 UE 4139/99) – hier standen sich gleich zwei Bevölkerungsminderheiten gegenüber: Taubenzüchter und Jagdberechtigte. Fraglich war, ob dem Jagdberechtigten aufzugeben sei, einen Habicht zu bejagen, von dem behauptet wurde, den Taubenbestand des Antragstellers zu dezimieren.

Der Sachverhalt vermittelt alle Freuden, die eine Geschichte haben kann, in der sich zwei Seiten streiten, die von einem Gutteil der übrigen Gesellschaft für ein bisschen esoterisch gehalten werden. So erklärte der Taubenhalter, dass der Raubvogel ihm um 15 bis 31 Prozent seiner Tiere genommen habe, während der Jagdausübungsberechtigte dem entgegenhielt, der Taubenfreund greife selbst mit seiner Zucht dergestalt ins ökologische Gleichgewicht ein, dass sein Verlust nicht zulasten des Habichts gehen solle.

Das Gericht wollte unter anderem im Tierverlust keine "notstandsähnliche Situation" erkennen und dem bloß hobbymäßig Tauben haltenden Kläger kein schutzwürdiges Interesse zubilligen.

Würdeloser Tod im Bananenkarton

Gemessen daran, dass vor deutschen Gerichten schier endlose Verfahren um Ansprüche am Gebrauchsmuster von "Schutzgittern für Brieftauben-Reisekabinen" geführt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.1964, Az. Ia ZR 85/63) – Einrichtungen offenbar von erheblicher Ingenieurs-Intelligenz –, stimmt ein Urteil des Landgerichts Krefeld vom 9. November 2011 (Az. 7 O 92/10) sehr traurig, lässt es doch einen Verfall der taubenbezogenen Kulturpraktiken erkennen: Ein Transportunternehmen hatte es übernommen, 16 Brieftauben zu spedieren, die in einem entsprechend eingerichteten Bananenkarton transportiert wurden.

In diesem Bananenkarton gerieten die Vögel in die Fänge eines eingedrungenen Frettchens, das sechs Tauben tötete und zehn verletzte, was vom Kläger mit einem Schaden von 9.000 bzw. 11.000 Euro beziffert wurde.

Zugesprochen wurden ihm im Ergebnis ganze 127,70 Euro: Die Vögel waren nur zu einem Gesamtgewicht von neun Kilogramm wirksam für den Transport versichert. In einer "Brieftauben-Reisekabine" wäre das gewiss nicht passiert.

Zukunft des Flugreiseschadenssachbearbeiters?

Mit ähnlich unschönem Ergebnis, allerdings nicht bloß aus Sicht des Vogels, ging ein Verfahren vor dem OLG Hamm zu Ende: Eine Taube, die "sich auf einem üblichen Überlandflug" ihres Brieftaubenvereins befunden hatte, war in die Turbine eines Flugzeugs geraten, was zu wechselseitigen Ansprüchen aus Tierhalterhaftung und Haftung aus dem Luftverkehrsgesetz führte.

Die Hammer Richter bestätigten das Urteil der Vorinstanz: Der Taubenzüchter hatte die Hälfte der Kosten für die Reparatur der Turbine zu tragen, ein Betrag von rund 4.500 Euro (OLG Hamm, Urt. v. 11.02.2004, Az. 13 U 194/03).

Sachbearbeiter, denen die Frage zu langweilig wird, ob eine durch Vogelschlag bedingte Nörgeligkeit von Flugreisenden zu Ansprüchen gegen den Flug- bzw. Reiseanbieter führt, könnten auf die tierischen Opfer des hypertrophen Flugreiseverkehrs umschulen: Dank der Wettlust chinesischer und arabischer Millionäre steigen die Preisgelder in den Flugwettbewerben sowie die Kosten für eine leistungsstarke Wettkampf-Taube auf sechsstellige Euro-Beträge.

Für sie wird es da vielleicht eines Tages mehr zu klagen geben als in den öden Fällen von Touristen, die den Zeitverlust vor dem Flieger nicht verschmerzen können.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Taubenrecht zu Pfingsten: Viel Federlesens ums gurrende Geflügel machen . In: Legal Tribune Online, 05.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23106/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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