Für die einen ist sie das Symbol des Heiligen Geistes, für die anderen das Rennpferd des kleinen Mannes. Auch rechtlich gibt die Taube Irritierendes her. Vom Wechsel der Flugrichtung vor Gericht bis zum Notstand im Taubenschlag.
Gläubigen Christinnen und Christen das Pfingstfest zu erklären, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Schließlich ist ihnen doch ohne viel Federlesens bekannt, dass an diesem 50. Tag nach Ostern der Heilige Geist über die Apostel und Jünger kam. Davon erzählt die Apostelgeschichte.
Menschen ohne ernstzunehmende abendländische Grundausbildung wundern sich hingegen spätestens am heutigen Pfingstmontag, warum sie an diesem Tag nicht das tun, was ein gesunder Mensch montags eben zu tun hat: einer Arbeit nachzugehen.
Um zwischen den Interessen beider Gruppen zu vermitteln, soll im Folgenden auf einige taubenrechtliche Fragen eingegangen werden. Der Fraktion der Gläubigen braucht dies nicht erklärt zu werden; für alle anderen: Sehr häufig wird in der christlichen Kunsttradition der Heilige Geist in Gestalt einer Taube dargestellt – obwohl die Columbidae durchaus zur Aggression fähige Tiere sind, rührt aus der Religion auch ihre Funktion als säkulares Symbol der Friedenstaube.
Taubentransport unter Spionageverdacht
Sehr reizvoll wäre es zu prüfen, ob insbesondere das Berliner Neutralitätsgesetz, das zurzeit wegen einer rigide laizistischen Anwendung in der Kritik steht, bei hinreichender Verschrobenheit der üblichen Bedenkenträger nicht auch auf solch säkularisierte Symbole wie die Friedenstaube – weißer Vogel auf blauem Grund – oder die Regenbogen-Flagge der Lesbian-Gay-Bisexual-Transgender-Intersex-Queer-Bewegung anzuwenden ist. Bei letzterer könnte man auf den Gedanken kommen, es handle sich beim Regenbogen doch auch um ein biblisches, also neutralitätswidriges Symbol aus der Zeit von Noahs Arche.
Leider stehen nach hiesiger Kenntnis entsprechende Rechtsstreitigkeiten noch aus, wenn man sich auch sicher sein darf, dass Berliner Narretei dergleichen noch hervorbringen wird.
Bleiben wir aber bei handfesten Problemen im Feld von Tauben und Recht.
In diesem Zusammenhang nachzutragen ist ein Hinweis darauf, dass die militärische Verwendung von Tauben bei der völkerrechtlichen Klärung der Frage, welchen Status Flugreisende im Krieg haben, eine gewisse Rolle gespielt hat:
"Es verließen vom 23. September 1870 bis 22. Januar 1871 insgesamt 65 Ballone die Stadt Paris, zum grössten Teil die ihnen gestellte Aufgabe erfüllend. In 44 dieser Ballone waren 358 Brieftauben mitgenommen worden, die Nachrichten von ausserhalb in die eingeschlossene Stadt brachten. Die Belagerungsarmee stand den Luftfahrern, die die Verbindung der eingeschossenen Hauptstadt mit dem Lande aufrecht erhielten, machtlos gegenüber. Bekannt ist die daraufhin erfolgte Erklärung Bismarcks, die er durch Vermittlung des Gesandten der Vereinigten Staaten von Nordamerika der französischen Regierung zugehen ließ, dass alle Personen, die Paris aus irgend welchem Grunde auf dem Luftwege verließen, nach denselben Regeln behandelt werden würden, wie wenn sie auf dem Boden die deutsche Linie passierten. Diese Mitteilung ist damals und noch später so aufgefasst worden, als ob sämtliche Luftfahrer als Spione behandelt werden dürften" (Otto Hilsmann: Das Recht der Luftfahrt, Telgte 1914).
Wechsel der Flugrichtung überzeugt nicht
Auch wenn der verdächtigte Charakter der Brieftaube als Agenten-Tier mit dem Aufkommen technisch avancierter Spionage-Kommunikationsmittel ein gutes Stück schwand, gibt es bis heute unter Taubenfreunden arkane Sozialbeziehungen zu entdecken: Mit Urteil vom 29. Dezember 2004 entschied beispielsweise das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf über das Begehren eines Taubenhalters, in eine "Brieftauben-Reisevereinigung" aufgenommen zu werden (Az. VI-U [Kart] 22/04).
Um seine gefiederten "Rennpferde des kleinen Mannes" an Wettkämpfen um erfolgreich zu absolvierende Flugstrecken teilnehmen lassen zu können, ist – wir sind in Deutschland – die Zugehörigkeit zu einem der anerkannten Vereine notwendig.
Einige Vereine hatten den Kläger abgewiesen, der bereits im Verfügungsverfahren erstritten hatte, dass eine Anzahl seiner Vögel an einer "Herbstreise der Jungtiere" teilnehmen durfte. Als unschlüssige Argumentation sahen es die Düsseldorfer Richter an, "dass der Kläger mit seinem gesamten Schlag zur Reisevereinigung des Beklagten wechseln will, obschon sein Tierbestand über viele Jahre an die abweichende Flugrichtung [eines anderen Vereins, MR] gewöhnt ist. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der geänderten Flugrichtung tatsächlich nicht die im Prozess reklamierte Bedeutung zukommt […]."
In der Abwägung, ob die Vereinsautonomie der Brieftauben-Reisevereinigung aus kartellrechtlichen Gründen hinter den Interessen des Tauben-Sportlers zurückzustehen habe, war unter anderem entscheidungserheblich, dass dem Mann der Weg in alternative Reisevereinigungen offen stand – ein Weg, der weder durch Satzungsrecht noch durch die Fluggewohnheiten der Tiere verbaut war.
2/2: Kein Notstand im Taubenschlag, sagt der Richter
Einblick in ein Rechtsgebiet, das vielen, auch juristisch interessierten Menschen verborgen bleibt, gibt ein Fall, dem sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 25. März 2003 anzunehmen hatte (Az. 11 UE 4139/99) – hier standen sich gleich zwei Bevölkerungsminderheiten gegenüber: Taubenzüchter und Jagdberechtigte. Fraglich war, ob dem Jagdberechtigten aufzugeben sei, einen Habicht zu bejagen, von dem behauptet wurde, den Taubenbestand des Antragstellers zu dezimieren.
Der Sachverhalt vermittelt alle Freuden, die eine Geschichte haben kann, in der sich zwei Seiten streiten, die von einem Gutteil der übrigen Gesellschaft für ein bisschen esoterisch gehalten werden. So erklärte der Taubenhalter, dass der Raubvogel ihm um 15 bis 31 Prozent seiner Tiere genommen habe, während der Jagdausübungsberechtigte dem entgegenhielt, der Taubenfreund greife selbst mit seiner Zucht dergestalt ins ökologische Gleichgewicht ein, dass sein Verlust nicht zulasten des Habichts gehen solle.
Das Gericht wollte unter anderem im Tierverlust keine "notstandsähnliche Situation" erkennen und dem bloß hobbymäßig Tauben haltenden Kläger kein schutzwürdiges Interesse zubilligen.
Würdeloser Tod im Bananenkarton
Gemessen daran, dass vor deutschen Gerichten schier endlose Verfahren um Ansprüche am Gebrauchsmuster von "Schutzgittern für Brieftauben-Reisekabinen" geführt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.1964, Az. Ia ZR 85/63) – Einrichtungen offenbar von erheblicher Ingenieurs-Intelligenz –, stimmt ein Urteil des Landgerichts Krefeld vom 9. November 2011 (Az. 7 O 92/10) sehr traurig, lässt es doch einen Verfall der taubenbezogenen Kulturpraktiken erkennen: Ein Transportunternehmen hatte es übernommen, 16 Brieftauben zu spedieren, die in einem entsprechend eingerichteten Bananenkarton transportiert wurden.
In diesem Bananenkarton gerieten die Vögel in die Fänge eines eingedrungenen Frettchens, das sechs Tauben tötete und zehn verletzte, was vom Kläger mit einem Schaden von 9.000 bzw. 11.000 Euro beziffert wurde.
Zugesprochen wurden ihm im Ergebnis ganze 127,70 Euro: Die Vögel waren nur zu einem Gesamtgewicht von neun Kilogramm wirksam für den Transport versichert. In einer "Brieftauben-Reisekabine" wäre das gewiss nicht passiert.
Zukunft des Flugreiseschadenssachbearbeiters?
Mit ähnlich unschönem Ergebnis, allerdings nicht bloß aus Sicht des Vogels, ging ein Verfahren vor dem OLG Hamm zu Ende: Eine Taube, die "sich auf einem üblichen Überlandflug" ihres Brieftaubenvereins befunden hatte, war in die Turbine eines Flugzeugs geraten, was zu wechselseitigen Ansprüchen aus Tierhalterhaftung und Haftung aus dem Luftverkehrsgesetz führte.
Die Hammer Richter bestätigten das Urteil der Vorinstanz: Der Taubenzüchter hatte die Hälfte der Kosten für die Reparatur der Turbine zu tragen, ein Betrag von rund 4.500 Euro (OLG Hamm, Urt. v. 11.02.2004, Az. 13 U 194/03).
Sachbearbeiter, denen die Frage zu langweilig wird, ob eine durch Vogelschlag bedingte Nörgeligkeit von Flugreisenden zu Ansprüchen gegen den Flug- bzw. Reiseanbieter führt, könnten auf die tierischen Opfer des hypertrophen Flugreiseverkehrs umschulen: Dank der Wettlust chinesischer und arabischer Millionäre steigen die Preisgelder in den Flugwettbewerben sowie die Kosten für eine leistungsstarke Wettkampf-Taube auf sechsstellige Euro-Beträge.
Für sie wird es da vielleicht eines Tages mehr zu klagen geben als in den öden Fällen von Touristen, die den Zeitverlust vor dem Flieger nicht verschmerzen können.
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.
Martin Rath, Taubenrecht zu Pfingsten: Viel Federlesens ums gurrende Geflügel machen . In: Legal Tribune Online, 05.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23106/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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