Taubenrecht zu Pfingsten: Viel Feder­le­sens ums gur­rende Geflügel machen

von Martin Rath

05.06.2017

Für die einen ist sie das Symbol des Heiligen Geistes, für die anderen das Rennpferd des kleinen Mannes. Auch rechtlich gibt die Taube Irritierendes her. Vom Wechsel der Flugrichtung vor Gericht bis zum Notstand im Taubenschlag.  

Gläubigen Christinnen und Christen das Pfingstfest zu erklären, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Schließlich ist ihnen doch ohne viel Federlesens bekannt, dass an diesem 50. Tag nach Ostern der Heilige Geist über die Apostel und Jünger kam. Davon erzählt die Apostelgeschichte.

Menschen ohne ernstzunehmende abendländische Grundausbildung wundern sich hingegen spätestens am heutigen Pfingstmontag, warum sie an diesem Tag nicht das tun, was ein gesunder Mensch montags eben zu tun hat: einer Arbeit nachzugehen.

Um zwischen den Interessen beider Gruppen zu vermitteln, soll im Folgenden auf einige taubenrechtliche Fragen eingegangen werden. Der Fraktion der Gläubigen braucht dies nicht erklärt zu werden; für alle anderen: Sehr häufig wird in der christlichen Kunsttradition der Heilige Geist in Gestalt einer Taube dargestellt – obwohl die Columbidae durchaus zur Aggression fähige Tiere sind, rührt aus der Religion auch ihre Funktion als säkulares Symbol der Friedenstaube.

Taubentransport unter Spionageverdacht

Sehr reizvoll wäre es zu prüfen, ob insbesondere das Berliner Neutralitätsgesetz, das zurzeit wegen einer rigide laizistischen Anwendung in der Kritik steht, bei hinreichender Verschrobenheit der üblichen Bedenkenträger nicht auch auf solch säkularisierte Symbole wie die Friedenstaube – weißer Vogel auf blauem Grund – oder die Regenbogen-Flagge der  Lesbian-Gay-Bisexual-Transgender-Intersex-Queer-Bewegung anzuwenden ist. Bei letzterer könnte man auf den Gedanken kommen, es handle sich beim Regenbogen doch auch um ein biblisches, also neutralitätswidriges Symbol aus der Zeit von Noahs Arche.

Leider stehen nach hiesiger Kenntnis entsprechende Rechtsstreitigkeiten noch aus, wenn man sich auch sicher sein darf, dass Berliner Narretei dergleichen noch hervorbringen wird.
Bleiben wir aber bei handfesten Problemen im Feld von Tauben und Recht.

In früheren Beiträgen zum Recht der Taube hatten wir uns bereits der Tauben-Indienstnahme durch die deutschen Streitkräfte in Kriegszeiten und der nationalsozialistischen Vorschriften angenommen, jüdischen Deutschen die Taubenhaltung zu verbieten, um sie damit unter Spionage-Verdacht zu setzen.

In diesem Zusammenhang nachzutragen ist ein Hinweis darauf, dass die militärische Verwendung von Tauben bei der völkerrechtlichen Klärung der Frage, welchen Status Flugreisende im Krieg haben, eine gewisse Rolle gespielt hat:

"Es verließen vom 23. September 1870 bis 22. Januar 1871 insgesamt 65 Ballone die Stadt Paris, zum grössten Teil die ihnen gestellte Aufgabe erfüllend. In 44 dieser Ballone waren 358 Brieftauben mitgenommen worden, die Nachrichten von ausserhalb in die eingeschlossene Stadt brachten. Die Belagerungsarmee stand den Luftfahrern, die die Verbindung der eingeschossenen Hauptstadt mit dem Lande aufrecht erhielten, machtlos gegenüber. Bekannt ist die daraufhin erfolgte Erklärung Bismarcks, die er durch Vermittlung des Gesandten der Vereinigten Staaten von Nordamerika der französischen Regierung zugehen ließ, dass alle Personen, die Paris aus irgend welchem Grunde auf dem Luftwege verließen, nach denselben Regeln behandelt werden würden, wie wenn sie auf dem Boden die deutsche Linie passierten. Diese Mitteilung ist damals und noch später so aufgefasst worden, als ob sämtliche Luftfahrer als Spione behandelt werden dürften" (Otto Hilsmann: Das Recht der Luftfahrt, Telgte 1914).

Wechsel der Flugrichtung überzeugt nicht

Auch wenn der verdächtigte Charakter der Brieftaube als Agenten-Tier mit dem Aufkommen technisch avancierter Spionage-Kommunikationsmittel ein gutes Stück schwand, gibt es bis heute unter Taubenfreunden arkane Sozialbeziehungen zu entdecken: Mit Urteil vom 29. Dezember 2004 entschied beispielsweise das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf über das Begehren eines Taubenhalters, in eine "Brieftauben-Reisevereinigung" aufgenommen zu werden (Az. VI-U [Kart] 22/04).

Um seine gefiederten "Rennpferde des kleinen Mannes" an Wettkämpfen um erfolgreich zu absolvierende Flugstrecken teilnehmen lassen zu können, ist – wir sind in Deutschland – die Zugehörigkeit zu einem der anerkannten Vereine notwendig.

Einige Vereine hatten den Kläger abgewiesen, der bereits im Verfügungsverfahren erstritten hatte, dass eine Anzahl seiner Vögel an einer "Herbstreise der Jungtiere" teilnehmen durfte. Als unschlüssige Argumentation sahen es die Düsseldorfer Richter an, "dass der Kläger mit seinem gesamten Schlag zur Reisevereinigung des Beklagten wechseln will, obschon sein Tierbestand über viele Jahre an die abweichende Flugrichtung [eines anderen Vereins, MR] gewöhnt ist. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der geänderten Flugrichtung tatsächlich nicht die im Prozess reklamierte Bedeutung zukommt […]."

In der Abwägung, ob die Vereinsautonomie der Brieftauben-Reisevereinigung aus kartellrechtlichen Gründen hinter den Interessen des Tauben-Sportlers zurückzustehen habe, war unter anderem entscheidungserheblich, dass dem Mann der Weg in alternative Reisevereinigungen offen stand – ein Weg, der weder durch Satzungsrecht noch durch die Fluggewohnheiten der Tiere verbaut war.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Taubenrecht zu Pfingsten: Viel Federlesens ums gurrende Geflügel machen . In: Legal Tribune Online, 05.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23106/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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