Die Volljuristin, die jahrelang in einem Yoga-Ashram arbeitete, bekommt als Mindestlohn rund 42.000 Euro* nachgezahlt. Das LAG Hamm bestätigte den Arbeitnehmerstatus der Frau. Der Fall hatte es bis zum BAG geschafft.
Mit Entspannung und innerer Einkehr hatten die Aufgaben einer Volljuristin in einem Yoga-Zentrum irgendwann nicht mehr viel zu tun: Die Frau plante Unterricht und Seminare, arbeitete im Team Social Media/Online-Marketing mit und übernahm später dessen Leitung. Für ihre Tätigkeit bekommt sie nun den Mindestlohn. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschieden (Urt. v. 14.05.2024, Az. 6 Sa 1128/23 u.a.). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte die grundlegenden rechtlichen Wertungen bereits vorgenommen (BAG, Urt. v. 05.04.2023, 9 AZR 254/22 u.a.).
Rund acht Jahre hatte die Frau im Yoga-Zentrum "Yoga Vidya e.V." (Yoga Vidya) in Horn-Bad Meinberg, einem kleinen Ort in Ostwestfalen-Lippe, gelebt und gearbeitet. Bekommen hat sie für ihre Tätigkeiten von wöchentlich laut Vertrag 42 Arbeitsstunden aber nur ein Taschengeld zwischen 360 und 430 Euro. Neben ihr hatten schließlich noch zwei weitere Mitglieder auf Zahlung des Mindestlohns geklagt – alle mit Erfolg.
Über tausend Betten für die Erleuchtung
Das Zentrum versteht sich selbst als religiöse Gemeinschaft und ist als gemeinnütziger Verein organisiert. Der Zweck ist nach eigener Darstellung die Verbreitung von Yoga-Lehren. Dafür hält der Verein allein in Bad Meinberg in vier campus-ähnlichen Gebäudekomplexen über 1.008 Betten und mehr als 40 Seminarräume vor.
Die Mitglieder nennen sich Sevaka und widmen ihr Leben der Übung und Verbreitung der Yoga-Lehren. Sie wollen sich spirituell entwickeln und Erleuchtung erreichen, nennt es der Verein. Neben dem Taschengeld übernimmt Yoga Vidya die Kosten für Kranken- und Altersversicherung und stellt Unterkunft und Verpflegung. Zudem können die Mitglieder an den Angeboten im Yoga-Zentrum teilnehmen.
Auch die drei klagenden Personen waren solche Sevakas, alle wollten für ihre Dienste nachträglich zumindest den Mindestlohn haben – und bekommen ihn. Schon das BAG hatte festgestellt, dass in dem Vertrag zwischen den Beteiligten das Wesen des Arbeitsvertrages nach § 611a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegeben sei – nämlich die Weisungsgebundenheit und persönliche Abhängigkeit. Nur ausnahmsweise kann in diesen Fällen keine Arbeitnehmereigenschaft vorliegen, wenn es sich um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft handelt, wie etwa bei Mönchen oder Rote-Kreuz-Schwestern in eigenen Klöstern – dann gäbe es mangels Arbeitnehmerstatus auch keinen Mindestlohn.
Bindungswirkung durch BAG-Urteile
Auch in der erneuten Berufungsverhandlung konnte das LAG eine solche Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft aber nicht erkennen. Die Kammer betonte, dass in zwei der Verfahren insoweit die Bindungswirkung durch die BAG-Urteile bestehe, neue Tatsachen hätten sich nicht ergeben. Der Verein sei daher in den streitgegenständlichen Zeiträumen weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft gewesen, urteilte die 6. Kammer. Auch die Vereinsautonomie stehe den Ansprüchen der klagenden (Ex-)Sevakas nicht entgegen.
Nun seien für den Umfang der Zahlungsansprüche die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie weitere Zeiten zu berücksichtigen, für die ein Zahlungsanspruch in Höhe des Mindestlohns besteht. Das wird aber etwas weniger sein, als die klagenden Personen geltend gemacht hatten. Für einen Beschäftigungszeitraum von rund dreiiinhalb Jahren erhalten die Juristin und ein weiterer Sevaka nun rund 42.000 Euro brutto, ein Dritter bekommt rund 19.000 Euro.*
Die Berufungen des Yoga-Centrums gegen Urteile des Arbeitsgerichts (ArbG) Detmold blieben damit weitestgehend erfolglos (Urt. v. 15.10.2021, Az. 3 Ca 696/20 u. 3 Ca 732/20; Urt. v. 11.10.2023, Az. 2 Ca 906/22). Das LAG hat die erneute Revision nicht zugelassen.
*Zahlen ergänzt am 15.05.2024, 15.24 red tap
Berufung beim LAG Hamm: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54546 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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