BVerwG zum AGG: Schwerbehinderte Bewerberin um Richteramt erhält Entschädigung

04.03.2011

Einer schwerbehinderten Bewerberin um ein Richteramt hat das BVerwG eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zugesprochen, weil sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Menschen, die sich um eine freie Stelle bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Einladung dürfe nach dem Gesetz nur dann unterbleiben, wenn die fachliche Eignung des Bewerbers offensichtlich fehle.

Der Dienstherr dürfe neben einer nachgewiesenen beruflichen Qualifikation auf Examensnoten nur abstellen, wenn er ein bestimmtes Notenniveau vorab und bindend in einem Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festgelegt habe. Das war nach den Feststellungen der Verwaltungsgerichtshöfe (VGH) Mannheim und München im Jahr 2007 für Richterstellen weder in Baden-Württemberg noch in Bayern der Fall.

Die Klägerin hatte das Erste und Zweite Juristische Staatsexamen jeweils mit der Gesamtnote "befriedigend" bestanden. Im Jahr 2007 bewarb sie sich in Baden-Württemberg und Bayern erfolglos um Einstellung in den höheren Justizdienst als Richterin. Sie wurde in beiden Ländern nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie - so die jeweils zuständigen Ministerien - mit ihren Examensnoten das Anforderungsprofil nicht erfülle.

Die Klägerin forderte daraufhin eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 15 Abs. 2 AGG 1). Die Ablehnung ihrer Bewerbung lasse vermuten, dass der öffentliche Arbeitgeber sie wegen ihrer Behinderung benachteiligt habe. Ihre beiden Klagen auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von maximal drei Monatsgehältern (jeweils etwa 12.000 Euro) hatten die Vorinstanzen abgewiesen.

Das BVerwG hat die Entscheidungen des VGH Mannheim sowie des VGH München aufgehoben und die Verfahren zur Klärung der angemessenen Höhe einer Entschädigung zurückverwiesen. Die Klägerin habe Anspruch auf eine Entschädigung, weil sie entgegen der gesetzlichen Verpflichtung öffentlicher Arbeitgeber (nach § 82 Satz 2 und 3 SGB Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX - 2) nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde (Urteil v. 03.03.2011, Az. 5 C 15.10 und 16.10).

plö/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BVerwG zum AGG: Schwerbehinderte Bewerberin um Richteramt erhält Entschädigung . In: Legal Tribune Online, 04.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2687/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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