Freshfields-Studie: Der Verbraucherschutz bedroht Unternehmen weltweit

von Désirée Balthasar

13.11.2014

2/2: "Die Unternehmen sollten früh den Finger heben"

LTO: Wenn es ein globales Thema ist, wie sieht es in anderen Ländern aus?

Ramb: Nehmen wir China: Wir erinnern uns an den Babymilch-Skandal im vergangenen Jahr. Zuvor war dort Verbraucherschutz überhaupt kein Thema, dann kam er plötzlich auf Platz eins der politischen Agenda. Heute gibt es in China umfassende Verbraucherschutz-Richtlinien.

Wolfers: Die Globalisierung spielt eine wichtige Rolle, denn das Geschäft ist internationaler geworden. Die Lieferketten erstrecken sich über den gesamten Globus und jedes Land hat unterschiedliche Verbraucherschutz-Regelungen.

LTO: Wie können Unternehmen hier noch durchblicken?

Ramb: Sie müssen sich informieren und wissen, in welchem Land welche Anforderungen für ihre Produkte gelten. Und sie müssen im Krisenfall – wenn  etwa Salmonellen im Schweizer Käse in französischen Supermärkten entdeckt werden – innerhalb weniger Tage darauf reagieren können.

Bei vielen Unternehmen hat sich diesbezüglich bereits etwas getan. Zum Beispiel, was das Thema Compliance angeht: Vor den großen Korruptionsverfahren war das eher etwas für Fachabteilungen, heute ist Compliance das Top-Thema eines jeden Konzernvorstands.

Wolfers: Außerdem müssen die Unternehmen die politische Debatte und Gesetzgebung verfolgen. Wenn zum Beispiel neue Regelungsvorschläge mit so hohen Kosten oder unkalkulierbaren Risiken verbunden sind, dass Unternehmen sich aus diesen Bereichen zurückziehen, müssen sie frühzeit den Finger heben und Gegenvorschläge unterbreiten.

So haben sich beispielsweise Banken aus manchen Produkten im Kreditvergabesystem zurückgezogen, weil die verbraucherschützenden Aufklärungspflichten so verschärft wurden, dass das Risiko, eines Aufklärungsfehlers beschuldigt zu werden, zu hoch geworden war. Am Ende hatte hier dann der Verbraucher das Nachsehen, weil das Produkt überreguliert war.

"Kanzleien müssen ihre regulatorische Expertise ausbauen"

LTO: Welche Branchen sind besonders betroffen von der Entwicklung?

Wolfers: Neben den klassischen Bereichen wie Lebensmittel, Medizinprodukte und Bekleidung rücken jetzt auch immer häufiger der Energiesektor, Fluglinien, der klassische Einzelhandel und der Bankensektor in den Fokus der Verbraucherschützer. Hier soll der Verbraucher beispielsweise vor zu hohen Kreditgebühren geschützt werden.

LTO: Wie reagieren Kanzleien auf diese neuen Anforderungen an ihre Mandanten?

Wolfers: Sie müssen ihre regulatorische Expertise ausbauen. Der Umfang der Regulierung nimmt sprungartig zu, vor allem seit der Finanzkrise 2008. Jährlich füllen sich neue Aktenschränke.

Dabei reicht es nicht, nur auf Deutschland zu schauen. Kanzleien müssen ihre öffentlich-rechtliche Expertise international aufstellen. Denn Firmen wie Air Berlin, Tesco, E.ON oder auch Banken müssen in den vielen Ländern, in denen sie Geschäfte betreiben, wissen, worauf sie sich einstellen müssen.

LTO: Kann es so etwas wie eine Win-Win-Situation geben?

Wolfers: Ja, das ist dann möglich, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: die Regulierung muss maßvoll und die Anforderungen müssen vorhersehbar sein. Wenn das erfüllt ist, dann haben beide etwas davon – der Verbraucher und der Anbieter.

Dr. Benedikt Wolfers ist Partner, Dr. Michael Ramb ist Counsel im Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht im Berliner Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Wolfers berät zu regulatorischen Fragen, seine Mandanten kommen hauptsächlich aus dem Finanzsektor. Ramb ist spezialisiert auf Produktrecht, insbesondere im Lebensmittel- und pharmazeutischen Bereich.

Wolfers und sein Londoner Kollege Andrew Austin waren federführend an der Studie "A Regulated World – The Consumer Agenda" beteiligt. Sie erhielten Unterstützung aus dem internationalen Freshfields-Netzwerk und von befreundeten Kanzleien. Gemeinsam mit den Kollegen erarbeiteten die beiden Freshfields-Partner Fragebögen und erhoben somit Daten aus insgesamt 30 Ländern. Die Erhebung erstreckte sich über einen Zeitraum von einem Jahr.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Freshfields-Studie: Der Verbraucherschutz bedroht Unternehmen weltweit . In: Legal Tribune Online, 13.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13785/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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