Wahlwerbung durch Wählerinitiativen: Einnahmen der Partei oder aufgedrängte Bereicherung

Kurz vor der NRW-Wahl stehen beide großen Parteien wegen der Verbuchung von Einnahmen im Rechenschaftsbericht in der Kritik. Der CDU wird vorgeworfen, im Jahr 2005 von einer Wählerinitiative mobilisierte Beträge nicht verbucht zu haben. Nun wird die SPD bezichtigt, Gelder einer Initiative zu Unrecht als Einnahmen verbucht zu haben. Parteienrechtler Sebastian Roßner bringt Licht ins Dunkel.

Die Wählerinitiative "Wähler für den Wechsel" hat 2005 ihr Scherflein zur politischen Wende in NRW beigetragen. Jetzt könnte es überraschenderweise erneut so weit sein: Die CDU hat Beträge, die die Initiative vor fünf Jahren für die Wahl von Jürgen Rüttgers zum Ministerpräsidenten mobilisierte, nicht in ihrem Rechenschaftsbericht verbucht.

Die Wählerinitiative schaltete im Wahlkampf 2005 Anzeigen, die für einen Wechsel von der damaligen rot-grünen Koalition hin zu einer Regierung unter Rüttgers' Führung werben sollten. Derartige Gruppen, die bestimmte politische Parteien oder Kandidaten unterstützen, werden besonders in Wahlkampfzeiten immer wieder tätig.

Erst vor kurzem tauchten nun Berichte über eine Bochumer Wählerinitiative auf, die die SPD unterstützt. Hier allerdings ist die Lage gerade entgegengesetzt zu der bei den "Wählern für den Wechsel": Die SPD hat die Einnahmen der Initiative als eigene verbucht. Unklar ist aber, ob zu Recht.

Wählerinitiativen als zweischneidiges Schwert

Die Tätigkeit solcher Unterstützergruppen ist ein stark politisch geprägter Ausdruck der Meinungsfreiheit und als Form des bürgerschaftlichen Engagements generell zu begrüßen. Für die politischen Parteien kann sich derartige Unterstützung von Seiten Dritter allerdings als Segen oder als Fluch darstellen.

Einerseits wird die Reichweite der Parteikommunikation auf Personen erweitert, die der Eigenwerbung politischer Parteien skeptisch gegenüberstehen. Solche Initiativen dokumentieren auch breiten Rückhalt in der Bevölkerung und entlasten das in Wahlkampfzeiten stets zu knappe Parteibudget.

Andererseits besteht aber das Risiko der Verbreitung von Botschaften, die in der Öffentlichkeit zwar mit der Partei in Verbindung gebracht werden, ihrer Wahlkampfstrategie aber zuwiderlaufen. Unkontrollierte Wählerinitiativen können so auch eine Gefahr für die eigentlich unterstützte Partei bedeuten.

Der Gedanke liegt deshalb nahe, die Aktionen der Unterstützergruppen durch die Partei zu steuern. Damit stellt sich aber ein Folgeproblem: Die Partei nähme dann wesentlichen Einfluss auf die Verwendung der Mittel der Wählerinitiative und würde im Ergebnis ihre Finanzkraft erhöhen.

Politische Parteien sind jedoch nach Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG zu öffentlicher Rechenschaft über ihre Einnahmen verpflichtet. Damit soll die Möglichkeit einer politischen Beurteilung der sehr unterschiedlichen Finanzquellen der Parteien geschaffen und ihrer Instrumentalisierung durch finanzstarke Interessen vorgebeugt werden. Wegen der Bedeutung dieser Transparenzpflicht knüpft das Parteiengesetz in §§ 31a-d finanzielle Sanktionen und sogar Strafdrohungen an Verstöße gegen die Rechenschaftspflicht. Entscheidend ist also, was als Einnahme der Partei zu zählen hat.

Zurechnung zur Partei

Darauf gibt § 26 ParteiG Antwort. § 26 Abs. 1 S. 2 ParteiG betrifft dabei den problematischen Bereich der Gelder und Leistungen, die nicht durch die Hände der Partei gelaufen, ihr aber zugute gekommen sind.

Einnahmen liegen danach unter anderem vor, wenn Dritte wie Wählergemeinschaften Maßnahmen durchführen, mit denen ausdrücklich für die Partei geworben wird. Die dafür aufgewandten Mittel sind der Partei zuzurechnen und müssen im Rechenschaftsbericht ausgewiesen werden.

Das Gesetz weist aber zwei erhebliche Schwachstellen auf: Es berücksichtigt nicht die Konstellation der aufgedrängten Bereicherung und ist insofern zu weit gefasst. Es ist bei restriktivem Verständnis des Wortlauts aber auch leicht zu umgehen, da es auf die Ausdrücklichkeit der Parteiwerbung abhebt. In dieser Hinsicht ist es damit zu eng gefasst.

Korrektur: Keine aufgedrängte Bereicherung, Erweiterung der "ausdrücklichen" Werbung

Beide Punkte bedürfen der Korrektur im Wege der Auslegung. Die Kosten der Werbemaßnahmen Dritter dürfen der Partei nur dann als Einnahmen zugerechnet werden, wenn die Partei die Maßnahmen entweder zu wesentlichen Teilen gesteuert oder ausdrücklich gebilligt hat. Damit ist die Partei davor geschützt, den Wert nicht gewollter und nicht kontrollierbarer "Unterstützung" als Einnahmen ausweisen zu müssen.

Eine Zurechnung darf andererseits nicht daran scheitern, dass von der Wählerinitiative nicht namentlich für die Partei, sondern etwa für deren Spitzenkandidaten geworben wird. Entscheidend ist der Charakter als Aufruf, eine bestimmte und für den Wähler eindeutig zu identifizierende Partei zu wählen. Diese Identifikation kann eben auch durch Bezug auf den Spitzenkandidaten geschehen. Es liegt dann eine "ausdrückliche" Werbung für die Partei vor.

Anders verhält es sich, wenn zum Beispiel nur für die Verwirklichung allgemeiner politischer Ziele wie Gerechtigkeit, Freiheit oder sozialen Frieden geworben wird, die sich alle Parteien mehr oder minder prononciert auf ihre Fahnen schreiben. In dem Fall fehlt es an der geforderten Ausdrücklichkeit des Bezugs der Werbung auf die Partei.

Ohne die skizzierte Auslegung würde die Anwendung von § 26 Abs. 1 S. 2 ParteiG dem Zweck von Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG zuwiderlaufen, der auf eine zutreffende Abbildung der Mittel zielt, über die die Parteien verfügen.

Gefahr von Strafzahlungen für CDU und SPD

Die CDU war nun in die Pläne zur Gründung der "Wähler für den Wechsel" eingeschaltet und soll dabei mit erheblichen Geldmitteln unterstützend eingegriffen haben. Zwar muss man die Ergebnisse der mittlerweile eingeleiteten Untersuchung durch die Bundestagsverwaltung abwarten. Die bekannt gewordenen Anhaltspunkte deuten aber auf eine Steuerung der Initiative durch die CDU hin. Da auch explizit für Rüttgers als Spitzenkandidaten der CDU geworben wurde, hätten die Kosten für diese Werbemaßnahmen wohl als Einnahmen im Rechenschaftsbericht der CDU auftauchen müssen. Es drohen Strafzahlungen in zweifacher Höhe der nicht deklarierten Einnahmen.

Für die SPD dagegen hängt einiges davon ab, eine möglichst enge Verbindung zur Bochumer Wählerinitiative nachzuweisen. Gelingt dies nicht, sind die Gelder der Initiative zu Unrecht als Einnahmen der Partei verbucht worden. Auch hier droht Ungemach in Form einer Strafzahlung in doppelter Höhe der Falschbuchung. Darüber hinaus müsste die SPD zu Unrecht erhaltene staatliche Zuwendungen zurückzahlen. Denn diese hängen ab von der Höhe der Einnahmen, die die Partei aus eigener Kraft erzielt. Auch hier ermittelt der Bundestagspräsident.

Vor der Wahl in NRW am 9. Mai darf der Wähler aber nicht mehr mit einer Aufklärung der beiden Fälle durch die Bundestagsverwaltung rechnen.

Der Autor Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und europäisches Parteienrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Zitiervorschlag

Sebastian Roßner, Wahlwerbung durch Wählerinitiativen: Einnahmen der Partei oder aufgedrängte Bereicherung . In: Legal Tribune Online, 07.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/495/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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