Recht der Vornamen: Jesus ist erlaubt, Satan nicht

"Adolf Hitler" und "JoyceLynn Aryan Nation" hat der rechtsradikale Amerikaner Heath Campbell zwei seiner Kinder getauft. Das ist zwar geschmacklos, aber erlaubt – zumindest in den USA. Doch wäre Ähnliches auch in Deutschland möglich? Dürfen Eltern "Sexmus Ronny", "Pumuckl" oder "Nelkenheini" wählen? Ein kleiner Ausflug ins Namensrecht.

Wer die Wahl hat, hat die Qual, das gilt besonders beim Vornamen der eigenen Sprösslinge. Der will mit Bedacht ausgesucht werden, schließlich wird man ihn dem Nachwuchs in den kommenden Jahrzehnten zahllose Male hinterherrufen müssen. "Sophie" oder "Paul" etwa geht sanft von den Lippen und verspricht eine gewisse Festigkeit gegen den generationenübergreifenden Geschmäckerwandel - beide haben es daher in die Top 10 der beliebtesten Kindernamen 2012, veröffentlicht von der Gesellschaft für deutsche Sprache, geschafft.

Doch nicht jedes Elternpaar gibt sich mit solch vermeintlich schnöden Varianten zufrieden. Das eigene Kind ist schließlich etwas ganz Besonderes, und das soll bitte jedem, der es kennenlernt, vom Augenblick der ersten Vorstellung an klar sein. Dazu bedarf es klingender Namen, die von altertümlich (Teutobert) über neumodisch-englisch (Angel-Ann) bis zu vollkommen irrwitzig (Bierstübl, Atomfried) reichen können. Der gestalterischen Freiheit sind dabei nur sehr wenige Grenzen gesetzt.

Vornamensrecht ist Richterrecht

"Es gibt keine Norm, die regeln würde, welche Namen zulässig sind, und welche nicht", weiß Gerhardt Wirsing, Leiter des Münchener Geburtenbüros und stellvertretender Leiter des Standesamts München. "Aber die obergerichtliche Rechtsprechung hat im Laufe der Jahre eine Reihe von Kriterien herausgearbeitet, an denen wir uns in unserer täglichen Arbeit orientieren."

Grob zusammenfassen lassen sich diese wie folgt: Das elterliche Recht zur Namenswahl – selbst Ausfluss aus Art. 6 Abs. 2 GG – wird begrenzt durch Erwägungen des Kindeswohles. Diese gebieten zunächst, dass der Name als Name erkennbar sein muss – "Tisch" oder "Stuhl" fallen also aus. Zweitens soll der Name nicht lächerlich wirken oder Anstoß erregen. Drittens ist eine einfache Identifizierbarkeit des Geschlechts wünschenswert, inzwischen jedoch nicht mehr zwingend. "Wer sein Kind vor 10 Jahren Kim oder Andrea nennen wollte, der hätte ihm zumindest noch einen eindeutig männlichen oder weiblichen Zweitnamen geben müssen," erinnert sich Wirsing. "Heute sprechen wir in solchen Fällen nur noch eine Empfehlung aus."

Osama Bin Laden und Adolf Hitler scheiden aus

Ohnehin kommt es höchst selten vor, dass Standesbeamte einen Namen ablehnen - in München nach Wirsings Schätzung nicht öfter als einmal pro Jahr, und das bei etwa 21.000 Geburten im selben Zeitraum. Hin und wieder jedoch sind die elterlichen Vorlieben so abwegig, dass den Beamten keine andere Wahl bleibt. "Wir hatten mal ein Paar, das seinen Sohn 'Osama Bin Laden' nennen wollte. Die haben wir letztlich zu einem anderen Namen überredet, aber das wäre sonst ein Fall für eine Ablehnung gewesen", erinnert sich Wirsing. "Natürlich gehört auch 'Adolf Hitler' in diese Kategorie – das hat bei uns allerdings noch keiner versucht."

Grundsätzlich verboten ist es aber nicht, seinem Kind einen bekannten Namensvetter zu geben. Wer etwa mit Nachnamen "Schweiger" heißt, der darf seinen Sohn ohne Weiteres Til nennen, denn in diesem Fall ist die Assoziation nicht negativ. Auch bei biblischen Gestalten findet sich dieser Gedanke wieder: "Jesus" etwa ist erlaubt, "Judas" oder "Satan" hingegen wurden beide schon abgelehnt. "Hier spielen zusätzlich nationale Traditionen eine Rolle", erläutert Wirsing. "Jesus ist in vielen spanischsprachigen Ländern ein gängiger Vorname; durch Immigration und gemischte Ehen ist er auch bei uns gebräuchlicher und somit zulässig geworden."

Fragwürdige Differenzierungen: Pumuckl und Verleihnix

Das klingt einleuchtend. Doch oft ist der Grat zwischen Kindeswohl und kreativer Entfaltung der Eltern ein schmaler. Wenn auch die abwegigsten der vorgenannten Kreationen abgelehnt wurden ("Nelkenheini", "Mechipchamueh",  "Bierstübl", "Atomfried"), haben es nicht wenige ähnlich fragwürdige – teils nach gerichtlichem Verfahren – auf die Geburtsurkunden deutscher Kinder geschafft. Beispiel gefällig? "Gneisenauette", "Sexmus Ronny" und "Schneewittchen". Die Entscheidungen sind dabei nicht immer einleuchtend: "Pumuckl" etwa wurde gestattet, "Verleihnix" hingegen nicht. Und auch, wer von seinen Eltern mehr als einen Vornamen mit auf den Weg bekommen hat, ist damit nicht unbedingt besser fürs Leben gewappnet.

Chenekwahow Tecumseh Migiskau Ernesto Kioma wird das bestätigen können. Ursprünglich sollte er noch Nikapi-Hun-Nizeo, Alessandro, Majim, Chayara, Inti, Prithibi, Pathar und das erschreckend normal klingende Henriko als weitere Vornamen tragen, doch die Gerichte weigerten sich. Zunächst war der Mutter gar keiner, vor dem Amtsgericht drei, vor dem LG vier und vor dem OLG Düsseldorf schließlich ein fünfter Vorname zugebilligt worden – damit war allerdings Schluss. Doch auch diese Zahl stellt, wie so vieles im Namensrecht, keine eiserne Grenze, sondern lediglich eine Tendenz dar: Im Einzelfall können mehr, aber auch weniger Namen zulässig sein.

Was bleibt also zu tun, wenn die Eltern einen ungefragt zum indianischen Stammeshäuptling auserkoren haben, und sich im weiteren Lebensweg offenbart, dass die eigene Bestimmung doch eine andere ist?

Letzter Ausweg Namensänderung

"Es gibt die Möglichkeit, seinen Namen ändern zu lassen," so Wirsing, "das ist aber nur unter engen Voraussetzungen möglich." Personen, die sich nicht mehr ihrem bei Geburt eingetragenen Geschlecht zugehörig fühlen und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, entsprechend zu leben, können etwa nach § 1 Transsexuellengesetz (TSG) eine Namensänderung beantragen. Weitere Gründe können nach §§1757 Abs. 4 S. 1, 1767 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Adoption oder nach § 94 I 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) die integrationsfördernde Eindeutschung von Vornamen sein.

Abseits solcher Sonderfälle gestaltet sich die Lage schwierig. Ein Änderungsantrag nach § 1, 3, 11 Namensänderungsgesetz (NamÄndG) ist zwar möglich, setzt jedoch einen "wichtigen Grund" voraus. Als solcher kommt grundsätzlich auch die Empfindung in Betracht, dass der eigene Name lächerlich sei; sie muss dann jedoch nachvollziehbar und mit einem hohen und andauernden subjektiven Leidensdruck verbunden sein. "In der Praxis geht das durchaus so weit, dass psychotherapeutische Gutachten eingefordert werden", schildert Wirsing.

Ein Blick ins europäische Umland zeigt, dass es auch anders geht. In Österreich etwa ist eine Änderung sowohl des Vor-, als auch des Nachnamens ohne Vorliegen spezieller Gründe, dafür aber kostenpflichtig möglich; bestehen plausible Gründe, verringert sich die Gebühr. "Eine gewisse Annäherung an das österreichische Modell könnte nicht schaden," meint Wirsing, "schließlich findet die Identifikation der Bürger doch zukünftig eher über die Sozialversicherungsnummer als über den Vornamen statt. Zumindest ein einmaliges Recht zur Namensänderung sollte es geben – das würde ein Gegengewicht zur sehr weitgehenden Freiheit der Eltern bei der Namenswahl schaffen."

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Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Recht der Vornamen: Jesus ist erlaubt, Satan nicht . In: Legal Tribune Online, 14.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8934/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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