Wer anonym in einem Online-Forum Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern veröffentlicht, handelt bandenmäßig, sagt der BGH. Und das auch, wenn die Forumsmitglieder sich nicht kennen. Der Anreiz zu weiteren Taten werde auch so verstärkt.
Der Beitritt zu einem anonymen Internet-Forum, in dem die Mitglieder regelmäßig kinder- und jugendpornografisches Material austauschen, kann ein Beitritt zu einer Bande im Sinne des § 184b Abs. 2 Var. 2 Strafgesetzbuch (StGB) sein. Eine Bandenabrede sei nämlich auch zwischen Personen möglich, die sich sämtlich nicht näher kennen, sondern unter Pseudonymen und Decknamen im virtuellen Raum des Internets miteinander handeln. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung von Mitte Mai klargestellt (Beschl. v. 14.05.2024, Az. 6 StR 449/23).
Im zugrundeliegenden Fall hatte sich ein Mann bei einem Online-Forum registriert und dort regelmäßig Darstellungen von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen geteilt. Im Gegenzug hatte er von anderen Forumsmitgliedern ähnliche Dateien erhalten. Die Mitglieder des Forums kannten sich dabei nicht persönlich.
Das Landgericht (LG) Hannover verurteilte ihn deshalb wegen bandenmäßiger Verbreitung kinderpornografischer Inhalte (§§§ 184b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Var. 2, § 184 c Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Var. 2 StGB). Das LG machte jedoch keine näheren Ausführungen zum Vorliegen einer Bande, beispielsweise zu der Frage, wie sich die Anonymität und Pseudonymisierung innerhalb des Forums auswirkte.
Das holte der BGH nun im Einzelnen nach und bestätigte das Vorliegen einer Bande.
BGH: Maßgeblich ist die Bandenabrede
Ausgangspunkt sei immer die sogenannte Bandenabrede: Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimme sich nach der deliktischen Vereinbarung. Sie setzt den Willen voraus, sich mit anderen zu verbinden, um künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen – soweit ständige Rechtsprechung.
Eine Bandenabrede setze dabei gerade nicht voraus, dass sich alle Beteiligten gleichzeitig absprechen, führte der BGH weiter aus. Deshalb liege vorliegend im Beitritt zu einer Online-Tauschbörse für Kinderpornografie der Beitritt zu einer Bande: Für die bandenmäßige Begehung im Sinne von § 184b Abs. 2 Var. 2 bzw. § 184c Abs. 2 Var. 2 StGB reiche es aus, einem zugangsbeschränkten Internetforum beizutreten und entsprechend den hierfür aufgestellten Regeln zugleich – auch konkludent – zu erklären, fortan einen wiederholten Tauschhandel mit kinder- und jugendpornografischen Dateien mit anderen registrierten Nutzern zu betreiben.
Einzelner Nutzer für Erfolg des Forums mitverantwortlich
Dem Angeklagten sei zwar vorliegend keine Herrschaft über die Struktur des Forums, dessen technischen Abläufe und organisatorischen Zugangsvorkehrungen zugekommen. Kinder- und jugendpornografisches Material könne aber nur streng geheim in einem eng begrenzten Täterkreis gehandelt werden. Deshalb kämen dem Beitritt und den Handelsaktivitäten der einzelnen Nutzer für den Erfolg des gesamten Internetforums besondere Bedeutung zu, meinen die Karlsruher Richter.
Die mit dem Beitritt regelmäßig erklärte Zusage zum Tauschhandel erhöhe sowohl die Aussicht der übrigen Nutzer auf immer neues kinderpornografisches Material.
Durch das wiederholte Bereitstellen solcher Inhalte und das Verfassen von Beiträgen leiste man als Mitglied daher einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Internetforums.
Bande setzt keine persönliche Bekanntschaft voraus
Das Neue an der Entscheidung ist, dass anonym agierende Nutzer der Plattform wegen bandenmäßiger Begehung verurteilt wurden: In den bisherigen Verurteilungen wegen Bandendelikten habe es sich meist um Betreiber oder Moderatoren der Gruppen gehandelt, erläuterte der Senat. Zwar waren auch andere Nutzer der Plattform schon als Bandenmitglieder verurteilt worden, dies aber nur, wenn sie die Moderatoren bzw. Betreiber der Gruppen auch tatsächlich kannten. Jetzt urteilte der BGH aber darüber hinaus: Beides sei für die Annahme einer Bande nicht erforderlich.
Dem Vorliegen einer Bande stehe insbesondere nicht entgegen, dass sich die Bandenmitglieder untereinander nicht persönlich kannten. Eine Bandenabrede sei auch zwischen Personen möglich, die sämtlich einander nicht näher kennen, sondern unter Pseudonymen und Decknamen im virtuellen Raum des Internets miteinander handeln.
Zwar habe der Gesetzgeber den Begriff der Bande sowie die Voraussetzungen der Bandenabrede und einer bandenmäßigen Begehung nicht definiert. Auch der Wortlaut der Bandendelikte biete keinen Hinweis auf die Art und Weise, wie die Bandenabrede zustande kommen muss, und sage zu der Frage, ob sich die Bandenmitglieder kennen müssen, nichts aus.
Nach Ansicht des BGH sprechen aber zunächst systematische Erwägungen für eine Auslegung, nach der die Bandenmitglieder sich nicht persönlich kennen müssen. Ein anderes Verständnis wäre mit den Wertungen bei anderen Formen deliktischer Verbindungen nicht vereinbar. So werde etwa bei der Verbrechensverabredung (§ 30 Abs. 2 StGB) oder der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) nicht verlangt, dass sich die einzelnen Beteiligten (persönlich) kennen. Dies gelte auch für die Mitgliedschaft in einer (terroristischen) Vereinigung nach §§ 129 ff. StGB. Bei der vorliegend zu bewertenden Bandenabrede könne nichts anderes gelten.
BGH betont Gefährlichkeit gruppendynamischer Effekte
Besonderes Gewicht komme aber vor allem dem Sinn und Zweck der Bandendelikte und damit § 184b Abs. 2 Var. 2 bzw. § 184c Abs. 2 Var. 2 StGB selbst zu.
Der Grund für die höhere Strafwürdigkeit liege zum einen in der abstrakten Gefährlichkeit der Bandenabrede: Die Mitglieder gingen für eine gewisse Dauer eine enge Bindung ein, welche einen ständigen Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit bilde.
Eine solche Organisationsgefahr sei nicht nur dann anzunehmen, wenn sich die Mitglieder kennen, sondern bestehe gleichermaßen, wenn sich die Beteiligten eines – auch mehrere tausend Nutzer umfassenden – Netzwerkes sämtlich nicht persönlich bekannt sind und sie ihre Absprache im virtuellen Raum unter Verwendung von Pseudonymen vornehmen. Auch hier könne ein Zusammenschluss eine gewisse Selbstbindung der Beteiligten an das Zugesagte bewirken, so dass eine spätere Willensänderung erschwert wird, so der BGH.
Das Gefährliche an Bandendelikten sei, dass gruppendynamische Aspekte den ständigen Anreiz zur Fortsetzung der Taten verstärkten, so der BGH.
Besondere Gefährlichkeit folgt bereits aus Bestehen der Bande
Zum anderen liege der Grund für die schwere Strafandrohung in der konkreten Gefährlichkeit der bandenmäßigen Tatbegehung für das geschützte Rechtsgut, argumentiert der BGH. Bei denjenigen Bandendelikten, die – wie § 184b Abs. 2 Var. 2 und § 184c Abs. 2 Var. 2 StGB – im Tatbestand kein Mitwirkungsmerkmal enthalten, realisiere sich die Gefährlichkeit bereits dann, wenn nur ein Bandenmitglied die Tat für die Bande begeht.
Deshalb folge bei § 184b Abs. 2 und § 184c Abs. 2 StGB die besondere Gefährlichkeit schon aus dem Bestehen der Bande als solcher und nicht aus der Tatausführung durch mehrere Personen. Die gegenüber der Tatbegehung durch Einzel- oder Mittäter erhöhte Gefährlichkeit folge hier insbesondere aus dem über das Internet möglichen weltweiten Tauschhandel und die von den Bandenmitgliedern zugleich unterhaltene Marktstruktur.
cho/LTO-Redaktion
BGH zu anonymen Tauschbörsen für Kinderpornografie: . In: Legal Tribune Online, 27.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54629 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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