"Frauentausch"-Sendung untersagt: LG Berlin schützt nur vor Spott durch Nachbearbeitung

von Michael Kamps

22.08.2012

Ende Juli verbot das LG Berlin auf die Klage einer Mitwirkenden, eine Folge der Serie "Frauentausch" wegen Persönlichkeitsverletzungen weiter auszustrahlen. Schmerzensgeld blieb der Frau aber verwehrt, die Richter betonten auch an die Eigenverantwortung der TV-Laiendarsteller. Produzenten sollten ihre Teilnehmer dennoch besser wahrheitsgemäß aufklären, meint Michael Kamps.

Den Anhängern einer reinen Dokumentarfilm-Lehre sind die "Doku-Soaps" des TV-Mainstreams seit jeher ein Dorn im Auge. Zu sehr wird bei diesen Formaten das tatsächliche Geschehen durch Szenenauswahl, Sprecherkommentare, musikalische Untermalung und grafische Elemente dramatisiert oder gar verfälscht.

Den Produzenten der TV-Serie "Frauentausch" wurde dieses nicht hinreichend offen kommunizierte Konzept jetzt zum Verhängnis, als das Landgericht (LG) Berlin der Unterlassungsklage einer"Tauschmutter" stattgab und die weitere Ausstrahlung der Folge untersagte (Urt. v. 26.07.2012, Az. 17 O 14/12 – nicht rechtskräftig).

Das Urteil überrascht zunächst, denn immerhin hatte die "Tauschmutter" sich selbst um einen Fernsehauftritt beworben, einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet, eine Aufwandsentschädigung erhalten und an den Fernsehaufnahmen aktiv, freiwillig und widerspruchslos teilgenommen.

Produzenten müssen über mögliche Verspottung aufklären

Es handelte sich also nicht um einen so genannten "Überrumpelungsfall", in dem eine Privatperson etwa von Polizeibeamten in Begleitung eines Fernsehteams unfreiwillig ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird (vgl. Hanseatisches OLG, Urt. v. 04.05.2004, Az. 7 U 10/04). Hier wie dort fehlt es aber an der für die "Verbreitung eines Bildnisses" nach § 22 S. 1 Kunsturhebergesetz erforderlichen Einwilligung, so dass die Ausstrahlung der Aufnahmen unzulässig ist.

Im "Frauentausch"-Fall gab es eine Erklärung der späteren Klägerin. Diese hielt das Gericht aber nicht für ausreichend. Die Frau habe lediglich eingewilligt, an einer "TV-Dokumentationsserie" mitzuwirken. Die tatsächlich ausgestrahlten Aufnahmen hätten aber vor allem dazu gedient, sie lächerlich zu machen und ihre Schwächen in den Mittelpunkt der gesamten Folge zu stellen. Die Laien-Darstellerin hätte über die Art des Beitrages und die konkret beabsichtigte Verwendung der Aufnahmen aufgeklärt werden müssen, weil sich diese weitgehend auf ihre Privatsphäre bezogen.

Die Aufklärungspflichten des Produzenten, so das Gericht weiter, wären im konkreten Fall sogar besonders umfangreich gewesen: Denn die Tauschmutter sei offensichtlich intellektuell schnell überfordert gewesen und im Umgang mit Medien vollkommen unerfahren. Deshalb hätte man sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die Bilder nachträglich bearbeitet würden und Familienmitglieder möglicherweise lächerlich gemacht und verspottet werden könnten. Dieser Aufklärungsmangel werde weder dadurch aufgewogen, dass sich die Frau freiwillig beworben und mitgemacht habe, noch durch den Umstand, dass die Klägerin das Format kannte und andere Folgen gesehen hatte.

Medienaufsicht kann auch Werbeeinnahmen einziehen

Ein allgemein wirksames Mittel gegen die für Medien-Laien möglicherweise überraschenden Risiken und Nebenwirkungen von Fernsehauftritten bietet das Urteil aber nicht. Das hat auch das Berliner LG klargestellt, indem es den weiteren Antrag der Tauschmutter auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer besonders schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung (vulgo: "Schmerzensgeld") abwies und die Eigenverantwortung auch des medienunerfahrenen Laien betonte: Wer als geschäftsfähige Person in dokumentarische Aufnahmen aus seiner Privatsphäre einwillige, widerspruchslos und freiwillig an Dreharbeiten teilnehme und sich ein Entgelt zahlen lasse, müsse es hinnehmen, dabei auch negativ dargestellt zu werden.

Für Möchtegern-Fernsehstars aller Art ist das Urteil aber auch sonst mit Risiken verbunden: Wenn etwa nicht in der Familienwohnung gedreht wird, sondern bei einem öffentlichen Casting, ist nicht mehr die Privat- sondern die Sozialsphäre betroffen. Die Produzenten haben dann, wenn überhaupt, nur geringere Aufklärungspflichten. Gleiches gilt wohl, wenn nachgerade offenkundig ist, dass das Konzept nicht-dokumentarischen Charakter hat und billige Scherze auf Kosten der Darsteller betrieben werden. Teilnehmer bei "Deutschland sucht den Superstar" sollten sich daher ausreichend Gedanken machen, bevor sie einen Vertrag unterzeichnen.

Fernsehschaffende täten allerdings gut daran, ihre Laien-Darsteller generell wahrheitsgemäß zu informieren. Schlimmstenfalls ist es nämlich mit einem Ausstrahlungsverbot nicht getan. Diese Erfahrung machte der Sender Pro7, der Werbeeinnahmen in Höhe von 75.000 Euro abführen musste. Das zwischenzeitlich eingestellte Spiel "Bimmel-Bingo" aus der Sendung "TV Total", bei dem ein Kamerateam nachts unangekündigt an den Haustüren von Einfamilienhäusern klingelte, um die Bewohner aufzufordern, bei einem Spiel mitzumachen, qualifizierten nicht nur die Medienaufsicht, sondern erst vor einigen Monaten auch das Bundesverwaltungsgericht als persönlichkeitsrechtsverletzend (Urt. v. 23.05.2012, Az. 6 C 22.11).

Der Autor Michael Kamps ist Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle in Köln und berät Unternehmen in allen Fragen der informationsrechtlichen Compliance.

Zitiervorschlag

Michael Kamps, "Frauentausch"-Sendung untersagt: LG Berlin schützt nur vor Spott durch Nachbearbeitung . In: Legal Tribune Online, 22.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6896/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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