Erbschaftsteuerreform soll Cash-GmbHs verhindern: Ein bürokratisches Monster

von Alexander Knauss

23.07.2012

Da hat sich der Gesetzgeber so viel Mühe mit der Anfang 2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerreform gegeben und schon findet die böse Beraterzunft wieder ein Schlupfloch in Gestalt von Cash-GmbHs. Und das auch noch mit höchstrichterlichem Segen. Der Gesetzgeber will dem nun ein Ende bereiten - und greift dabei zu weit, meint Alexander Knauss.

Auf Betreiben der Länderfinanzminister hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vorgeschlagen, in das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) eine Regelung aufzunehmen, die so genannten "Cash-GmbHs" den Garaus machen soll. Dabei handelt es sich um eine Gestaltung, mit der nach geltendem Recht Geldvermögen zu 100 Prozent steuerfrei übertragen werden kann – was dem Fiskus natürlich ein Dorn im Auge ist.

Mit der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erzwungenen Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts hat der Gesetzgeber weitgehende Ausnahmen von der Besteuerung von Betriebsvermögen geschaffen. Ziel der Reform ist es, im Interesse des Gemeinwohls zu verhindern, dass Unternehmen im Erbfall ihr Vermögen für die Erbschaftsteuer aufbringen müssen und damit Arbeitsplätze gefährdet werden.

Folgerichtig knüpft das Gesetz die steuerlichen Vergünstigungen an eine Reihe von Bedingungen: So muss etwa der Betrieb bis zu sieben Jahre fortgeführt und das Lohnniveau gehalten werden. Im Gegenzug werden 85 Prozent, auf Antrag des Erwerbers unter noch strengeren Auflagen sogar 100 Prozent, des Betriebsvermögens von der Besteuerung ausgenommen.

Unproduktives Betriebsvermögen – wo gibt es denn sowas?

Schon vor Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform erfanden findige Erblasser so genanntes "gewillkürtes" Betriebsvermögen. Sie brachten Geld- und Kapitalanlagen, vermietete und verpachtete Grundstücke und Gebäude in gewerblich geprägte Personengesellschaften, etwa eine GmbH & Co. KG, ein.  So konnten sie für diese Vermögenswerte die steuerlichen Vergünstigungen nutzen, die für Personengesellschaften gelten.

Die Erbschaftsteuerreform, mit der Betriebsvermögen nun weitgehend von einer Besteuerung verschont wird, hätte dieses Modell natürlich noch attraktiver gemacht. Deswegen klammerte der Gesetzgeber ganz bewusst sogen. "Verwaltungsvermögen" von der Bevorzugung aus, sofern es mehr als 50 Prozent des Betriebsvermögens ausmacht.

Zum Verwaltungsvermögen gehören Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen, nach Auffassung der Finanzverwaltung aber nicht sonstige Forderungen wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen, Festgeldkonten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Forderungen an verbundene Unternehmen. Zählen solche Guthaben bei Kreditinstituten zum Privatvermögen, unterliegen sie in vollem Umfang der Steuer. Sind sie dagegen Bestandteil des Betriebsvermögens, ist der Erwerb der Beteiligung und damit mittelbar der Erwerb der Guthaben uneingeschränkt begünstigt, wenn auch die übrigen Voraussetzungen der Vorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG vorliegen.

Die Cash-GmbH – ein beliebtes Modell

An dieser Stelle setzt das Modell der so genannten "Cash-GmbH" an. Will jemand steuerfrei Geld übertragen, wird eine GmbH bzw. eine GmbH & Co. KG gegründet, in die der gewünschte Betrag eingebracht und anschließend die Beteiligung an der Gesellschaft übertragen wird. Wählt der Erwerber dann die Optionsverschonung von 100 Prozent des Betriebsvermögens, kann das Festgeld komplett schenkungsteuerfrei übergehen.

Auch für die Übertragung von Grundvermögen, Wertpapieren, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bis zu 25 Prozent oder Edelmetallen gibt es ein Modell: Das Privatvermögen wird in eine GmbH eingebracht, die das Vermögen dann zum Steuerwert an eine andere GmbH verkauft. Der Kaufpreis wird gestundet.

Im Erbfall ist die zweite GmbH steuerlich wertlos, denn ihrem Aktivvermögen steht die gleichwertige Kaufpreisverbindlichkeit gegenüber. Das Vermögen der veräußernden GmbH besteht hingegen allein aus der Kaufpreisforderung. Für dieses Unternehmen kann der Erbe die 100-prozentige Verschonung von der Erbschaftsteuer beantragen, so dass weder Erbschaft- noch Schenkungsteuer anfällt, wenn die Behaltensregeln in § 13a Abs. 5 i.V.m. Abs. 8 Nr. 2 ErbStG beachtet werden.

Die Kaufpreisforderung stellt nämlich gerade kein schädliches Verwaltungsvermögen dar. Auf die Entwicklung der Lohnsumme kommt es nicht an, weil die rein kaufpreisverwaltende GmbH die Schwelle von 20 Beschäftigten zur Anwendung der Lohnsummenregelung gar nicht erreicht.

Solche Cash-GmbHs sind vor allem ein Vehikel, um Vermögen Personen zu übertragen, die den Steuerklassen II und III unterliegen, also Geschwistern, Nichten, Neffen, nichtehelichen Lebenspartnern oder fremden Dritten. Deren persönlicher Freibetrag ist mit 20.000 Euro sehr gering bei gleichzeitig relativ hohen Eingangssteuersätzen.

Höchstrichterlicher Segen für’s "Steuerschlupfloch"

Solch kreative Modelle nutzen evident die für einen völlig anderen Zweck geschaffene Ausnahme aus. Es liegt auf der Hand, dass darüber das Damoklesschwert des § 42 AO schwebt. Die Vorschrift verbietet einen Gestaltungsmissbrauch.

Gleichwohl hat der Bundesfinanzhof (BFH) derartige Modelle ausdrücklich abgesegnet (Beschl. v. 5.10.2011, Az. II R 9/11). Die Münchner Richter befassten sich dabei generell mit verfassungsrechtlichen Problemen des neuen Erbschaftsteuerrechts. Lehrbuchhaft führten sie zahlreiche Gestaltungen auf, die ihrer Auffassung nach eine steuerfreie Übertragung von Vermögen ermöglichen.

Die Finanzrichter halten diese Schlupflöcher zwar ausdrücklich für verfassungsrechtlich problematisch. Damit sagen sie aber gleichzeitig, dass derartige Gestaltungen nach geltendem Recht möglich sind, da sich andernfalls die verfassungsrechtliche Frage gar nicht stellen würde.

Gesetzgeber will BVerfG zuvorkommen

Zwar ist damit zu rechnen, dass der BFH das Verfahren dem BVerfG vorlegen wird. Und es spricht viel dafür, dass Karlsruhe das geltende Erbschaftsteuerrecht erneut für verfassungswidrig erklären wird. Der Gesetzgeber will aber offenbar den Cash-GmbHs schon vorher den Garaus machen.

Nach den Empfehlungen des Bundesrates sollen künftig auch Zahlungsmittel, Sichteinlagen, Bankguthaben und andere Forderungen schädliches Verwaltungsvermögen sein, sofern ihr Wert insgesamt zehn Prozent des kapitalisierten Jahresertrags, mindestens aber des Substanzwertes übersteigt. Forderungen aus der "eigentlichen Unternehmenstätigkeit" wie solche aus Lieferungen und Leistungen sollen unberücksichtigt bleiben.

Gerade in Fällen, in denen das Verwaltungsvermögen knapp unterhalb der zulässigen Grenze von 50  bzw. zehn Prozent liegt, muss nach Inkrafttreten dieser Regelung sehr genau darauf geachtet werden, dass die neue - völlig willkürliche – zehn Prozent-Grenze nicht überschritten wird.

Nach den Empfehlungen des Bundesrates soll es allerdings auch eine "Heilungsmöglichkeit" geben. So kann bei einer Investition des "schädlichen" in begünstigtes Vermögen oder der Tilgung betrieblicher Schulden binnen zwei Jahren nach dem Erwerb auf Antrag die Quote des Verwaltungsvermögens rückwirkend neu berechnet werden.

Bloße Verkomplizierung der Gesetzeslage

Das für den Steuerpflichtigen schon jetzt kaum zu durchblickende Dickicht der Regelungen des ErbStG zur Besteuerung von Betriebsvermögen mit all seinen Ausnahmen und Rückausnahmen verspricht noch komplizierter zu werden als es ohnehin schon ist.

Anstatt von bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen und in Fällen reiner Cash-GmbHs zunächst einmal die Frage des Gestaltungsmissbrauchs zu prüfen, wird die Gesamtheit der Unternehmer durch die beabsichtigte Neuregelung in ihrer unternehmerischen Freiheit erheblich eingeengt. Der Gesetzgeber maßt sich an, typisierend zu regeln, welche Finanzausstattung er für Unternehmen für angemessen hält.

Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht das mit der Erbschaftsteuerreform geschaffene bürokratische Monstrum zur Besteuerung von Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt und der Gesetzgeber sich dann veranlasst sieht, das gesamte Konzept der Erbschaftsteuer noch einmal neu zu durchdenken, anstatt an der noch nicht einmal vier Jahre geltenden Regelung immer wieder herumzuflicken.

Denn eins ist klar: Ein Anreiz zur Entwicklung von Modellen wie der Cash-GmbH bestünde nicht in dem Maße, wenn das Erbschaftsteuerrecht nicht an vielen Stellen erhebliche Belastungsunterschiede aufwiese – angefangen bei den Freibeträgen und Steuersätzen für Angehörige der Steuerklassen II und III, die zu solchen Modellen geradezu herausfordern.

Der Autor Alexander Knauss ist Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Bonn. Er ist Verfasser zahlreicher Fachpublikationen zu seinen anwaltlichen Tätigkeitsschwerpunkten.

Zitiervorschlag

Alexander Knauss, Erbschaftsteuerreform soll Cash-GmbHs verhindern: Ein bürokratisches Monster . In: Legal Tribune Online, 23.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6677/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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