Geldstrafen gegen Fanrandale: Teures Spiel mit dem Feuer

von Marcel Schneider

01.07.2015

2/2: Rechtsunsicherheit vor der Staatsgerichtsbarkeit

Einer der Gründe für die Vereine, keine Regressansprüche gegen die eigenen Anhänger geltend zu machen, dürfte das Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung sein. So ist bis zu einer Grundsatzentscheidung durch den Bundesgerichtshof (BGH) ungeklärt, unter welchen Umständen und in welcher Höhe diese etwa gegen einzelne Verursacher bestehen können. Dabei hat das Oberlandesgericht (OLG) Rostock die Revision in entsprechenden Entscheidungen ausdrücklich zugelassen. 2006 verurteilte es zwei nackte Stadionflitzer dazu, dem Verein den durch die DFB-Strafe entstandenen Schaden in Höhe von 20.000 Euro in voller Höhe zu ersetzen (Urt. v. 28.04.2006, Az. 3 U 106/05). Zwar warfen die beklagten Fans dem Verein mangelnde Sicherungsmaßnahmen vor, derentwegen er überhaupt vom DFB mit einer Strafe belegt wurde. Doch nach Auffassung der Richter trat dieses fahrlässige Mitverschulden hinter dem Vorsatz der Spielunterbrecher zurück. Ein letztinstanzliches Urteil wurde seitens der Beklagten nicht angestrebt.

Aus der Praxis kennt Rechtsanwalt Fabian Reinholz, unter anderem Spezialist für Sportrecht bei Härting Rechtsanwälte, noch einen weiteren Grund für das Zögern der Vereine: "Als Fußballclub läuft man nicht selten Gefahr, einen reinen Schauprozess zu führen. Selbst wenn das Gericht den Anspruch des Vereins gegen den Zuschauer auf einen Teil der Verbandsstrafe beschränkt, reden wir hier immer noch über Summen, die die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Durchschnittsbürgers schnell übersteigen." Damit spielt Reinholz auf einen oft erhobenen Einwand vieler Fanvereinigungen an. Diese kritisieren, dass sich die Höhe der Verbandsstrafe an der Leistungsfähigkeit der Fußballclubs orientiert, für Privatpersonen jedoch schnell den finanziellen Ruin bedeuten kann. Wohlgemerkt für ein Fehlverhalten, das außerhalb des Stadions vermutlich deutlich milder bestraft worden wäre.

So sorgte der Fall des "Kölner Böller-Werfers" im April dieses Jahres nicht nur medial, sondern auch juristisch für Aufsehen. Der beklagte Fan zündete auf den Zuschauerrängen einen Knallkörper und verletzte dabei sieben Personen. Der DFB verurteilte den 1. FC Köln  zu einer Geldstrafe von 50.000 Euro und zu einer Investition von 30.000 Euro in Präventivmaßnahmen. 30.000 der insgesamt 80.000 Euro darf der Club vom Stadionbesucher nach einem Urteil des Landgerichts (LG) Köln zurückverlangen (v. 08.04.2015, Az. 7 O 231/14).

Fehlende Abschreckungswirkung

Urteile wie dieses bilden bisher noch die Ausnahme. Somit mangelt es an der vom DFB angestrebten Abschreckungswirkung, die neben Fanarbeit, Aufklärung und Präventionsmaßnahmen eine der Säulen im Kampf gegen Stadiongewalt bilden sollen. Das heißt allerdings nicht, das sich nichts tut: "Ich habe den Eindruck, dass zumindest bei den Vereinen, die häufig und in besonderem Ausmaß von Krawallen betroffen sind, ein Umdenken einsetzt", schätzt Arnhold die Lage ein. Noch sind auch nicht alle Verfahren der gerade vergangenen Saison vor den DFB-Sportgerichten vom Tisch. Reinholz kann indes von Versuchen berichten, eine Abschreckungswirkung mit den Mitteln des Strafrechts zu erzielen: "Es gibt erste Vorschläge für einen gesonderten Tatbestand im Strafgesetzbuch, der speziell Ausschreitungen in Stadien sanktionieren soll. Diese Vorschläge sind meines Erachtens noch etwas unausgegoren, zeigen aber, dass die Problematik nach wie vor so aktuell ist, dass sich auch die Legislative bald damit befassen könnte."

Vielfach kritisiert wurde hingegen das Vorhaben des Bundeslandes Bremen, Ausrichter kommerzieller Großveranstaltungen an den dafür notwendigen Polizeikosten zu beteiligen. Den Anlass für die Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes bildeten die hohen zusätzlichen Polizeikosten bei "Risikospielen" des SV  Werder Bremen, für die besonders hohes Gewaltpotential prognostiziert wurde. Bereits im Vorfeld griffen Kritiker das Gesetz hart an, weil es zu allgemein gefasst sei und nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genüge; auch wurde bemängelt, dass die Kosten der Gefahrenabwehr als genuin staatlicher Aufgabe somit auf Private abgewälzt würden. Damit würde ein Bundesland die Verbände DFB beziehungsweise DFL in die Pflicht nehmen, diese würden die Rechnung wiederum an die Vereine weiterleiten. An dem grundlegenden Problem ändert das allerdings nichts. Diejenigen Zuschauer, die hartnäckig auf ihrem "Recht" zum Abbrennen von Pyrotechnik oder sonstigem grenzgängigem Stadionverhalten beharren, werden sich durch Geldstrafen gegen "ihren" Verein kaum abschrecken lassen. Ganz anders dürfte es aussehen, wenn dieser die Rechnung einfach weiterreicht.

Zitiervorschlag

Marcel Schneider, Geldstrafen gegen Fanrandale: Teures Spiel mit dem Feuer . In: Legal Tribune Online, 01.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16048/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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