Das bundesweit aktive Islamische Zentrum Hamburg stand schon länger unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dass das Verbot so lange gedauert hat, hat mehrere Gründe.
Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und mehrere mit ihm verbundene Organisationen müssen ihre Tätigkeit einstellen. Bundesweit werden am Mittwoch 54 Objekte durchsucht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Vormittag die Gründe für ihre Entscheidung, den Hamburger Moscheeverein und weitere schiitisch-islamistische Vereinigungen zu verbieten. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was ist der Grund für das Verbot?
Das IZH ist nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ein schiitisch-islamistischer Verein. Der Verein ist demnach darauf ausgerichtet, die islamische Lehre, so wie sie dem Religionsverständnis der iranischen Führung entspricht, zu verbreiten. Das BfV hält das IZH neben der Botschaft für "die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland". Neben Gebetsveranstaltungen und religiösen Feiern werden im IZH laut dem Verfassungsschutz diverse Lehrveranstaltungen angeboten, etwa islamischer Religionsunterricht für Kinder und Unterricht in den Sprachen Arabisch, Farsi und Deutsch.
Im November 2022 hatte der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, "ob und wie das Islamische Zentrum Hamburg als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann".
Grundsätzlich werden Vereine auf Grundlage von Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Vereinsgesetz (VereinsG) dann verboten, wenn ihre Zwecke oder ihre Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen, sie sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Auf das IZH treffen nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums (BMI) alle drei Gründe zu. Das BMI betont insoweit, Verbote würden "allein aufgrund einer fachlichen Gefahreneinschätzung" ausgesprochen.
Faeser äußerte, die Ideologie des IZH richte sich "gegen die Menschenwürde, gegen Frauenrechte, gegen eine unabhängige Justiz und gegen unseren demokratischen Staat", außerdem unterstütze das IZH die Terrororganisation Hizbollah. Ihr sei es indes "sehr wichtig", so Faeser, zwischen Islamisten und "den vielen Musliminnen und Muslimen, die zu unserem Land gehören und ihren Glauben leben", zu unterscheiden.
Warum kam die Entscheidung jetzt?
Bei einem Verein, der sich der Religionsausübung verschrieben hat, ist es nicht ganz einfach, diese von extremistischen Aktivitäten zu trennen. Moscheevereine werden relativ selten verboten. Ein Beispiel ist die Berliner Fussilet Moschee, die 2017 geschlossen wurde. Sie galt als Treffpunkt sunnitischer Extremisten. Der spätere Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri verkehrte hier.
Am 16. November 2023 wurden die Imam-Ali-Moschee in Hamburg, auch bekannt als Blaue Moschee, sowie fünf weitere Vereinigungen durchsucht, LTO berichtete. Dabei wurde Material beschlagnahmt, das laut BMI genügend Belege lieferte, um das IZH-Verbot zu begründen.
Die Rufe nach einem Verbot waren spätestens nach der brutalen Niederschlagung der Massenproteste im Iran 2022 lauter geworden. Der Zeitpunkt könnte auch mit der Eskalation des Nahost-Konflikts zusammenhängen, in dem sich die iranische Führung verbal und auch durch die Lieferung von Waffen an Verbündete gegen Israel positioniert. Der Verfassungsschutz schrieb in seinem Bericht für 2023: "Innerhalb schiitisch-extremistischer Kreise ist häufig eine deutliche antisemitische und antiisraelische Grundeinstellung feststellbar, die auch in verschiedenen Medienkanälen propagiert wird."
Weshalb Faeser so lange für das Verbot gebraucht habe, sei ihm unerklärlich, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm. Schließlich sei seit Langem bekannt, "dass das IZH der verlängerte Arm des islamistischen Regimes in Deutschland ist".
Wer sind die wichtigsten Vertreter des Vereins?
Seit August 2018 ist Mohammad Hadi Mofatteh Leiter des IZH. Laut dem Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gilt er als Vertreter des iranischen Obersten Führers in Europa. Im jüngsten Hamburger Verfassungsschutzbericht heißt es über ihn: "Mofatteh ist ein versiert geschulter Vertreter des gegenwärtigen Regimes in Teheran. Seine Familie ist fest in die staatlich-religiöse Elite des Iran eingebunden." Er sei dem Obersten Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, berichtspflichtig und weisungsgebunden. Bei früheren Durchsuchungen wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen Dokumente gefunden, die diese enge Verbindung deutlich belegen. Gegen mehrere Passagen im Hamburger Verfassungsschutzbericht von 2019 hatte das IZH im Wesentlichen erfolglos geklagt.
Ende 2022 war der stellvertretende Leiter des IZH, Seyed Mousavifar, wegen Verbindungen zur libanesischen Hisbollah-Miliz aus Deutschland ausgewiesen worden. Zuvor war er mit einer Beschwerde gegen die Ausweisung vor dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz gescheitert. Die proiranische Terrororganisation ist seit 2020 in Deutschland verboten.
Was geschieht jetzt mit dem beschlagnahmten Vereinsvermögen?
Das Vereinsvermögen geht, wenn das Verbot rechtskräftig wird, in den Besitz des Bundes über. Die Frage, was der deutsche Staat mit einem repräsentativen islamischen Sakralbau wie der Blauen Moschee anfangen soll, ist allerdings nicht ganz einfach zu beantworten.
In der Hamburgischen Bürgerschaft, die fraktionsübergreifend die Schließung des IZH gefordert hatte, wurde bereits der Ruf laut, die Moschee als Gebetsort für schiitische Muslime zu erhalten. Allerdings müsse der Einfluss Teherans auf die Einrichtung ausgeschlossen werden.
Wie viele Anhänger hat das IZH in Deutschland?
Der Verfassungsschutz hat hierzu bisher keine gesicherten Angaben gemacht. Denn nicht jeder, der an einer Veranstaltung teilnimmt oder in der Blauen Moschee betet, kann deshalb gleich der Vereinigung zugerechnet werden. Zudem sind viele Menschen iranischer Herkunft, die in Deutschland leben, entschiedene Gegner islamistischer Ideologie.
Nach einer Hochrechnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lebten 2020 zwischen 5,3 und 5,6 Millionen muslimische Religionsangehörige mit Migrationshintergrund in Deutschland. Die Sunniten sind unter ihnen, wie auch unter den Muslimen weltweit, die größte Gruppe.
Die beiden großen Strömungen, Sunniten und Schiiten, entstanden aus dem Konflikt über die rechtmäßige Nachfolge von Mohammed, dem Propheten des Islams.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Moscheeverein muss Tätigkeit einstellen: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55064 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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