Die DFB-Sportgerichte verurteilen die Mitgliedsvereine wegen Zuschauerausschreitungen in ihren Stadien zu immer höheren Geldstrafen. Diese tragen bisher allerdings nur wenig dazu bei, Anzahl und Ausmaß der Krawalle einzudämmen.
Der Deutsche Fußballverband (DFB) verfolgt eine zusehends strengere Bußgeldpolitik, um Zwischenfällen in den Spielstätten der Vereine vorzubeugen. Seit 2012 steigt die Gesamtsumme der verhängten Verbandsstrafen von Saison zu Saison um einige Hunderttausend, während die Zahl der geahndeten Vergehen in etwa gleich bleibt. So entgingen in der vergangenen Spielzeit Dynamo Dresden rund 100.000 Euro Einnahmen durch einen einzigen Zuschauerausschluss, der 1. FC Köln musste wegen eines Platzsturms unter Einhaltung vieler Auflagen 200.000 Euro zahlen und selbst Zweitliga-Absteiger VfR Aalen hat zum Saisonende 20.000 Euro berappen müssen, weil Fans einmal Feuerzeuge geworfen und ein anderes Mal Pyrotechnik abgebrannt haben.
Diese Entwicklung entspricht dem 9-Punkte-Papier des DFB, das im Rahmen des Sicherheitsgipfels zur Fangewalt vor drei Jahren beschlossen wurde. Neben DFB und Vereinen mischte sich auch die Politik in Person des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich in die Debatte um mögliche Maßnahmen zur Zurückdrängung der Fangewalt ein. Ein grundsätzliches Problem konnte dabei allerdings nicht gelöst werden: Die Stadionbesucher eines Fußballspiels unterliegen nicht der Verbandsgerichtsbarkeit des DFB.
So einigte man sich darauf, der DFB-Sportgerichtsbarkeit eine "täterorientierte Sanktionierung" zugrunde zu legen. Primäres Ziel soll es sein, die Verantwortlichen zu ermitteln, um sie persönlich für ihre Vergehen belangen zu können. Das wiederum können nur die Vereine tun, mit denen der Zuschauer beim Kauf der Eintrittskarte einen Vertrag eingeht. Doch in dieser Richtung ist seit 2012 nicht viel passiert. Sind die beinahe drakonischen Summen von bis zu 200.000 Euro eine mehr oder weniger freundliche Erinnerung an die Vereine, endlich vermehrt Regressbemühungen anzustrengen? Möglich. Immerhin ist damit bald die Obergrenze für Verbandsstrafen erreicht, die gemäß § 44 Nr. 2c) der aktuellen DFB-Satzung bei 250.000 Euro liegt.
Fußballclubs in der Zwickmühle
Da der Verband keinen direkten Zugriff auf einzelne Stadionbesucher hat, spielt er den Vereinen den Ball zu. In § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB ist festgelegt: "Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten ihrer […] Mitglieder, Anhänger [und] Zuschauer" verantwortlich. Und weiter: Die Vereine "haften im Stadionbereich […] für Zwischenfälle jeglicher Art." Hiermit wird eine im deutschen Recht eher unübliche verschuldensunabhängige Haftung begründet. Diese setzt die Clubs unter Zugzwang, Randalen im Optimalfall von vornherein zu verhindern oder sich das Geld für gezahlte Verbandsstrafen vom Verantwortlichen zurückzuholen.
Der Ansatz der täterorientierten Sanktionierung setzt voraus, dass der Verantwortliche auch eindeutig identifiziert werden kann. In der Praxis gestaltet sich das in der Vielzahl der Fälle sehr schwierig. Es ist nicht einfach herauszufinden, wer in einer Menschentraube Bengalos abbrennt oder sich hinter einem beleidigenden Plakat verbirgt. Selbst in einem bestimmten Block einer Tribüne stehen immer noch mehrere Hundert Zuschauer. Und drastischere Maßnahmen wie die des 1. FC Köln, Bilder potentieller Randalierer auf der Vereinshomepage zwecks Identifizierung zu veröffentlichen, stehen auf einem juristisch wackeligen Fundament.
Für die Fußballclubs stellt sich außerdem noch eine ganz andere Frage, bevor sie gerichtlich gegen die eigenen Fans vorgehen. Rechtsanwalt und Sportrechtler Johannes Arnhold erläutert: "Selbst für den Fall, dass der Verursacher zweifelsfrei ausgemacht werden kann, wird sich ein Club immer noch gründlich überlegen, ob er gegen die eigene Anhängerschaft vorgehen will. Der Fußballsport hat viel mit Tradition zu tun und lebt von der Stimmung, die häufig aus den Rängen derer hervorgeht, die für Krawalle verantwortlich sind."
So boykottierte eine der maßgeblichen Ultragruppierungen von Hannover 96 die Erstligaspiele der Saison 2014/15, was nicht nur die Stimmung, sondern nach Einschätzung zahlreicher Analysten auch die sportliche Leistung negativ beeinflusste. Deshalb beißen zumindest viele der großen Vereine, die Millionen für neue Spieler ausgeben, in den sauren Apfel und zahlen die DFB-Strafen, ohne sich das Geld – zumindest teilweise – bei den Verantwortlichen wiederzuholen. "Grundsätzlich tut jede Geldstrafe weh, auch wenn sie verhältnismäßig klein erscheinen mag", so Arnhold. Es zeichne sich aber eine Tendenz in der Rechtsprechung ab, Regressansprüche der Vereine gegen randalierende Anhänger zu bejahen.
Marcel Schneider, Geldstrafen gegen Fanrandale: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16048 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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