Die juristische Presseschau vom 21. - 23. November 2015: Vater­schafts­klage mit 65 / "Abschiebär" vor Gericht / Face­book-Sperre

23.11.2015

Justiz

BVerfG zu G-BA: Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einem Beschluss kritisch zur demokratischen Legitimation der Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Gesundheitswesen geäußert, berichtet die Samstags-FAZ (Andreas Mihm/Joachim Jahn). Die zugrundeliegende Klage wurde aus anderen Gründen abgelehnt, aber schon bei der nächsten könnte das Gericht "konkrete Anforderungen für Verfahren und Zusammensetzung des Bundesausschusses aufstellen", schreibt taz.de (Christian Rath).

BAG zu Probezeit: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die gesetzlich vorgesehene Probezeit bei Ausbildungsverhältnissen auch dann besteht, wenn der Auszubildende vorher bereits in dem Betrieb tätig war, melden lawblog.de (Udo Vetter) und lto.de.

BFH zu Kindergeld: Auch ein Masterstudium zählt noch zur Erstausbildung während der Kindergeld grundsätzlich weiter gezahlt wird, entschied der Bundesfinanzhof im September. Das berichtet die Montags-SZ (Berrit Gräber) in einem Artikel, der sich daran anschließend insgesamt mit Voraussetzungen und Grenzen des Anspruchs auf Kindergeld befasst.

BGH zu "Püppi"-Kostüm: Mit dem Rechtsstreit zwischen Penny und den Inhabern der Rechte an Pippi Langstrumpf beschäftigt sich nun auch Rechtsanwalt Georg Lecheler auf lto.de. Die nunmehr endgültige Entscheidung des Bundesgerichtshofs könne sich als problematisch für potentielle Rechteinhaber darstellen, die sich die Schaffung von Marken- und Designschutz nicht leisten können.

BGH zu Zustellung von Anwalt zu Anwalt: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus Oktober, nach der Anwälte nicht zur Mitwirkung an der Zustellung von Anwalt zu Anwalt verpflichtet sind, ist nun im Volltext veröffentlicht. Benedikt Meyer (zpoblog.de) kritisiert in seiner Besprechung die Argumentation des BGH, pflichtet aber dem Ergebnis bei und hofft auf ein Eingreifen des Gesetzgebers, um die Zustellung von Anwalt zu Anwalt wieder funktionstüchtig zu machen.

OVG Berlin zu Lobbyisten-Listen: Das vom Tagesspiegel gegen die Bundestagsverwaltung geführte Eilverfahren ist nun auch in zweiter Instanz vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugunsten der Informationsfreiheit der Journalisten entschieden worden. Der Bundestag muss die noch nicht veröffentlichten Lobbyisten-Listen herausgeben, berichten der Tsp (Jost Müller-Neuhof) und lto.de. Ein zur gleichen Frage von abgeordnetenwatch.de geführtes und in erster Instanz gewonnenes Hauptsacheverfahren läuft derzeit in der Berufungsinstanz, ebenfalls vor dem OVG Berlin-Brandenburg.

SG Mainz zu Hartz IV für EU-Ausländer: Der Europäische Gerichtshof hielt es für unionsrechtskonform, aber das Sozialgericht Mainz ging in einer Eilentscheidung von der Verfassungswidrigkeit des unter bestimmten Bedingungen geltenden Ausschlusses von Hartz IV-Leistungen für EU-Ausländer aus, berichtet die Montags-SZ (Wolfgang Janisch). Es legte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum für Asylbewerber zugrunde, denn für EU-Bürger könne nichts anderes gelten. Ob es dem Bundesverfassungsgericht vorlegen werde, werde sich im Hauptverfahren zeigen.

VG Köln zu "Videografieren": Als Videografieren bezeichnete die Polizei ihre Maßnahme, nach einem Fußballspiel die Fans mit hochgehaltenem Personalausweis an einer Kamera vorbeigehen zu lassen. Das Verwaltungsgericht Köln sah darin eine Erkennungsdienstliche Maßnahme, die rechtswidrig war, weil die Befürchtung von Ausschreitungen nach dem Spiel nicht den erforderlichen begründeten Verdacht der Begehung einer Straftat durch die abgebildete Person darstellte, meldet lawblog.de (Udo Vetter).

VG Halle zu UBA-Broschüre: Die Autoren, die im Streit um Darstellungen in einer Broschüre des Umweltbundesamtes, die sie als diskreditierend ansehen, vor dem Verwaltungsgericht Halle unterlagen, gehen nun in die Berufung, meldet der Focus.

LG Köln zu Krockow: Der Ex-Chef des Bank Sal. Oppenheim, Graf von Krockow, ist vor dem Landgericht Köln im Verfahren um die Rückzahlung eines ihm vom Bankhaus gewährten Kredites unterlegen. Ficht er das Urteil nicht an – was angesichts eines zu leistenden Gerichtskostenvorschusses von 400.000 Euro unwahrscheinlich erscheint – muss er den Kredit doch zurückzahlen, berichtet das HBl (Volker Votsmeier).

LG Hannover – Rädelsführer "BH": Seit Freitag müssen sich die Rädelsführer der inzwischen verbotenen Gruppe "Besseres Hannover" vor dem Landgericht Hannover wegen Volksverhetzung verantworten, schreiben bild.de (Axel Sturm/Karl Keim) und Samstags-taz (Andreas Speit). Die Angeklagten sollen für die "Abschiebär"-Filme und eine Mail an Sozialministerin Aygül Ozkan (CDU) verantwortlich sein, die eine "neue Waffe" gegen Ausländer ankündigte.

LG Stuttgart – Werbeblocker: Im Eilverfahren einer Springer-Tochter gegen die Betreiber des Werbeblockers "Blockr" ließ das Landgericht Stuttgart erkennen, dass es Werbeblocker nicht als wettbewerbswidrig ansehe, meldet lto.de.

LG Meiningen – Juwi AG: Das HBl (Andreas Dörnfelder/Franz Hubik) berichtet ausführlich von den Korruptionsvorwürfen gegen den Ex-Vorstand des Wind- und Solaranlagenbauers Juwi AG. Das Landgericht Meiningen, die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte verhandelten derzeit über eine Einstellung gegen Geldauflage, die Letzterem aber mit zwei Millionen derzeit noch zu hoch sei.

GBA – Ermittlungen nach Paris und Hannover: Die Samstags-FAZ (Reinhard Bingener/Reiner Burger) meldet vier Ermittlungsverfahren beim Generalbundesanwalt. Eines wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion im Zusammenhang mit dem abgesagten Länderspiel in Hannover – ob es einen Verdächtigen gebe oder gegen Unbekannt ermittelt werde sei nicht bekannt. Zwei Verfahren wegen Nichtanzeige einer geplanten Straftat, gegen Personen die mutmaßlich vor den Pariser Anschlägen von diesen gesprochen haben. Ein Verfahren wegen Mordes, wegen der Anschläge selbst, die auch zwei deutsche Opfer forderten. Zu einem der Verfahren wegen Nichtanzeige schreibt auch spiegel.de (Jörg Diehl).

GBA – D.A.S. K.O.M.I.T.E.E.: Der Generalbundesanwalt verfolgt weiterhin Mitglieder der Gruppe D.A.S. K.O.M.I.T.E.E., die 1994 den Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde verübt und 1995 die Sprengung des im Bau befindlichen Abschiebegefängnisses in Berlin versucht haben soll. Jedenfalls die Verabredung zur Sprengung sei noch nicht verjährt, was Sympathisanten und Anwälte bestreiten. Das meldet die Montags-taz (Wolf-Dieter Vogel).

GenStA Berlin – Messerstecherei am Görli: Nachdem zwei Guineer durch den Messerangriff des Wirtes einer Shisha-Bar am Görlitzer Park in Berlin schwer verletzt wurden, hatte die Staatsanwaltschaft Berlin das Verfahren gegen den Wirt eingestellt, weil dieser sich gegen die ihn angreifenden Männer verteidigt haben soll. Auf eine Beschwerde der Anwältinnen der Guineer, schätzt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Situation wohl anders ein und könnte die Wiedereröffnung des Ermittlungsverfahrens anordnen, berichtet die Samstags-taz (Antje Lang-Lendorf).

StA Berlin – Bundesdruckerei: Laut Spiegel (Jürgen Dahlkamp/Jörg Schmitt – spiegel.de-Vorabmeldung) ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin erneut gegen den Ex-Auslandschef der Bundesdruckerei, diesmal wegen Prozessbetrugs. Diesen soll er in einem Zivilverfahren und einem Presserechtsverfahren begangen haben, indem er Korruptionsvorwürfe gegenüber der Bundesdruckerei bei Geschäften mit Venezuela abstritt. Auch die Korruptionsvorwürfe seien daher noch einmal zu prüfen.

Justiz gegen Justiz: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) beschäftigt sich mit dem Vorgehen der Justiz gegen ihre eigenen Mitglieder. Dieses sei dem Vorwurf ausgesetzt, dass die Justiz "eben nicht mit verbundenen  Augen über jedermann in gleicher Weise richtet, sondern bei ihresgleichen einen besonderen Maßstab anlegt." Besonders stark zeige sich das bei der Auslegung der Rechtsbeugung.

"Schwitzen statt sitzen": Nordrhein-Westfalen gibt an, mit dem Programm "Schwitzen statt sitzen" des Justizministeriums im vergangenen Jahr über sechs Millionen Euro eingespart zu haben. Nach dem Programm wird der Ersatz für nicht gezahlte Geldstrafen nicht mehr in Hafttagen sondern durch gemeinnützige Arbeit abgegolten. Der Staat spare so über 120 Euro pro potentiellem Häftling und Hafttag, die der Gefängnisaufenthalt kosten würde, meldet der Spiegel (Barbara Schmid).

Sprachanalyse: Bei Stimmvergleichen verließen sich Experten bisher vornehmlich auf ihr Gehör, die Zuverlässigkeit existierender Software wird stark bezweifelt. Gerichte müssen bei beiden Methoden immer wieder auch "über die Wissenschaft hinter einem Gutachten urteilen", schreibt der Spiegel (Michele Cantazaro u.a.). Mit EU-Geldern werde derzeit im Speakers Identification Integrated Project (SIIP) eine neue Software entwickelt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. - 23. November 2015: Vaterschaftsklage mit 65 / "Abschiebär" vor Gericht / Facebook-Sperre . In: Legal Tribune Online, 23.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17617/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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