Die juristische Presseschau vom 5. - 7. Dezember 2015: StA gegen Phar­ma­kon­zern / neue Par­tei­en­fi­nan­zie­rung / Russ­land gegen EGMR

07.12.2015

Die StA Mainz ermittelt gegen Boehringer Ingelheim. Außerdem in der Presseschau: Änderung der Parteienfinanzierung noch in diesem Jahr, Nationalhymne im Grundgesetz und EGMR-Urteile unter Vorbehalt.

Thema des Tages

StA Mainz – Medikamentenzulassung: Verantwortlichen des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim wird vorgeworfen, die Europäische Zulassungsbehörde für Medikamente (EMA) sowie Ärzte und Patienten hinsichtlich des Gerinnungshemmers Pradaxa getäuscht zu haben. Deshalb ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Mainz, berichtet das HBl (Jan Keuchel - Onlineversion). Bereits 2011 soll es innerhalb des Unternehmens Erkenntnisse über mögliche gefährliche Fehldosierungen gegeben haben, die eine regelmäßige ärztliche Kontrolle erforderlich machen würden. Die Erkenntnisse aus der Studie eines Wissenschaftlers des Unternehmens sollen der EMA im Zulassungsverfahren nicht weitergereicht worden sein. Außerdem werde Pradaxa gerade mit der Unabhängigkeit von ärztlicher Kontrolle beworben. Eine Person soll bereits verstorben sein.

Rechtspolitik

Parteienfinanzierung: Wie die Samstags-FAZ (Eckart Lohse) berichtet, soll die Parteienfinanzierung im Parteiengesetz noch in diesem Jahr neu geregelt werden. Reiner Umsatz aus wirtschaftlicher Tätigkeit werde danach nicht mehr als Grundlage für staatliche Zuschüsse ausreichen. Damit sollen dubiose Geschäftspraktiken wie der Goldhandel der AFD unterbunden werden.

Verbrauchermusterklage: Die FAZ (Joachim Jahn) stellt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vor, in dem die rechtlichen Möglichkeiten für VW-Käufer und dem deutschen Staat in Hinblick auf die Abgas-Affäre untersucht werden. Für Verbraucher sei es schwierig, gegen einen Konzern wie VW vorzugehen, habe die SPD betont. Notwendig sei daher eine Musterklage für Verbraucher, wie es sie für Kapitalanleger gebe.

Nationalhymne: Auf einen Antrag der Jungen Union, den die CDU aller Voraussicht nach annehmen wird, soll die Nationalhymne neben der Bundesflagge als Staatssymbol in Artikel 22 Grundgesetz festgeschrieben werden. Darüber und über die Geschichte der Nationalhymne ohne Verfassungsrang schreibt die Montags-SZ (Robert Roßmann).

Katholisches Arbeitsrecht: Bundesjustizminister Heiko Maas hat laut Montags-taz weitere Reformen des Arbeitsrechts der katholischen Kirche gefordert, die auch die Praxis der Kündigungen von Wiederverheirateten und Homosexuellen in den Blick nehmen sollen.

Leiharbeit/Werkverträge: Der Focus (Tatjana Heid) erläutert die Pläne der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zur Regelung von Leiharbeit und Werkverträgen. Die Leiharbeit soll künftig auf 18 Monate begrenzt werden. Außerdem sollen acht Kriterien zur Abgrenzung von Werkverträgen und Arbeitsverhältnissen gesetzlich festgelegt werden.

Frontex: Nach einem Bericht der FAS (Thomas Gutschker) will die Europäischen Kommission bis zum 15. Dezember einen Entwurf zur Stärkung des europäischen Grenzschutzes erarbeiten. Die Agentur Frontex solle mit weitergehenden Befugnissen ausgestattet werden und auch dann eingreifen dürfen, wenn der betroffene Mitgliedsstaat den Einsatz nicht angefordert habe. Deutschland und Frankreich forderten zudem, dass Mitgliedsstaaten Kontingente für den Grenzschutz ausweisen müssen und Frontex Zugriff auf alle nationalen und europäischen Datenbanken bekommt.

Militäreinsatz in Syrien: Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) geht der Frage nach, ob sich die Bundesregierung beim Syrien-Einsatz auf das kollektive Selbstverteidigungsrecht, die Beistandsverpflichtung und UN-Resolutionen berufen könne und welche Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den Einsatz bestehen. Die größte Aussicht auf Erfolg hätte danach eine individuelle Verfassungsbeschwerde eines Soldaten. Auch der Tsp (Jost Müller-Neuhof) hält eine Normenkontrollklage oder ein Organstreitverfahren für wenig aussichtsreich.

Muslimische Religionsgemeinschaften: Die Montags-FAZ (Reiner Burger) befasst sich mit der Frage nach der Anerkennung muslimischer Verbände als Religionsgemeinschaften. In Nordrhein-Westfalen werde geprüft, ob die Verbände dort anerkannt werden können. Volker Beck und Cem Özdemir (beide Grüne) argumentieren in einem Thesenpapier dagegen, auch weil die Vereine nicht von einem Bekenntnis geprägt seien.

Cannabis: Die FAS (Corinna Budras) nimmt die geplante Cannabis-Legalisierung in Kanada zum Anlass, die deutsche Rechtslage zu reflektieren. Die Kriminalisierung werde seit langem in Expertenkreisen und auch unter Politikern kritisiert, jedoch finde sich derzeit keine Mehrheit für eine Reform.

Safe-Harbor-Abkommen: Die Montags-FAZ (hkm) sprach mit der EU-Justizkommissarin Věra Jourová über die Pläne für ein neues Safe-Harbor-Abkommen. Beim staatlichen Zugriff auf die Daten in den USA müsse das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt und eine richterliche Kontrolle gewährleistet sein, außerdem solle das Abkommen eine "Aussetzungsklausel" enthalten. Auf amerikanischer Seite seien Hürden gegen Massenüberwachung durch Geheimdienste erforderlich, die auch für Europäer gelten, sowie eine bessere Zusammenarbeit der Datenschutzbehörden beider Parteien.

Bund-Länder-Finanzausgleich: Die Ministerpräsidenten der Länder haben einen Vorschlag zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern vorgelegt. Der bisherige Finanzausgleich läuft 2019 aus. Wie unter anderem die Samstags-FAZ (Manfred Schäfers) und die Samstags-taz (Hannes Koch) schildern, fordern die Länder vor allem eine größere Beteiligung des Bundes. Der bisherige Umsatzsteuervorausgleich solle gänzlich entfallen. Die Samstags-FAZ (Jasper von Altenbockum) erklärt in einem separaten Beitrag den Mechanismus des Umsatzsteuervorausgleichs. Im Politik-Teil stellt die Samstags-FAZ in mehreren Einzelbeiträgen die Reaktionen in den einzelnen Bundesländern zusammen.

Fluggastdaten: Über die Einigung der Innenminister der EU-Länder zur Fluggastdaten-Speicherung berichtet nun auch spiegel.de (Markus Becker) und die Samstags-SZ (Thomas Kirchner). Passagierdaten (PNR) wie Name und Kreditkartennummer sollen künftig für sechs Monate gespeichert werden können. Nach der Zustimmung des EU-Parlaments könnte die PNR-Richtlinie Anfang des Jahres verabschiedet werden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. - 7. Dezember 2015: StA gegen Pharmakonzern / neue Parteienfinanzierung / Russland gegen EGMR . In: Legal Tribune Online, 07.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17766/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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