Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. Oktober 2014: Dieter Nuhr angezeigt – Thomas Fischer widerlegt – Muhammet ohne Herz

27.10.2014

Selten hat eine bloße Strafanzeige solche Wellen geschlagen. Ein Muslim hat den Kabarettisten Dieter Nuhr wegen Islam-Beschimpfung angezeigt. Außerdem in der Presseschau: Tatjana Hörnle widerspricht Thomas Fischer beim Sexualstrafrecht, LG Gießen verweigert hirngeschädigtem Kind ein Spenderherz, Analysen zum italienischen Urteil gegen Staatenimmunität, was kinox-to-Nutzer zu befürchten haben - und warum auf den neuen Geldscheinen keine Fingerabdrücke zu sehen sind.

Thema des Tages

Muslim zeigt Kabarettist an: Der Osnabrücker Muslim Erhat Toka hat den Kabarettisten Dieter Nuhr wegen Beschimpfung religiöser Bekenntnisse angezeigt. Nuhr betreibe unter dem Deckmantel der Satire eine "blöde, dumme Hetze" gegen Muslime. Der Vorgang wird unter anderem von faz.net (Michael Hanfeld) und focus.de beschrieben.

Heribert Prantl (Montags-SZ) greift die Strafanzeige im Leitartikel auf und erklärt: "Natürlich darf der Kabarettist spotten". Prantl kritisiert aber auch die derzeitige Fassung von § 166 des Strafgesetzbuches, wonach die Beschimpfung religiöser Bekenntnisse nur strafbar ist, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies sei geradezu eine "Aufforderung zum Faustrecht". Prantl schlägt vor, § 166 ganz zu streichen. Bis zur Grenze der Volksverhetzung müsse Religionskritik erlaubt sein.

Rechtspolitik

Vergewaltigung: Die Rechtsprofessorin Tatjana Hörnle verteidigt auf verfassungsblog.de die völkerrechtlich erforderliche Verschärfung von § 177 des Strafgesetzbuches,  wonach jeder Geschlechtsverkehr ohne Einverständnis der anderen Person strafbar sein soll, gegen die "polemische" Kritik des BGH-Richters Thomas Fischer. Natürlich gebe es derzeit Schutzlücken, erklärt Hörnle. Das Strafrecht müsse außerdem auch Menschen schützen, die aus Überforderung auf Übergriffe nicht optimal reagieren. Zwar müsse nicht jeder sexuelle Übergriff als Verbrechen bestraft werden, das Strafgesetzbuch erfasse jedoch manche Delikte (wie etwa die Beleidigung), die weniger schwerwiegend seien als eine Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung. Probleme mit dem Bestimmtheitsgebot gebe es auch bei vielen anderen Delikten.

Anti-Terror-Politik: Nachdem in Kanada zwei Islamisten Anschläge begangen haben, deren Reise nach Syrien verhindert worden war, fragt die FAS (Markus Wehner) "Ist es richtig, gewaltbereite Extremisten an der Ausreise zu hindern?", lässt die Antwort aber offen.

Der Spiegel (Melanie Amann/Dietmar Hipp/Jörg Schindler) präsentiert einen neuen Vorschlag des Rechtswissenschaftlers Nikolaos Gazeas. Statt wie geplant den Versuch der Ausreise als Vorbereitung einer schweren Gewalttat zu bestrafen, genüge es, den Verstoß gegen ein passrechtliches Ausreiseverbot zu ahnden. Vorteil: so müsse keine terroristische Intention nachgewiesen werden. Gerhard Baum (FDP) kritisiert die ebenfalls geplante Ausstellung von Ersatzausweisen für kampfwillige Salafisten als stigmatisierend. Er habe als Innenminister einst erfolgreich darauf gedrängt, ein ähnliches Gesetz abzuschaffen.

Tarifeinheit: In dieser Woche will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ihren Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Tarifeinheit vorstellen. Wenn sich die konkurrierenden Gewerkschaften nicht einigen können, gelte im Betrieb der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die die meisten Mitglieder habe. Im Zweifel müsse dies ein Arbeitsgericht feststellen. Noch sei aber nicht definiert, was eigentlich ein "Betrieb" sei, berichten übereinstimmend der Focus (focus.de-Zusammenfassung) und der Spiegel (Markus Dettmer/Cornelia Schmergal).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. Oktober 2014: Dieter Nuhr angezeigt – Thomas Fischer widerlegt – Muhammet ohne Herz . In: Legal Tribune Online, 27.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13602/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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