Die juristische Presseschau vom 4. März 2020: Asyl­recht in Grie­chen­land / DAV zu Ver­brau­cher­ver­trägen / Dietmar Hopp und das Sport­recht

04.03.2020

Die Ankündigung Griechenlands, das Asylrecht auszusetzen, stößt auf Kritik. Der DAV kritisiert das geplante Gesetz zu fairen Verbraucherverträgen. Der DFB stellt sich im Fall Hopp Fragen nach den Maßstäben des Sportgerichts.
 

Thema des Tages

Asylrecht in Griechenland: FAZ-Einspruch (Constantin van Lijnden) sprach mit Rechtsprofessor Daniel Thym über die asylrechtliche Lage in Griechenland. "Soweit die griechische Regierung generell keine Asylanträge mehr zulassen wollte, könnte sie sich eventuell auf eine Notstandsklausel in den europäischen Verträgen berufen, weil sie meint, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei". Daniel Thym beantwortet auch Fragen auf zeit.de (Katharina Schuler). Marion Sendker (lto.de) kritisiert die griechische Praxis der Push-Backs von Flüchtlingen in die Türkei. Diese seien nicht mit dem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Pushbacks an der Grenze der spanischen Exklave Melilla begründbar. Der EGMR habe sein Urteil unter anderem darauf gestützt, dass es noch legale Zugänge in das Einreiseland gab – Griechenland sei indes seit Tagen abgeriegelt. Die Aussetzung des Asylrechts sei zudem unionsrechtswidrig, weil ihr laut Art. 78 Abs. 3 AEUV ein geregeltes Verfahren vorausgehen müsse. 

Die Welt (Kaja Klapsa) interviewt den Vordenker und Architekten des EU-Türkei-Deals Gerald Knaus. Über die bisherige Umsetzung des Deals berichtet die SZ (Thomas Kirchner).  

Rechtspolitik

Verbraucherverträge: community.beck.de (Sylvia Kaufhold) berichtet über die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zum Referentenentwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge. Der DAV hält die Einführung eines gesetzlichen Verbotes des Abtretungsausschlusses in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht für zwingend erforderlich, die bisherige Rechtsprechung sei sachgerecht. Die Verkürzung der maximal erlaubten Laufzeiten von Dauerschuldverhältnissen könne zu Preiserhöhungen führen und sei daher nicht unbedingt verbraucherfreundlich.

Justiz

BVerfG zu Kopftuchverbot: Die Rechtsprofessoren Frauke Brosius-Gersdorf und Hubertus Gersdorf kritisieren auf verfassungsblog.de die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen in Hessen. Das Neutralitätsgebot sei ein Identifizierungsverbot, das hier aber nicht verletzt sei, weil das Rechtssubjekt Staat sich im Falle der kopftuchtragenden Rechtsreferendarinnen gerade nicht mit ihrem Handeln in Ausübung ihrer Religionsfreiheit identifiziere. 

BVerfG zu Suizidhilfe: Der SWR-RadioReport Recht (Gigi Deppe/Claudia Kornmeier/Michael Nordhardt) stellt nun auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von § 217 Strafgesetzbuch dar.

BVerfG – Impfpflicht: Nun berichtet auch die taz (Christian Rath) über die Verfassungsbeschwerden gegen die Masern-Impfpflicht. Die Kläger argumentierten, dass die Impfpflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Kinder und in das Elternrecht darstelle.

Die taz (Ralf Pauli) setzt sich darüber hinaus mit der Kritik vieler LehrerInnen an der Umsetzung der Impfpflicht auseinander – unter anderem sei viel zu spät informiert worden, so die Kritiker. deutschlandfunk.de (Lukas Kohlenhbach) fasst die Regelungen des neuen Gesetzes zusammen und erklärt, welche Folgen Impf-Verweigerer bei Missachtung der statuierten Pflichten drohen.

OVG Hamburg zur Vollverschleierung einer Schülerin: In einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch weist der emeritierte Rechtsprofessor Bodo Pieroth auf die begrenzte Tragweite der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg hin. Das Gericht habe befunden, dass der Eingriff in die Religionsfreiheit der Schülerin nicht gerechtfertigt gewesen sei, weil es an einem hinreichend bestimmten Parlamentsgesetz gefehlt habe. 

BayObLG zum Teilen von Presseartikel auf Facebook: Das Bayerische Oberste Landesgericht hat ein Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom September 2019 wegen Verletzung der Meinungsfreiheit aufgehoben. Das Amtsgericht hatte einen tschetschenischen Flüchtling zu einer Geldstrafe wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz verurteilt, nachdem dieser einen Artikel der Deutschen Welle gepostet hatte, auf dem das (verbotene) IS-Signet zu sehen war. netzpolitik.org (Anna Biselli) berichtet.

LG Berlin – Schwere Bestechlichkeit eines JVA-Beamten: Ein Beamter der Jugendstrafanstalt Berlin soll Insassen gegen Geld mit Handys, Cannabis und verschreibungspflichtigen Betäubungsmitteln versorgt haben. spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet von dem Prozess, der nun vor dem Landgericht Berlin begonnen hat.

StA Flensburg – "Aryan Circle Germany": Am vergangenen Dienstag hat das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein Wohnungen von zwölf Beschuldigten durchsucht. Laut spiegel.de (Alwin Schröder) stehen diese im Verdacht, im Juli 2019 eine kriminelle Vereinigung – den rechtsextremen "Aryan Circle Germany" – gegründet zu haben. Die taz (Andreas Speit) berichtet über frühere Straftaten des Gruppengründers Bernd Tödter.

EuGH zum Europäischen Haftbefehl: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass es bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Europäischen Haftbefehls auf die nationale Rechtslage im Zeitpunkt der Tat und nicht der Ausstellung des Haftbefehls ankommt, berichtet lto.de. Der in Spanien wegen Verherrlichung von Terror verurteilte Rapper Valtònyc darf nun hoffen, dass er von Belgien nicht nach Spanien ausgeliefert wird.  

EuGH zu Strafzahlungsforderungen Ungarns gegen Google: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gab dem US-Konzern Google Recht, der sich gegen eine ungarische Millionenstrafe wegen einer fehlenden Anmeldung von Werbeeinnahmen gewehrt hatte. Die Strafen seien für ausländische Unternehmen weit höher als für inländische Unternehmen, zugleich seien die Fristen für die Einhaltung der Vorschriften deutlich kürzer, stellte der EuGH fest und sah hierin einen Verstoß gegen EU-Recht. lto.de berichtet.

Recht in der Welt

USA – Harvey Weinstein: Drei der Geschworenen, die Ende Februar den ehemaligen Medienmogul Harvey Weinstein der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung für schuldig befunden hatten, äußern sich in der New York Times ausführlich über die Einzelheiten der Entscheidungsfindung. spiegel.de gibt den wesentlichen Inhalt ihrer Ausführungen wieder.  

USA – iPhone: Das US-Unternehmen Apple bietet den klagenden Verbrauchern zur Beendigung des Rechtsstreits um die künstlich gedrosselte Prozessorleistung älterer iPhone-Modelle 500 Millionen Dollar an, so die FAZ (Niklas Zimmermann)

Sonstiges

Coronavirus – Wirtschaftskanzleien: lto.de (Anja Hall) hat einige der größten deutschen Rechtsanwaltskanzleien nach ihrem Umgang mit dem Coronavirus befragt. Diese berichten von abgesagten Dienstreisen nach China, Standortschließungen bei Auslandsbüros, Rundmails und Telefonkonferenzen. 

Coronavirus – Arbeitsrecht: Die SZ (Sybille Haas) beantwortet in Zusammenarbeit mit verschiedenen Anwälten die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Rechten und Pflichten am Arbeitsplatz. 

Coronavirus – Ausfall von Großveranstaltungen: Die Frage, wer entscheidet, wann geplante Großveranstaltungen wegen des Coronavirus abgesagt werden dürfen und wer aus rechtlicher Sicht das finanzielle Risiko eines solchen Ausfalls trägt, behandelt tagesschau.de (Christoph Kehlbach/Alexander Fritzsche). Versicherungsrechtliche Hintergründe eines solchen Vorfalls erläutert die SZ (Herbert Fromme u.a.).  

Coronavirus – Desinfektionsmittel-Diebstahl: spiegel.de (Benjamin Bidder) liegen Informationen vor, wonach es in den vergangenen Tagen in zahlreichen deutschen Krankenhäusern vermehrt zu Diebstählen von Mundschutz und Desinfektionsmitteln in größeren Mengen gekommen ist. Zur Abschreckung planten die betroffenen Krankenhäuser Strafanzeigen zu stellen.

Coronavirus – Freiheit bei Gefährdungen Dritter: Der Philosophieprofessor Thomas Schramme schreibt in der taz über die Abwägung zwischen individuellen Rechten und Pflichten und gemeinschaftlichen Schutzaufgaben. 

Hate Aid: Die Berliner Firma "Hate Aid" hilft Betroffenen, mit Zivilklagen gegen Hasspostings in den sozialen Medien vorzugehen. Hate Aid übernimmt dabei die Prozesskosten für die Betroffnen, die sich wiederum verpflichten, eventuelle Schmerzensgeldzahlungen oder Schadensersatz an die Firma abzutreten. Gut 170 Verfahren führen die Anwälte der Organisation derzeit, so die SZ (Jan Heidtmann).  

Verfassungsschutz und AfD-"Flügel": Nach Informationen der SZ (Georg Mascolo u.a.) wird das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sehr bald den völkischen Flügel der AfD zum Beobachtungsobjekt erklären. Seit Januar 2019 stuft das BfV die Gruppierung sowie die Jugendorganisation der Partei bereits als Verdachtsfall ein.

Wolfgang Hoffmann-Riem: Die FAZ (Reinhard Müller) schildert anlässlich seines 80. Geburtstags kurz den Lebensweg des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Wolfgang Hoffmann-Riem.

Diskriminierung: Die Ausgrenzung wegen Herkunft und Hautfarbe nehme zu, meint der Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke, der die Anfragen von Betroffenenen entgegennimmt. Nach Zahlen des Familienministeriums haben sich die Fallzahlen innerhalb der letzten 10 Jahre mehr als verdoppelt. Über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt und die Möglichkeit eines Verbandsklagerechts berichtet deutschlandfunk.de (Gudula Geuther)

KI in der Medizin: In einem Gastbeitrag in der FAZ setzt sich der Rechtsanwalt Heinz-Uwe Dettling mit der Rechtslage rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Medizin auseinander. Ihre Regulierung sei ein wichtiger Meilenstein zur Implementierung dieser innovativen Technologie, so Dettling. 

Legal Tech bei Unternehmensjuristen: Die Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY Law zur Nutzung von Software und Legaltech-Anwendungen unter Chefsyndikussen hat ergeben, dass jeder zweite von ihnen den Anwendungen einen hohen Stellenwert beimisst. Die Studienautoren meinen allerdings, dass es bei der konkreten Nutzung noch Veränderungsbedarf gebe. Die FAZ (Marcus Jung) berichtet. 

Dietmar Hopp und das Sportrecht: lto.de (Hasso Suliak) führt ein Interview mit dem Deutsche Fußball-Bund (DFB)-Vizepräsidenten und Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht München, Rainer Koch. Sie sprechen über die vom DFB gegenüber den Fans von Borussia Dortmund ausgesprochenen Kollektivstrafen, über die Arbeit der Sportgerichte bei der Durchsetzung von Stadionordnungen und den Umgang der Vereine mit rassistischen oder diskriminierenden Vorfällen vor dem Hintergrund der Schmähungen gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp. Koch bekennt sich zu Kollektivstrafen als dem letzten Mittel zur Verhinderung von Beleidigungen. 

Verfolgung von Fluchthelfern: Helfer von Geflüchteten und Asylsuchenden würden in Europa zunehmend strafrechtlich verfolgt, beklagt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Sie seien häufig unbegründeten Strafverfahren, Verleumdungskampagnen und Einschüchterungen ausgesetzt. lto.de berichtet.  

Das Letzte zum Schluss

"Ab ins Gelände": Der Autovermieter Sixt hat, wie das Landgericht München I am Dienstag mitteilte, die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben, den Slogan "Ab ins Gelände" zukünftig nicht mehr zur Bewerbung seiner SUV zu verwenden. Die Werbung sei irreführend, da die Kunden mit den angepriesenen Wagen auf freiem Gelände und abseits der Verkehrswege gar nicht fahren dürften, so das Gericht laut Hbl. Ob die entsprechende Klausel in den AGB für einen Mietwagen, der einem Geländewagen nachgebildet ist, überraschend ist, darüber urteilte das LG München nicht. 

 

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lto/jb

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 4. März 2020: Asylrecht in Griechenland / DAV zu Verbraucherverträgen / Dietmar Hopp und das Sportrecht . In: Legal Tribune Online, 04.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40609/ (abgerufen am: 17.05.2024 )

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