Die juristische Presseschau vom 4. September 2014: Diskriminierende Parodie – Ex-Verfassungsrichter zur Überwachung – Uber-Beschluss analysiert

04.09.2014

Darf die Parodie eines Werkes auch rassistische Aussagen enthalten? Das geht zu weit, entschied der EuGH am Dienstag. Außerdem in der Presseschau: Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier hält Geheimdienstpraxis für grundgesetzwidrig, Anspruch und Realität im Sexualstrafrecht, Einschätzungen zu Uber und warum der Chef nicht gleich kündigen sollte, wenn ein Angestellter ihn einen Psychopathen schimpft.

Thema des Tages

EuGH zur Parodie mit diskriminierender Aussage: Dürfen Parodien verboten werden, die ein bestehendes Werk mit einer diskriminierenden Aussage versehen? Ja, wie der Europäische Gerichtshof EuGH) gestern entschied. Der Entscheidung des EuGH lag ein Fall aus Belgien zugrunde, in dem ein rechtspopulistischer Politiker das Cover eines Comics aus den 1960er Jahren mit rassistischen Stereotypen gespickt hatte. Die Erben des Zeichners zogen dagegen vor Gericht; ein belgisches Gericht rief den EuGH an. Sueddeutsche.de berichtet auf Grundlage einer Pressemitteilung des EuGH. Demnach definiert das Gericht zunächst den allgemeinen Rahmen einer Parodie gemäß der EU-Urheberrechtsrichtlinie: Parodien sind grundsätzlich zulässig, wenn sie "an ein bestehendes Werk erinnern" und als solche erkennbar sich vom Original "wahrnehmbar unterscheiden"; schließlich bringen sie "Humor oder Verspottung" zum Ausdruck. Die Grenze zieht der EuGH, sobald die Parodie eine diskriminierende Aussage vermittelt: Dann darf die Parodie vom Urheber untersagt werden.

Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) resümiert als Maßstab aus dem EuGH-Urteil "mein Recht als Urheber, nicht mit meiner schöpferischen Leistung für irgendwelche rassistischen Zwecke vergewaltigt zu werden". Er sieht die Meinungsfreiheit "eher gestärkt als geschwächt". telepolis.de (Markus Kompa) weist auf das für solche Fälle im deutschen Urheberrecht verankerte Entstellungsverbot hin.

Rechtspolitik

Papier im Interview zu Geheimdiensten: Die derzeitige Überwachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes ist vom Grundgesetz nicht gedeckt – so moniert es der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier im SZ-Interview (Georg Mascolo/Frederik Obermaier). Der BND dürfe nicht beliebig Ausländer abhören, das Grundgesetz schütze "jedermann, Inländer wie Ausländer, unabhängig davon, wo sie sich aufhalten". Ein entsprechendes 15 Jahre altes Urteil des BVerfG werde in der Praxis nicht umgesetzt. Papier fordert außerdem die Reform des G 10-Gesetzes und weist auf die Schutzpflicht des deutschen Staates vor ausländischen Geheimdiensten hin. Schließlich: Die Gefahr, dass dem Staat eine sicherheitsrelevante Information entgeht, müsse man eingehen,  die totale Datenerhebung sei "das Ende von Freiheitlichkeit und Rechtsstaatlichkeit".

Sexualstrafrecht und Istanbul-Konvention: Entspricht das deutsche Sexualstrafrecht der Istanbul-Konvention des Europarats, wie vom Justizministerium kürzlich behauptet? Eine analytische Fallstudie des Bundesverbands der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) kommt zum Ergebnis: Das Sexualstrafrecht weist Lücken auf und schützt die Selbstbestimmung von Frauen unvollständig. Die Badische Zeitung (Christian Rath) stellt Einzelheiten der Studie vor. Knackpunkt: Das deutsche Sexualstrafrecht berücksichtigt nicht das simple "Nein" einer Frau, also ihren geäußerten Willen.

Militärhilfe nicht am Parlament vorbei: In Sachen Militärhilfen Deutschlands hält es Heinrich Wefing (Die Zeit) für unentbehrlich, den Bundestag stets entscheiden zu lassen: Ein militärischer Einsatz beginne nicht erst mit einem Einmarsch, sondern auch bereits mit Waffenlieferungen. "So zu tun, als ob es darauf ankomme, ob ein einziger Bundeswehroffizier die Grenze überschreite – das grenzt an juristische Klügelei."

Asylrecht und sichere Herkunftsländer: Die taz (Sabine am Orde) meldet, dass der geplante Gesetzentwurf, nach dem Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden sollen, möglicherweise im Bundesrat scheitern wird. Die Grünen wollen dem Gesetzentwurf demnach nicht zustimmen; der Bundesrat tagt dazu noch im September.

Regeln für Versicherungskonzerne: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen beschlossen. Die Aufsicht über Versicherungen soll gestärkt und Risiken im Bereich der Versicherungsunternehmen abgeschwächt werden. Das Handelsblatt (Frank M. Drost/Kerstin Leitel – Kurzfassung) und die SZ (C. Hulverscheidt/F. Krieger) berichten über die Reform, die auf eine EU-Richtlinie zurückgeht ("Solvency II").

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 4. September 2014: Diskriminierende Parodie – Ex-Verfassungsrichter zur Überwachung – Uber-Beschluss analysiert . In: Legal Tribune Online, 04.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13078/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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