LSG NRW zu Hartz-IV-Leistungen: Ein Zelt auf dem Cam­ping­platz gilt als Unter­kunft

01.04.2022

An eine Unterkunft im Sinne des SGB II dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, andernfalls würden die Menschen benachteiligt, die auf Hilfe angewiesen sind, stellte das LSG in einer aktuellen Entscheidung klar.

Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich "Hartz IV") gibt es auch für Menschen, die auf einem Zeltplatz wohnen, hat das Landessozialgericht NRW (LSG) entschieden (Urt. v. 10.02.2022, Az. L 19 AS 1201/21).

Ein Mann hatte während eines Klinikaufenthaltes Arbeitslosengeld II in Höhe des Regelbedarfs erhalten. Nach seiner Entlassung hatte er von Juni bis September 2019  auf einem Campingplatz einen Zeltplatz angemietet und dort in einem Zelt gelebt. Das Jobcenter hatte die Kostenübernahme für diese Unterbringung abgelehnt. Es handele sich nicht um Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22  SGB II, da Zelte keine Unterkunft darstellten, begründete das Jobcenter seine Entscheidung.

Das Sozialgericht (SG) Köln hatte das bereits anders gesehen und dem Mann das Geld zugestanden. Das LSG hat nun das SG-Urteil abgeändert, in der Sache der Vorinstanz aber zugestimmt. So müsse das Jobcenter zwar nur die Kosten für die Monate August und September 2019 übernehmen, denn der Bedarf des klagenden Leistungsbeziehers habe entsprechend der Rechnungstellung nur in diesen Monaten bestanden. In der Sache selbst sei im Übrigen aber die Auffassung des SG korrekt, sodass das Jobcenter die Kostenübernahme für einen Zeltplatz nicht ablehnen könne.

Bei der Miete für einen Zeltplatz  handele es sich nämlich sehr wohl um eine Unterkunft. Entscheidend sei zwar laut Gesetz, dass eine bauliche Anlage die beiden Grundvoraussetzungen "Witterungsschutz" und "gewisse Privatsphäre" erfülle. Diese Voraussetzungen dürften allerdings vor dem Hintergrund des Grundrechts auf eine menschenwürdige Existenz und vor sozialstaatlichen Erwägungen nicht überspannt und zu eng ausgelegt werden. Andernfalls würden genau die Menschen benachteiligt, die gerade aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen kein qualitativ besseres Obdach erlangen können. Die Aufstellung eines Zelts auf einem umzäunten, bauordnungsrechtlich zugelassenen Campingplatz mit Sanitäranlagen und Stromanschlüssen erfülle diese beiden genannten Mindestvoraussetzungen, befand das LSG.

cp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LSG NRW zu Hartz-IV-Leistungen: Ein Zelt auf dem Campingplatz gilt als Unterkunft . In: Legal Tribune Online, 01.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48017/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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