BGH prüft Verurteilung wegen Beihilfe: Wann wird ein Flücht­ling zum Helfer der Sch­leuser?

17.10.2019

Ein Mann sollte auf der Flucht übers Mittelmeer Frauen und Kinder unterstützen. Sie ertranken jedoch bei der Überfahrt nach Griechenland. Nun prüft der BGH, ob der Mann zum kriminellen Helfer der Schleuser wurde.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am Donnerstag mit dem Fall eines jungen Mannes aus Afghanistan befasst, den das Landgericht (LG) Osnabrück wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge zu einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt hatte (Az. 3 StR 561/18).

Das LG hatte festgestellt, dass der Mann mit Hilfe von Schleusern von Afghanistan in die Türkei ausgereist war, um von dort nach Griechenland zu gelangen. Vor der geplanten Überfahrt vom türkischen Bodrum auf eine griechische Insel habe der Mann gegenüber dem Schleuser zugesagt, für zwei afghanische Frauen und ihre vier Kinder "als männlicher Begleiter, Ansprechpartner und Kontaktperson" zu dienen – so der BGH in seiner Pressemitteilung.

Bei der Überfahrt im Januar 2016 kenterte das Boot, mindesten 35 Menschen ertranken, darunter die beiden Frauen und ihre Kinder. Nach Angaben des BGH war das Boot überladen und hatte eine "stundenlange Irrfahrt" hinter sich. Der Afghane wurde mit 23 weiteren Menschen von der griechischen Küstenwache gerettet und reiste später nach Deutschland weiter.

Anwalt: "Was jeder anständige Mensch getan hätte"

Das LG sah in der gemachten Zusage des Mannes gegenüber den Schleusern eine Unterstzützung eben jener. In der Verhandlung vor dem BGH sprach der Vorsitzende Richter des 3. Strafsenats von einem Fall im Grenzbereich. Analog zur Beurteilung, wer ein Terrorhelfer ist, könne es auch hier auf die Qualität der Zusage ankommen, nämlich inwieweit der Flüchtling den Schleusern nützlich gewesen sei.

Der Anwalt des Mannes beantragte, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und seinen Mandanten freizusprechen. "Was der Angeklagte getan hat, ist das, was jeder anständige Mensch getan hätte." Er habe zum Beispiel Lebensmittel für seine Begleiterinnen und die Kinder besorgt oder geholfen, ihr Gepäck zu tragen.

Der Vertreter der Bundesanwaltschaft hält das Urteil des Landgerichts dagegen für rechtlich fehlerfrei. Seiner Überzeugung nach kann ein Flüchtling straflos bleiben, wenn er Begleiter spontan mit Lebensmitteln versorgt. Nicht straflos sei dagegen, wer zusage, für die Versorgung anderer Flüchtlinge Sorge zu tragen. Der Angeklagte habe die Schleuser von einer Aufgabe entlastet und sich damit selbst in das Lager der Schleuser gestellt. Der Senat will sein Urteil am 14. November verkünden.

aka/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH prüft Verurteilung wegen Beihilfe: Wann wird ein Flüchtling zum Helfer der Schleuser? . In: Legal Tribune Online, 17.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38235/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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