Alternative Anbieter: Den Rechtsmarkt gegen den Strich bürsten

von Henning Zander

27.08.2014

In den USA und Großbritannien sind alternative Anbieter von Rechtsdienstleistungen auf dem Vormarsch. Sie übernehmen das Projektmanagement oder leihen Rechtsabteilungen Juristen für einen bestimmten Zeitraum aus. Firmen wie Axiom Law schrecken auch vor M&A Deals nicht zurück. Was heißt der Trend für Kanzleien in Deutschland?

Axiom Law will den Markt für Rechtsdienstleistungen durcheinander wirbeln. In den USA ist die Firma schon gut dabei. Erst im vergangenen Jahr konnte sie 28 Millionen Dollar von Investoren einwerben, um weiter zu expandieren. Axiom begleitet M&A-Deals und unterstützt Rechtsabteilungen bei Compliance-Themen oder bei IP-Fragen. Ist Axiom Law eine Rechtsanwaltskanzlei? Die Frage wird schnell beantwortet, wenn man die Webseite des Dienstleisters aufsucht, und dort den Disclaimer anklickt. "Axiom® is not a law firm", heißt es da. Also keine Kanzlei. Aber was dann?

Kerngeschäft der Firma ist die Vermittlung von Rechtsanwälten für den Inhouse-Einsatz – projektbasiert über einen bestimmten Zeitraum. Mit ihren günstigeren Sätzen rüttelt Axiom am Geschäftsmodell etablierter Kanzleien. Nach Firmenangaben liegt der Stundensatz der Axiom-Rechtsanwälte bei rund 150 Dollar , und damit weit unter den gängigen Stundensätzen der großen amerikanischen Law Firms. Das Geschäftsmodell scheint sich durchzusetzen: allein im vergangenen Jahr setzte die Firma 150 Millionen Dollar um.

Ein regionales Phänomen, oder ein Trend, der bald Deutschland erreicht?

In den USA zählen die alternativen Anbieter inzwischen zu den Stars der Branche. Dienstleister wie  Legal Zoom, Rocket Lawyer oder Modria haben sich auf dem Markt etabliert. In Deutschland bieten erst wenige Unternehmen wie Perconex oder Xenion Legal Projektjuristen an. Diese werden meist in Rechtsabteilungen eingesetzt, wenn kurzfristig Personal gesucht wird: Vom krankheitsbedingten Ausfall eines Kollegen bis zu aufwendigen Due-Diligence-Prüfungen. Darüber hinaus haben sich alternative Anbieter noch nicht neben den Kanzleien etablieren können. Verhindert wird dies auch durch das im internationalen Vergleich immer noch recht strenge Berufsrecht.

Ein Tesco-Law gibt es in Deutschland noch nicht. Die britische Regierung hatte im Jahr 2012 den Markt für Rechtsdienstleistungen deutlich geöffnet. Zwar hat die für das Gesetz namensgebende Supermarktkette Tesco bis heute davon abgesehen, Rechtsberatung anzubieten. Doch zu den Unternehmen, die eine Lizenz für eine "Alternative Business Structure" (ABS) erworben haben, gehören zum Beispiel BT Law, eine Tochter der British Telecom, oder DAS Law, ein Tochterunternehmen des deutschen Rechtsschutzversicherer DAS.

Doch auch auf dem deutschen Markt haben Rechtsanwälte Konkurrenz bekommen. Seit 2008 können sich Mandanten in gewissem Umfang Rat bei ihrer Versicherung oder etwa beim ADAC holen, beschränkt auf das jeweilige Fachgebiet. Die Rechtsberatung darf allerdings nicht im Mittelpunkt der Leistung stehen und muss zum jeweiligen Berufsbild gehören.

Diese Angebote rühren vor allem an dem Brot und Butter Geschäft kleiner und mittlerer Kanzleien. Und die großen?

Die großen Kanzleien reagieren selbstbewusst

Seine Kanzlei beobachte neue Entwicklungen am Markt sehr genau, sagt CMS Hasche Sigle Managing Partner Dr. Hubertus Kolster. Modelle mit sogenannten "Lawyers-on-demand" oder "virtuelle Anwälte" würden auch in Deutschland ausgetestet. "Diese neuartigen Anbieter mögen durchaus einen Nischenmarkt für eine bestimmte Klientel bedienen können, einen vermehrten Wettbewerbs- oder Innovationsdruck durch sie verspüren wir aber nicht." CMS Hasche Sigle rechnet damit auch in Zukunft nicht. Ausschlaggebend für die Mandanten aus Mittelstand und Konzernen seien Expertise und über Jahre gewachsene Mandantenbeziehungen.

Auch Dr. Nikolaos Paschos, Partner bei Linklaters, sieht keine Konkurrenz in den neuen Modellen. Die Rechtssysteme in den USA und Großbritannien unterschieden sich deutlich von dem deutschen. Der Anteil von standardisierten Arbeiten, etwa bei der Discovery, sei groß. Hier können Anbieter von Legal Process Outsourcing ansetzen. Darunter wird insbesondere die Auslagerung von juristischen Routineaufgaben an externe Service-Anbieter oder Kanzleien verstanden. In Deutschland sei das Hinzuziehen von LPOs vor einigen Jahren stark diskutiert worden. Heute sei das Thema jedoch etwas in den Hintergrund gerückt.

Zudem erwarten die Mandanten, dass die Kanzleien Services wie das Projektmanagement selbst übernehmen. "Die Rechtsanwaltspersönlichkeit spielt eine sehr starke Rolle", sagt Dr. Paschos. Der Rechtsanwalt ist der Hauptansprechpartner und verantwortlich für das Gelingen von Projekten. Von ihm werde erwartet, dass er die Fäden in der Hand halte.

Auch bei der Finanzierung sehen die hiesigen Top-Kanzleien keinen entscheidenden Vorteil für die Anbieter. Axiom Law beispielsweise könnte theoretisch sogar an die Börse gehen, und sich dort Kapital für die weitere Expansion beschaffen. Diese Möglichkeit ist den deutschen Kanzleien verwehrt. Das hiesige Recht ermöglicht zwar die Gründung von Rechtsanwalts-Aktiengesellschaften. Aktionäre dürfen allerdings nur die in § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) genannten Berufsgruppen sein, also Rechtsanwälte und Inhaber eines sozietätsfähigen Berufs, etwa Steuerberater.

Hauseigene "Transaction Lawyers" und externe Hundertschaften

Die fehlende Möglichkeit eines Börsengangs sei allerdings kein Nachteil, findet eine große deutsche Kanzlei, die nicht genannt werden möchte. Die Kosten bezögen sich vor allem auf die Gehälter. Wer bei den Einnahmen immer auch den Shareholder berücksichtigen müsse, müsse hier zurückstecken. Auch die Befreiung von berufsrechtlichen Regelungen sieht die Kanzlei ohne Beunruhigung. Dies sei etwas, womit man leben könne, heißt es.

Die Kanzleien haben ihre eigenen Strategien, um auf die von den Mandanten geforderten Effizienzsteigerungen zu reagieren. Durchgesetzt haben sich etwa Teams von Transaction Lawyers, Mitarbeitern, die zum Teil keine Volljuristen sind, sondern nur über das 1. Staatsexamen oder einen Abschluss als Wirtschaftsjurist verfügen. Sie werden bei großen Transaktionen hinzugezogen, wenn es etwa darum geht, Datenräume einzurichten oder Dokumente zu sichten. Diese Effizienzsteigerung macht sich für die Kanzleien bezahlt, aber auf für die Mandanten in Form geringerer Kosten. Und es ist genau das Feld, das etwa von LPOs als Markt definiert worden ist.

Dennoch: Auch wenn sie die alternativen Anbieter nicht als direkte Konkurrenz einschätzen, so schauen sich die großen Kanzleien die Entwicklungen in diesem Bereich doch aufmerksam an. Dies auch mit Blick auf mögliche Kooperationen, etwa für besonders große Transaktionen oder Rechtsfälle, wenn Teams von mehreren hundert Juristen notwendig sind. Solche Teams kann eine Kanzlei allein nicht ohne weiteres vorhalten. Hier könnten die alternativen Anbieter einspringen.

Und das ist auch eine Option für Deutschland.

Zitiervorschlag

Henning Zander, Alternative Anbieter: Den Rechtsmarkt gegen den Strich bürsten . In: Legal Tribune Online, 27.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13004/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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