Legal Design Thinking: Inno­vativ sein in einer behä­b­igen Branche

von Dr. Micha-Manuel Bues, MJur. (Oxford)

22.03.2016

2/2 Schnelle Umsetzung statt langwieriger Planung

Es gibt verschiedene Modellierungen des Design-Thinking-Prozesses. Meistens wird der Innovationsprozess in fünf oder sechs Phasen abgebildet, um den kreativen Prozess zu strukturieren. Der kreative Prozess vollzieht sich in iterativen Schleifen. Ziel ist es dabei Ideen möglichst frühzeitig als Prototyp umzusetzen und zu evaluieren. Der Fokus liegt dabei weniger auf der detailgenauen Ausarbeitung von Ideen, sondern auf dem Experimentieren und dem Sammeln von konkreten Einsichten.

Der Prozess vollzieht sich für gewöhnlich wie folgt: Zunächst geht es darum, die Aufgabenstellung, das Problemfeld, den Markt, die Klienten, die Technologie sowie die Rahmenbedingungen genau zu verstehen. In einem zweiten Schritt wird das Verhalten von Menschen in der Zielgruppe in realen Situationen in Bezug auf die konkrete Aufgabenstellung beobachtet und analysiert. Hierbei wird in Lebensalltag und -welt der relevanten Interessengruppe eingetaucht.

Im dritten Schritt erfolgt die konkrete Ideengenerierung anhand von Simulation, Prototypen, Graphiken oder Zeichnungen. Es sollen so viele Ideen wie möglich kreiert werden, die dann anhand der Entscheidungsmatrix der Attraktivität, Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit gewichtet und bewertet werden. In einem weiteren Schritt werden die Ideen bzw. Prototypen in rasch aufeinander folgenden kontinuierlichen Wiederholungen (intern) ausprobiert. In einem letzten Schritt werden Ideen bzw. Prototypen mit der Zielgruppe getestet und das Feedback für Verbesserungen und Alternativen genutzt.

Design Thinking im Anwaltsberuf…

Die Design-Thinking-Methodik wird Anwälten für gewöhnlich fremd sein, und vielleicht auch ein wenig befremdlich. Das Arbeiten in interdisziplinären Teams und "kreativen" Räumen gehört eher nicht zu den Erfahrungen, die man in Kanzleien oder Rechtsabteilungen macht. Einige werden womöglich kritisch anmerken, dass die beschriebenen Methoden trivial bzw. selbstverständlich sind. Legal Design Thinking steckt in Deutschland allerdings noch in den Kinderschuhen.

Erste Anbieter wie Xenion Legal oder die Hamburg School of Legal Design bieten aber bereits Schulungen im Legal Design Thinking an. Im Gespräch mit LTO zeigt sich Carsten Reimann, Gründer von Xenion Legal, überzeugt, dass "Legal Design Thinking eine zentrale Disziplin für die Juristen von morgen sein wird."

…erfordert einen Mentalitätswandel

Zunächst bedeutet die Anwendung von Design Thinking - insbesondere für Juristen - einen gewissen Mentalitätswandel. Design Thinking erfordert, die Angst vor Fehlern abzulegen und früh mit Ideen zu experimentieren, auch wenn sie noch nicht vollständig ausgreift sind. Das widerstrebt vielen Juristen. Ein verinnerlichtes "Design Thinking Mindset" hilft daher, nicht zu lange auf der theoretischen Ideenstufe zu verharren. Auch geht es darum zu verstehen, dass eine inhaltlich richtige Lösung, die textlich fixiert wurde, nicht alles ist. Es kommt auch darauf an, ob sie so präsentiert wird, dass der Kunde sie liest und versteht.

Gelungene Beispiele für Design Thinking sind z.B. Unternehmen wie Flightright oder Compensation2Go, die Webseiten anbieten, auf denen Rechtssuchende im Fall einer Flugverspätung durch klare Benutzerführung und Verminderung der Komplexität zu ihrem Recht kommen. Durch gelungenes Design Thinking wird ein für Kunden vormals unerfreulicher und aufwendiger Prozess mit wenigen Klicks erledigbar. Viele weitere Geschäftsmodelle in diese Richtung wären denkbar.

Kein Allheilmittel, aber ein Innovationsbeschleuniger

In kleinerem Rahmen kann Design Thinking auch in die täglichen Arbeitsprozesse integriert werden und diese verbessern. Bereits vorhandene Produkte, z.B. Verträge oder Schriftsätze, können mit dem Design Thinking Ansatz dahingehend untersucht werden, ob sie wirklich den Kundenbedürfnissen dienen. Dies kann zu einer ganz neuen Strukturierung und Präsentation von Vertragstexten führen. Verträge müssen nicht notwendigerweise lang, dicht beschrieben und langweilig sein, um ihren Zweck zu erfüllen.

Design Thinking ist sicher kein Allheilmittel. Es kann und will gründliches juristisches Denken und Argumentieren nicht ersetzen. Design Thinking kann aber als "Innovationsbeschleuniger" genutzt werden, um in Zeiten veränderter Marktbedingungen juristische Arbeite neu zu visualisieren, vom Kunden her zu denken und in neue Geschäfts- und Arbeitsmodelle zu überführen. In diesem Sinne kann Design Thinking helfen, die Rechtsbranche innovativer zu machen.

Der Autor Dr. Micha-Manuel Bues, MJur. (Oxford), Anwalt und Legal Tech Experte, betreibt den Blog www.legal-tech-blog.de

Zitiervorschlag

Dr. Micha-Manuel Bues, MJur. (Oxford), Legal Design Thinking: Innovativ sein in einer behäbigen Branche . In: Legal Tribune Online, 22.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18859/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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