Wer ist das Volk?: "Wir sind das Volk"

von Eckart Haag, LL.M. (UNSW Sydney)

20.05.2013

Einst läutete die Parole das Ende der DDR ein, heute löst ihre Eintragung als Wortmarke durch eine rechtspopulistische Partei kollektives Unverständnis aus. Die Stadt Leipzig prüft nun, ob sie Widerspruch einlegen kann wegen der Verletzung eigener Rechte. Ob eintragungsfähig oder nicht, Slogans wie dieser sollten den Geschichtsbüchern vorbehalten bleiben und nicht in Markenregistern verschwinden, meint Eckart Haag.

Das Deutsche Patent und Markenamt in München (DPMA) hat kürzlich die bekannte und untrennbar mit den Montagsdemonstrationen in Leipzig verknüpfte Parole "Wir sind das Volk" als Bestandteil einer Wortmarke eingetragen. Die Stadt Leipzig, der DDR-Bürgerrechtler Uwe Schwab und der frühere Nikolaikirchenpfarrer Christian Führer hatten ihre bisherige Stellung als Markeninhaber nach über zehn Jahren verloren, weil sie die Marke ungenutzt ließen.

Prompt ergriffen Rechtspopulisten die Gunst der Stunde und sicherten sich gleich mehrere Marken mit dem Wortbestandteil "Wir sind das Volk".

Grundsätzlich sind auch Slogans schutzfähig

Eine Marke kann in Deutschland für verschiedene Produkte und Dienstleistungen in sogenannten Waren- und Dienstleistungsklassen angemeldet werden. In diesen Klassen ist genau angegeben, für welche Produkte oder Dienstleistungen die Marke Schutz genießt. Allerdings muss der Anmelder die Marke auch tatsächlich wie angemeldet nutzen. Tut er dies innerhalb von fünf Jahren nach der Eintragung nicht, kann die Marke auf Antrag gelöscht werden. Genau dies ist der Stadt Leipzig Anfang des Jahres zum Verhängnis geworden.

Als Marke schutzfähig sind grundsätzlich neben einzelnen Wörtern, Bildern und deren Kombination auch Wortfolgen, also Slogans. Dafür muss der Spruch zunächst abstrakt geeignet sein, Waren oder Dienstleistungen unterschiedlicher Herkunft voneinander abzugrenzen. Der Verkehr muss also in dem Slogan einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller erkennen können.

"Vorsprung durch Technik" hat Unterscheidungskraft

Sowohl das DPMA als auch die Rechtsprechung waren in der jüngeren Vergangenheit bei der Annahme einer solchen abstrakten Eignung eher großzügig. Je länger allerdings ein Slogan ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er tatsächlich Unterscheidungskraft hat und damit schutzfähig ist. Dabei setzt das DPMA keine strengeren Maßstäbe an, als für andere Marken auch. Kürze, Prägnanz, Originalität und Mehrdeutigkeit einer Parole lassen auf deren Unterscheidungskraft schließen. Nur wenn einem Slogan unter allen denkbaren Gesichtspunkten jegliche Eignung abgesprochen werden muss, Produkte voneinander unterscheiden zu können, hat das DPMA ihm bisher die Eintragung verweigert.

Das ist etwa der Fall, wenn ein Slogan lediglich die Eigenschaften einer Ware oder Dienstleistung beschreibt, für die er angemeldet worden ist, oder sich in einfachen Werbeaussagen und sachbezogene Angaben oder Anpreisungen erschöpft. Eine solch beschreibende Wirkung wurde beispielsweise dem Slogan "LOOKS LIKE GRASS, FEELS LIKE GRASS, PLAYS LIKE GRASS" für synthetische Rasenbeläge zugesprochen. Der Spruch war eine reine Werbeaussage, die lediglich Hinweise auf die Art der Ware gab, von potentiellen Käufern aber nicht als Herkunftshinweis verstanden werden konnte.

Eingetragen wurde hingegen der hinlänglich bekannte Slogan "Vorsprung durch Technik" der Firma Audi. Wegen ihrer langjährigen Benutzung sowie Prägnanz und Originalität ist die Werbebotschaft grundsätzlich dazu geeignet, bei den Kunden eine Assoziation mit der Firma Audi als Hersteller hervorzurufen.

Eher ein Hinweis auf die Montagsdemos

Der Slogan "Wir sind das Volk" weist dagegen eher auf ein geschichtsträchtiges Ereignis hin als auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem Unternehmen oder von einer bestimmten Person.

Die Rechtspopulisten haben die Parole allerdings nicht in Alleinstellung als Wortmarke angemeldet, sondern mit dem Zusatz "WSDV" und zwar für die Warenklassen 16, 25 und 26, worunter insbesondere Produkte aus Papier und Pappe, Schreib- und Bürobedarf, Kleidungsstücke und Kurzwaren fallen. Das Amt hatte sich daher im Eintragungsverfahren mit der Marke "Wir sind das Volk WSDV" und deren Unterscheidungskraft zu befassen. Wohl wegen des Zusatzes nahm es die für eine Eintragung notwendige Unterscheidungskraft an.

Ob diese Bewertung ein mögliches Löschungsverfahren übersteht, ist allerdings zweifelhaft. Erst vor Kurzem entschied der Europäische Gerichtshof nämlich, dass einem Slogan, der lediglich aus einer Kombination von nicht eintragungsfähigen Wörtern (hier: "Wir sind das Volk") und einer Abkürzung der Wortkombination (hier "WSDV") besteht, die Unterscheidungskraft abgesprochen werden muss (Urt. v. 15.03.2012, Az. C-90/11 und C-91-11).

Der Autor Eckart Haag, LL.M. (UNSW Sydney) ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei FPS Rechtsanwälte & Notare.

Zitiervorschlag

Eckart Haag, LL.M. (UNSW Sydney), Wer ist das Volk?: "Wir sind das Volk" . In: Legal Tribune Online, 20.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8763/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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