Puppen im Recht: "Mecki", Käthe Kruse und die Maus vor Gericht

von Martin Rath

02.08.2020

Nailia Schwarz - stock.adobe.com

Puppen in der Nachkriegszeit – Wohlstands- oder Beweis von Unzurechenbarkeit

Der Rechtsstreit um die Bing-Produkte könnte zu der Annahme verleiten, dass nur echte Sammlerstücke als Puppen von hohem Wert angesehen wurden, schließlich sind  gescheite Käthe-Kruse-Stücke auch heute nicht zum Schnäppchenpreis zu haben.

Doch täuscht die heutige Massenproduktion und Kaufkraft darüber, wie es etwa in den 1950er Jahren um die ideelle und materielle Wertschätzung auch von Puppen bestellt war, die nicht der allerhöchsten Preisklasse angehörten. Welchen emotionalen Wert Puppen für eine Generation hatten, die ihr Spielzeug auf dem Weg ins Exil oder in die Deportation verloren hatten oder ihren Teddybär vor der Vertreibung im Garten hatten begraben müssen, ist aus der Perspektive einer seit den 1970er Jahren unermesslich auswuchernden Warenverfügbarkeit kaum noch vorzustellen.

Ein realistisches Gefühl dafür, welchen Wert Puppen – ganz ohne Sammlerpreis – in unserer Gesellschaft damals hatten, zugleich dafür, wie arm die Deutschen waren, vermittelt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. April 1952.

In einer recht hässlichen Sache, in der die klagende Frau auf Scheidung ihrer noch nicht allzu lange bestehenden Ehe klagte, weil der Mann "an haltloser Psychopathie oder an circulärem Irresein" leide, klärte der BGH vor allem über die sehr eingeschränkten Möglichkeiten auf, in einem Scheidungsverfahren den Beklagten zur Untersuchung durch psychiatrische Gutachter zu zwingen.

Auch wer sich für Puppen nicht interessiert, findet hier einiges zu den Abgründen der Geschlechterverhältnisse zu (Ur-)Großmutters Zeiten: Dass der Mann seiner Gattin unter vorgehaltenem Küchenmesser mit einem Mitnahmesuizid gedroht habe, sei auch ohne psychiatrische Begutachtung des Gatten für die Klägerin günstiger zu würdigen. Dass er der gemeinsamen Tochter Puppen und Puppenwagen zwar überlassen, deren Mitnahme in den Haushalt der Klägerin aber verweigert habe, schien den BGH-Richtern psychisch auffällig und zudem ein Anhaltspunkt dafür, dass er durch solche teuren Gegenstände seine Unterhaltszahlungen gefährdet habe: Wer seiner Tochter Puppen schenkte, hatte auch dafür zu sorgen, dass sie damit spielen konnte – denn es war nicht zu erwarten, dass zuhause eine zweite Puppenkollektion auf das Kind warten würde.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. April 1952 (Az. IV ZR 156/51).

Zitiervorschlag

Puppen im Recht: "Mecki", Käthe Kruse und die Maus vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 02.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42375/ (abgerufen am: 19.05.2024 )

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