Die juristische Presseschau vom 30. Juli bis 1. August 2011: Neu gezählte Ehrenmorde – Neu bewertete PKK – Neue Klage der Grünen auf Regierungsauskunft

01.08.2011

Sollen Morde zur Verteidigung der Familienehre besonders hart oder besonders nachsichtig bestraft werden? Der BGH fordert Härte, doch in der Praxis komme das nicht an, berichten Medien. Außerdem in der heutigen Presseschau: die neue Linie der Strafjustiz gegenüber der PKK, eine Klage auf Infomation über geheime Rüstungsexporte und vieles andere.

Ehrenmorde: Die Samstags-Welt (Claudia Ehrenstein) und die Montags-SZ (Ronen Steinke) berichten über eine Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht. Zwei Kriminologen haben dabei versucht, alle zwischen 1996 und 2005 in Deutschland verübten oder versuchten Ehrenmorde zu analysieren. Sie kamen auf 78 Taten mit 109 Opfern und 122 Tätern. Anders als vom BGH vorgesehen sei das Ehrmotiv in keinem Fall als niedriger Beweggrund strafschärfend berücksichtigt worden. In 15 Fällen habe es dagegen strafmildernd gewirkt, meist sei es aber gar nicht thematisiert worden.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Kartellrecht: Verbraucherverbände sollen künftig ein Klagerecht gegen Kartellverstöße erhalten. Das plant Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nach einem Bericht des heutigen Handelsblatts (Thomas Sigmund – gekürzte Fassung auf Handelsblatt.com). So sollen bei Kartellteilnehmern Vorteile abgeschöpft werden, die sich im Einzellfall nicht einzuklagen lohnen, aber sehr viele Verbraucher betreffen. Die Neuregelung soll Teil der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) werden.

Steuerflucht: Nach einer Meldung des Spiegels soll am Mittwoch ein deutsch-schweizerisches Steuer-Abkommen paraphiert werden, das die Behandlung deutscher Schwarzgelder in der Schweiz regelt. Demnach soll der Bestand des Schwarzgeldes mit 39 Prozent besteuert werden und die Erträge jährlich – entsprechend der deutschen Abgeltungssteuer - mit 26 Prozent. Der Inhaber des Schwarzgeldkontos bliebe aber anonym.

Weitere Themen – Justiz

Bundesgerichtshof: Nach Informationen der Montags-SZ (Wolfgang Janisch) gibt es einen Rechtsstreit um die Besetzung des Vorsitzes am zweiten BGH-Strafsenat. Als aussichtsreichster Kandidat habe zunächst der bekannte Strafrechts-Kommentator Thomas Fischer gegolten. BGH-Präsident Klaus Tolksdorf habe dem Justizministerium aber andere Kandidaten vorgeschlagen. Inzwischen habe Fischer beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage eingereicht. Laut SZ gilt Fischer als besserwisserisch und eigenwillig.

Windrad auf Ackerland: lto.de (Andreas Klemm) beschreibt eine frisch veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Verkauf von Ackerland an einen Windkraftbetreiber. Dies könne nach dem Grundstücksverkehrsgesetz genehmigt werden, auch wenn damit Ackerland der Landwirtschaft verloren gehe. Die Förderung erneuerbarer Energien sei ein "allgemeiner volkswirtschaftlicher Belang" im Sinne des Gesetzes. Werde die Fläche nur als Abstandsfläche benutzt, so der BGH, müsse sie allerdings später wieder an einen Landwirt verkauft werden.

Strafverfolgung PKK: Die Samstags-taz (Christian Rath) nimmt die Verhaftung von zwei PKK-Jugendkadern zum Anlass, die neue strafrechtliche Bewertung der PKK darzustellen. Während PKK-Funktionäre ab 1998 nur als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung galten, werden nun alle PKK-Angehörigen als Mitglieder einer ausländischen terroristischen Vereinigung eingestuft. Dies gehe auf ein BGH-Urteil vom Oktober 2010 zurück.

Übernahme der Postbank: Die Deutsche Bank muss Kleinaktionären der Postbank keinen Nachschlag zahlen. Das entschied das Landgericht Köln nach Darstellung der heutigen FTD (Karsten Röbisch). Die Bank musste den Preis für ein Übernahmeangebot nicht am höheren Marktpreis des Jahres 2009 orientieren. Die Richter entschieden, dass die Deutsche Bank die Postbank damals trotz diverser Verträge und Optionen noch nicht effektiv kontrollierte.

Graffiti: Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek hat den Sprayer "Oz" nach einem vielbeachteten Prozess wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Das berichten u.a. spiegel.de (Johannes Korge) und die Agentur dapd. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert und sich auf die Kunstfreiheit berufen.

Tötung durch Pflegemutter: Der Spiegel berichtet aus einem laufenden Strafprozess am Landgericht Bonn. Die neunjährige Anna soll von ihrer Pflegemutter ertränkt worden sein. Der Frau wird Mord vorgeworfen. Der Spiegel fragt: "Wer schützt die Kinder vor manchen Jugendämtern und jenen ungeeigneten Familien, die sie nur aufnehmen, um an ihnen zu verdienen?"

Middelhoff-Prozess: Die Samstags-SZ (Stefan Weber) stellt den Verfahrensstand im Schadensersatzprozess gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff dar.  Nachdem der Insolvenzverwalter von Arcandor neue Zahlen zur Schadenshöhe vorlegte, vertagte das Landgericht Essen das bereits vorgesehene Urteil und trat wieder in die Beweisaufnahme ein. Zugleich forderte es die Parteien zu einer einvernehmlichen Lösung auf.

Transparenz bei Rüstungsexporten: Die Grünen haben beim Bundesverfassungsgericht Ende letzter Woche Klage wegen verweigerter Regierungsauskünfte über den Export von Panzern nach Saudi-Arabien eingelegt. Das berichtet u.a. die taz (Stefan Reinecke). Zumindest das Ergebnis der Beratungen im Bundessicherheitsrat müsse dem Parlament mitgeteilt werden.

Justiz-Affären in Sachsen. Der Spiegel stellt den Hintergrund der Handydaten-Affäre dar: ein Ermittlungsverfahren gegen eine linke kriminelle Vereinigung, die Gewalt gegen Rechtsradikale ausübe. Die Belege für die Existenz einer solchen "Antifa-Sportgruppe" seien jedoch dünn. Um den bedenklichen Zustand des Rechtsstaats in Sachsen zu illustrieren, zählt der Spiegel noch zahlreiche weitere Justiz-Affären der letzten Jahre auf.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Jugoslawien-Tribunal: Die SZ (Ronen Steinke) bringt in ihrem Feuilleton eine vorläufige Bilanz des Ex-Jugoslawien-Tribunals in Den Haag. Abschließend wird ein Ermittler zitiert: 'Inzwischen sind alle Seiten des Konflikts etwa gleich unglücklich mit unserer Arbeit.'

Iran:  Kurz vor der staatlichen Blendung eines Verbrechers verzichtete sein einstiges Opfer auf die Vollstreckung der Strafe.  Details, auch zum vorhergehenden Strafverfahren, berichtet spiegel.de (Birger Menke).

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. Juli bis 1. August 2011: Neu gezählte Ehrenmorde – Neu bewertete PKK – Neue Klage der Grünen auf Regierungsauskunft . In: Legal Tribune Online, 01.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3898/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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