Private Sicherheitsunternehmen: Mein Haus, meine Ölpi­pe­line, meine Pri­va­t­armee?

Private Sicherheitsunternehmen übernehmen in Konfliktzonen zunehmend wichtige Aufgaben. In staatlichem Auftrag verhören sie Gefangene, sichern Küsten gegen Piraterie und bewachen Raffinerien. Doch ist der Einsatz solcher Firmen völkerrechtlich überhaupt zulässig? Und können sich die Staaten jeder Verantwortung entziehen?

Der Einsatz von privaten Sicherheitsunternehmen (aus dem Englischen auch Private Military Companies oder kurz "PMCs" genannt) in Konfliktsituationen ist kein neues Phänomen. Besondere, wenn auch fragwürdige "Prominenz" erfuhren diese Firmen jedoch erst durch deren massiven Einsatz im Irak und in Afghanistan.

Die angebotenen Dienstleistungen reichen von Logistikaufgaben über militärische Beratung bis hin zu dem Einsatz bewaffneter Sicherheitstruppen.

Im Irak befassen sich solche Truppen zum Beispiel mit Personen-, Konvoi- oder Objektschutz, vor der somalischen Küste werden vor allem russische Sicherheitsunternehmen eingesetzt, um vor Piraterie zu schützen. Die Unternehmen sind dabei auch in Kampfhandlungen verwickelt. Aus dem Irak wurde leider oft von der wahllosen Tötung von Zivilisten berichtet. Können sie dafür haftbar gemacht werden?

Ohne Kombattantenstellung keine strafrechtliche Immunität

Grundsätzlich ja, denn private Sicherheitsunternehmen sind normale, teilweise börsennotierte Unternehmen. Sie unterliegen daher dem Recht des Staates, in dem sie inkorporiert sind. Werden die Mitarbeiter solcher Unternehmen auch in einem anderen Staat aktiv und begehen dort eine Straftat, so ist auf sie auch das Recht dieses Staates anwendbar.

Eine Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung könnte nur dann eintreten, wenn die Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen als Kombattanten in einem bewaffneten Konflikt einzustufen wären. Nach den Genfer Abkommen sind Kombattanten Mitglieder der Streitkräfte einer Konfliktpartei. Sie dürfen andere Kombattanten straflos töten, nicht aber Zivilisten, die nicht unmittelbar an Kampfhandlungen teilnehmen.

Die Angestellten privater Sicherheitsunternehmen lassen sich aber nur schwer als Kombattanten einordnen. Denn sie sind nicht Mitglieder der Streitkräfte einer Konfliktpartei, erhalten keine direkten Befehle und unterliegen nicht der militärischen Disziplin. Sie sind allerdings auch keine "echten" Zivilisten, da sie teilweise militärische Aufgaben übernehmen. Daher wurde diskutiert, ob es eine dritte Gruppe, nämlich die der "Quasi-Kombattanten", geben sollte. Eine solche Einteilung hat sich aber wegen des klaren Wortlauts der Genfer Abkommen und der zahlreichen Abgrenzungsprobleme bisher nicht durchgesetzt.

Die UN-Söldnerkonvention ist nicht anwendbar

Sind die Mitarbeiter von PMCs keine Kombattanten, können sie selbst bei Teilnahme an einem bewaffneten Konflikt für die Tötung von Zivilisten strafrechtlich verfolgt werden. Dies passiert allerdings nur selten, denn die für die strafrechtliche Verfolgung primär zuständigen Staaten, beispielsweise der Irak, haben entweder kein Interesse an einem Vorgehen gegen die PMCs oder sind zu schwach, um ihr Recht durchzusetzen.

Wichtig ist daher die Frage, ob die Staaten, die die privaten Sicherheitsunternehmen beauftragen, eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit trifft.

Denkbar wäre zunächst, die Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen als Söldner einzustufen. Ihre Beauftragung wäre dann völkerrechtswidrig, denn die UN-Söldnerkonvention verbietet das Anwerben und die Ausbildung von Söldnern.

Doch die UN-Söldnerkonvention hat bisher wenig praktische Bedeutung. Zum einen ist es insgesamt schwierig nachzuweisen, dass Mitarbeiter von PMCs die enge Definition eines Söldners erfüllen. Zum anderen sind die meisten militärisch bedeutenden Staaten, mit Ausnahme Italiens, der Konvention bisher nicht beigetreten.

Handlungen der PMCs können dem Auftraggeber zugerechnet werden

Dennoch können auch die Handlungen der PMC-Mitarbeiter eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Auftrag gebenden Staates auslösen, wenn sie diesem zuzurechnen sind und gegen völkerrechtliche Normen verstoßen. Die meisten Staaten, die private Sicherheitsunternehmen einsetzen, sind durch die internationalen Menschenrechtspakte zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet. Eine Tötung oder Folterung von Zivilisten durch Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen würde daher gegen geltendes Völkerrecht verstoßen, wenn diese Handlungen dem beauftragenden Staat zuzurechnen wären.

Nach den Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit sind Handlungen von Personen einem Staat dann zuzurechnen, wenn diese Personen einem Organ des Staates angehören. Eine Zurechnung erfolgt auch dann, wenn die Person per Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch diesen Staat mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut ist oder auf Anweisung des Staates oder unter seiner Kontrolle handelte.

Eine Verantwortlichkeit des den Auftrag gebenden Staates kommt daher vor allem dann in Betracht, wenn dieser die PMCs mit dem Grunde nach hoheitlichen Aufgaben betraut, also beispielsweise mit der Bewachung und dem Verhör von Gefangenen. Ob die Bewachung von Raffinerien oder Regierungsgebäuden noch als Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zu werten ist, ist hingegen fraglich.

Auch eine Zurechnung dieser Handlungen über das Merkmal der Anweisung oder Kontrolle des Staates ist problematisch. Denn hierfür fordert der Internationale Gerichtshof die "effektive Kontrolle", also eine Einwirkungsmöglichkeit des Staates. Der Staat hat aber meist keinen Einfluss darauf, wie sein Auftrag durch die Sicherheitsunternehmen ausgeführt wird.

Die Staaten müssen auf neue Entwicklungen reagieren

Private Sicherheitsunternehmen bewegen sich dennoch nicht im rechtsfreien Raum. Nationale und internationale Normen zum Schutz der Zivilbevölkerung gelten, trotz der genannten Durchsetzungsschwierigkeiten, auch für PMCs. Und Staaten sind durch humanitäres Völkerrecht und die Menschenrechtspakte verpflichtet, einen effektiven Schutz der in diesen Instrumenten normierten Rechte zu gewährleisten.

Dies bedeutet zum einen, dass bei bewaffneten Konflikten die Aufgaben, welche nur durch Mitglieder der Streitkräfte eines Staates erfüllt werden können, wie zum Beispiel die Bewachung von Gefangenen, nicht an private Sicherheitsunternehmen vergeben werden dürfen. Zum anderen bedeutet das aber auch, dass der Staat einen Rechtsrahmen schaffen muss, in dem die Rechte und Pflichten privater Sicherheitsunternehmen klar geregelt sind.

Erste Versuche, dies auf internationaler Ebene zu erreichen, laufen bereits. Auch die Sicherheitsunternehmen haben reagiert und freiwillige Verhaltenskodizes aufgestellt. Bis zu einer sicheren Rechtslage ist es aber noch ein weiter Weg.

Der Autor Przemyslaw Nick Roguski, Mag. Iur. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Internationales Wirtschaftsrecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Zitiervorschlag

Przemyslaw Roguski, Private Sicherheitsunternehmen: Mein Haus, meine Ölpipeline, meine Privatarmee? . In: Legal Tribune Online, 17.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1954/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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