Mercedes-Benz darf weiter Verbrenner verkaufen: Warum das Land­ge­richt die Kli­maklage abge­wiesen hat

13.09.2022

Drei Umweltschützer sind mit ihrer Klage gescheitert, Mercedes-Benz zu verpflichten, zukünftig keine Verbrennungsmotoren mehr zu verkaufen. Das LG Stuttgart sieht mehr den Gesetzgeber als den Autobauer in der Verantwortung.

Das Landgericht (LG) Stuttgart hat die Klimaklage dreier Umweltschützer gegen den Autobauer Mercedes-Benz abgewiesen. Es obliege dem Gesetzgeber zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Einhaltung des Klimaschutzes ergriffen werden. Dies könne durch eine Individualklage vor einem Zivilgericht nicht vorweggenommen werden, teilte das Gericht am Dienstag zur Begründung mit (Urt. v. 13.09.2022, Az. 17 O 789/21).

Mit ihrer Klage hatten die Umweltschützer, die von der Deutschen Umwelthilfe DUH unterstützt werden, einen klimagerechten Umbau des Autobauers gefordert. Dabei geht es ihnen insbesondere darum, dass der Kohlendioxid-Ausstoß im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen und dem deutschen Klimaschutzgesetz verringert wird. Mercedes soll dazu unter anderem ab November 2030 keine herkömmlichen Verbrenner mehr verkaufen dürfen, die Treibhausgase ausstoßen.

DUH: Mercedes soll Verkauf von Verbrennungsmotoren einstellen

"Wir wollen Mercedes-Benz durch unsere Klage verpflichten, ab 2030 weltweit den Verkauf von Pkws mit Benzin- und Dieselmotoren einzustellen", sagte der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Es sei peinlich, "dass ausgerechnet in einem grün regierten Bundesland mit Mercedes-Benz der Fahrzeughersteller mit den höchsten Klimagasemissionen pro Fahrzeug in ganz Europa seinen Sitz hat", sagte Resch, der sich dabei auf Berechnungen der Nonprofit-Organisation "International Council on Clean Transportation" aus dem August 2020 bezog.

Der Klimaschützer geht davon aus, dass die Klage wegen "der sehr grundsätzlichen Bedeutung" sicher auf eine höchstrichterliche Entscheidung hinauslaufen werde - entweder durch den Bundesgerichtshof (BGH) oder zu bestimmten Fragestellungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Mercedes: Klimaschutz ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Eine Sprecherin des Autobauers verwies auf die Anstrengungen des Unternehmens in Sachen E-Mobilität. Mercedes-Benz wolle bis zum Ende dieses Jahrzehnts vollelektrisch werden. Allerdings mit der Einschränkung: "Wo es die Marktbedingungen zulassen." Zudem solle der CO2-Fußabdruck pro Pkw bis 2030 um mehr als die Hälfte gegenüber 2020 verringert werden.

Klimaschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. "Deshalb hat der Gesetzgeber im Klimaschutzgesetz aus den Zielen des Übereinkommens von Paris zunächst nationale CO2-Budgets abgeleitet und diese dann auf alle Wirtschaftssektoren, darunter den Verkehr, aufgeteilt", teilte die Sprecherin mit. Er habe jedoch keine Budgets für einzelne Unternehmen oder Personen definiert.

Welche Anstrengungen von welchen Akteuren zu schultern sind, um die Klimaziele für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt zu erreichen, sei "eine politische Frage, die nicht durch punktuelle Entscheidungen von Zivilgerichten beantwortet werden kann", so die Sprecherin. Gesetzliche Vorgaben zu erlassen, sei ausschließlich Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Gerichte.

LG: Kläger machen individuelle Freiheitsrechte geltend

So sah es nun auch das LG Stuttgart. Es hielt die Klage zwar für zulässig aber unbegründet. Im Vorfeld diskutierte Probleme im Rahmen der Prozessführungsbefugnis der Kläger sah die Kammer nicht, wie ein Gerichtssprecher gegenüber LTO erklärte. Auch wenn die Kläger der DUH nahe stünden oder von ihr unterstützt würden, so machten sie in dem Verfahren doch ihre eigenen individuellen Freiheitsrechte geltend.

Entsprechende Freiheitsrechte leiteten die Kläger aus dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegen privatwirtschaftliche Unternehmen her. Diese sollen als Störer über die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzauftrag aus Art. 20a Grundgesetz (GG) verpflichtet sein. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch sollte sich aus § 1004 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog ergeben, weil das zukünftige allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger beeinträchtigt werde.

Folgen von Verbrennungsmotoren "völlig ungewiss"

Einen geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von Verbrennungsmotoren stehe den Kläger aber nicht zu, so das LG Stuttgart. Die Kammer hat seine Klageabweisung dabei insbesondere auf zwei Säulen gestützt:

Zum einen konnten die Kläger auf Tatbestandsebene keine konkret drohende Gefahr darlegen und beweisen. Bei den in Rede stehenden mittelbaren Auswirkungen habe die Kammer die Grundrechtspositionen gegeneinander abzuwägen, heißt es in der Begründung. Sie habe aber keine Interessenabwägung vornehmen können, weil die Auswirkungen des weiteren Vertriebs von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor "völlig ungewiss" seien.

Darüber, ob und mit welchen Einschränkungen zu rechnen sei, wenn Mercedes weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verkaufe, lasse sich keine Aussage treffen, schreibt das LG. Es sei bereits nicht erkennbar, ob das CO2-Budget nicht trotzdem durch den Autobauer eingehalten werden könne.

Gesetzgeber müsse quantifizierbare Grenzen festlegen

Zum anderen stehe die von den Klägern begehrte Rechtsfolge im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit. Die Rechtsfolge weise "dem Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen für die Ausgestaltung des gesellschaftlichen Lebens und der Lebensbedingungen" zu, heißt es weiter.

Der Umweltschutz, welche in Art. 20 a (GG) verfassungsrechtlich verankert ist,  richte sich primär an den Gesetzgeber, so das LG Stuttgart. Dieser habe die Rahmenbedingungen vorzugeben, durch die eine weitere Klimaerwärmung verhindert werden soll.

Art 20a GG belasse dem Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum und es sei grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte, aus der offenen Formulierung konkret quantifizierbare Grenzen der Klimaerwärmung und damit korrespondierende Emissionsmengen oder Reduktionsvorgaben abzuleiten, begründet die Kammer die Klageabweisung. Die Gerichte könnten letztlich lediglich geltende Gesetze unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben anwenden.

DUH will Berufung einlegen

Die DUH kündigte daraufhin an, in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zu gehen. Resch deutete die Entscheidung des Gerichts im Anschluss an den Termin als "Ohrfeige in Richtung Gesetzgeber". Dieser müsse sich darum kümmern, dass Grenzen formuliert werden. "Doch der Gesetzgeber wird nicht aktiv, deshalb sind wir ja gezwungen, vor Gericht zu ziehen, um die Grundrechte der Menschen und künftigen Generationen zu schützen."

"Wir sind von Anfang an davon ausgegangen, dass in dieser grundsätzlichen Frage erst höhere Gerichtsinstanzen Klarheit bringen werden", sagte der Anwalt der Kläger, Remo Klinger, laut Mitteilung. Auch wenn das Urteil nicht in ihrem Sinne ausgefallen sei, freuten sie sich über die Möglichkeit, nun "hoffentlich schnell eine Klärung vor dem Oberlandesgericht" erreichen zu können. Die Klimakrise lasse nicht mehr viel Zeit.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Mercedes-Benz darf weiter Verbrenner verkaufen: Warum das Landgericht die Klimaklage abgewiesen hat . In: Legal Tribune Online, 13.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49606/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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