Grüne wollen Abstimmung über Homo-Ehe erzwingen: Wahl­kampf in Karls­ruhe

von Pia Lorenz

18.05.2017

Die Grünen wollen eine Bundestags-Abstimmung über die Homoehe erzwingen. Weil die Koalition diese seit Jahren verzögert, soll das BVerfG sie nun verurteilen, noch vor der Sommerpause abzustimmen. Sehr realistisch scheint das nicht. 

Die Grünen wollen eine Bundestagsabstimmung über die Ehe für homosexuelle Paare über das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erzwingen. Am Vormittag machte Volker Beck die Ankündigung von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt aus dem ARD-Morgenmagazin wahr und reichte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Karlsruhe ein, wie ein Gerichtssprecher bestätigte. 

Bisher können Schwule und Lesben nur eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Dem Bundestag,  liegen drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-Ehe vor, von den Linken, den Grünen und vom Bundesrat. Seit der vergangenen Wahl standen diese 16 Mal auf der Tagesordnung, im Rechtsausschuss nach Angaben von Volker Beck sogar 27 Mal. Den soll das BVerfG nun verpflichten, eine Abstimmung spätestens in der planmäßig letzten Sitzung vor der Sommerpause am 30. Juni - und damit der Bundestagswahl - zu ermöglichen.

Die große Koalition aus Union und SPD ist in der Frage gespalten. Die SPD würde die Gleichstellung mit der Hetero-Ehe wohl mittragen. Sie forciert das Thema aber gegenüber der Union nicht, wo viele Abgeordnete der Idee, die zudem häufig mit der Frage nach der Einführung eines gemeinsamen Adoptionsrechts vermischt wird, ablehnend gegenüber stehen. So wurde das Thema im Rechtsausschuss immer wieder vertagt.

Darin sehen die Grünen nach Angaben von Beck einen "groben, verfassungswidrigen Missbrauch der Geschäftsordnungsmehrheit durch die Koalition", den sie mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Antwort beenden wollen. Göring-Eckardt zufolge wird seit zwei Jahren über das Thema verhandelt; der Entwurf der Linken datiert stammt sogar schon aus Oktober 2013. "Jedes Mal sitzen die im Ausschuss, und dann sagt jedes Mal die Koalition: Wir haben noch Beratungsbedarf. Da wird aber gar nichts beraten".

Verfassungsrechtler: "Wahlkampf begründet nicht Eilrechtsschutz"

"Zwei Jahre sind angemessene Beratungszeit, so steht es im Grundgesetz", sagte die Fraktionschefin im Morgenmagazin. Das trifft allerdings nicht zu. Die Fraktion stützt ihren Antrag auf Art. 76 des Grundgesetzes (GG). Abs. 3 S. 6 der Vorschrift regelt, dass der Bundestag über Vorlagen in angemessener Frist beraten und beschließen muss. Einen Zeitraum gibt sie allerdings nicht vor.

Auch laut Prof. Dr. Joachim Wieland enthält die Verfassung keine Vorgabe, wann über Anträge von Fraktionen abgestimmt werden muss. "Über die Behandlung von Gesetzentwürfen der Fraktionen entscheidet der Bundestag mit Mehrheit. Wenn die Mehrheit einen Antrag der Oppositionsfraktionen nicht behandeln will, kann sie das mit ihrer Mehrheit durchsetzen", sagte der Verfassungsrechtler von der Universität Speyer gegenüber LTO. "Erst wenn die Mehrheit missbraucht wird, könnte das rechtlich relevant werden", so Wieland. "Das scheint mir aber nach zwei Jahren noch nicht offensichtlich". Etwas anderes könnte der Bundestag in seiner Geschäftsordnung regeln. Geschehen ist das aber bisher nicht.

Der Sprecher des BVerfG wollte sich nicht dazu äußern, wie schnell mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Auch wenn die Rechtsauffassung der Grünen zuträfe, die ihren Antrag für "offensichtlich begründet" halten, darf man bezweifeln, dass sie damit Erfolg haben werden. Die Hürden sind hoch, einstweilige Anordnungen erlässt das BVerfG nur, wenn ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist bzw. zu einem nicht oder nur schwer wieder gut zu machenden Zustand führt.

Für Joachim Wieland kann die verfassungsrechtliche Frage aber auch ohne Zeitdruck in den nächsten Jahren im Rahmen eines Organstreitverfahrens geklärt werden. "So kurz vor dem Ende der Legislaturperiode kann nicht mehr mit einem Gesetzesbeschluss rechnen. Das Bundesverfassungsgericht wird vermutlich den Eindruck haben, dass mit diesem Vorgehen im Wahlkampf noch einmal ein Akzent gesetzt werden soll. Das ist politisch legitim, verpflichtet das Gericht aber nicht dazu, Eilrechtsschutz zu gewähren."

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Grüne wollen Abstimmung über Homo-Ehe erzwingen: Wahlkampf in Karlsruhe . In: Legal Tribune Online, 18.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22964/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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