Finanzhaushalt in NRW: Juristen empfehlen "Schuldenbremse" in der Landesverfassung

09.03.2015

Braucht NRW eine Schuldenbremse in der Landesverfassung - oder reicht die im Grundgesetz? Im Landtag gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen. Zwölf der 16 Bundesländer haben bislang eigene landesrechtliche Regelungen getroffen, wie die vom Grundgesetz vorgegebene Schuldenbremse umgesetzt wird. Zwei Rechtswissenschaftler sind sich einig: Das Land sollte die Ausgestaltung selbst regeln.

Rechtswissenschaftler werben für ein Neuverschuldungsverbot auch in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung. Die 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sollte vom Land ausgestaltet werden, heißt es in zwei Rechtsgutachten für die Verfassungsreformkommission des Landtags. Das Thema stand am Montag auf der Tagesordnung des Gremiums.

Bisher haben bereits zwölf Bundesländer eigene landesrechtliche Regelungen getroffen, um die Schuldenbremse umzusetzen. Acht von ihnen haben sich für Festlegungen in ihrer Landesverfassung entschieden, drei für einfache Gesetze; Niedersachsen hat eine Übergangsregelung vorgesehen. Nur vier Bundesländer haben bisher keine landesrechtlichen Initiativen dazu: NRW, Berlin, Brandenburg und das Saarland.

Laut Grundgesetz dürfen auch die Länder spätestens ab 2020 prinzipiell keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Das sollte mit Strafmechanismen gesichert werden, empfiehlt Prof. Dr. Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität Berlin. Dies könne aber keine "Strafzahlung" sein. "Ein souveräner Staat kann sich nicht selbst bestrafen", führt der Professor für Finanzrecht in seinem 100 Seiten starken Gutachten aus.

Auch ohne landesgesetzliche Regelung gelte die Schuldenbremse im Grundgesetz automatisch für die Länder, stellt Waldhoff fest. Der Artikel 109 enthalte aber einen verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsauftrag für die Länder, "die nähere Ausgestaltung" für ihre Haushalte zu regeln.

 

Waldhoff: Normenkontrolle beim LVerfG möglich machen

Prof. Dr. Joachim Wieland unterstreicht in seinem Gutachten, das Land sollte ebenso wie der Bund auch Regelungen für außergewöhnliche Notlagen sowie abweichende konjunkturelle Entwicklungen treffen. Der LTO-Autor von der Deutschen Universität für Verwaltungsrecht in Speyer empfiehlt darüber hinaus eine Klarstellung: Die Verpflichtung zur Einhaltung der Schuldenbremse mindere nicht das Recht der Kommunen auf angemessene Finanzausstattung. Darauf legt auch die SPD-Landtagsfraktion besonderen Wert, die einer Schuldenbremse in der Landesverfassung bislang allerdings distanziert gegenüberstand.

Waldhoff erläutert in seiner Expertise die Vorteile: "Die Einführung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung bedeutet eine deutliche Erweiterung des Rechtsschutzes." Andernfalls könne bei Verstößen allein das Bundesverfassungsgericht angerufen werden - allerdings nicht von Abgeordneten des Landtags. Eine Normenkontrolle beim Landesverfassungsgericht sei aber "die erste Wahl zur Sanktionierung eines Verstoßes".

Außerdem empfiehlt Waldhoff, ein Kontrollkonto für verfassungswidrige Kredite anzulegen, das Abweichungen im Haushaltsvollzug sofort öffentlich macht. Daran sollten verbindliche Tilgungs- und Rückführungsverpflichtungen geknüpft werden. Eine automatische Haushaltssperre als Folge einer verfassungswidrigen Kreditaufnahme schließt der Wissenschaftler aber ebenso aus wie automatische Steuererhöhungen. Beides widerspreche dem Demokratieprinzip und der Budgethoheit des Parlaments.

FDP-Chef Christian Lindner bekräftigte im Westdeuschen Rundfunk seine Forderung, in der Landesverfassung Sanktionsmechanismen für Verstöße gegen die Schuldenbremse zu verankern. Auch die CDU unterstrich in einer Mitteilung: "Wir brauchen eine Schuldenbremse, die diese Landesregierung nicht durch selbstgeschaffene Schlupflöcher oder Ausweich-Tricks umgehen kann."

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Finanzhaushalt in NRW: Juristen empfehlen "Schuldenbremse" in der Landesverfassung . In: Legal Tribune Online, 09.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14890/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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