BVerfG zur Verfassungsbeschwerde von Birte Meier: Warum die ZDF-Redakteurin in Karls­ruhe schei­terte

19.07.2022

ZDF-Redakteurin Birte Meier war mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen Arbeitsgerichtsentscheidungen vor dem BVerfG erfolglos. Das BAG hatte nicht über einen Anspruch auf gleiche Bezahlung entschieden und nur einen Auskunftsanspruch zugesprochen.*

ZDF-Redakteurin Birte Maier scheiterte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) damit, denselben Lohn wie ihre männlichen Kollegen zu erstreiten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte ihre Verfassungsbeschwerde nun für unzulässig, wie es am Dienstag bekannt gab. Es bestehe vor den Fachgerichten die Möglichkeit, ausreichenden Rechtsschutz zu erlangen (Beschl. v. 01.06.2022, Az. 1 BvR 75/20).

Die für ihre Beiträge mit mehreren Filmpreisen ausgezeichnete Meier war Reporterin des ZDF-Magazins Frontal21. Bei einem Gespräch mit einem männlichen Kollegen erfuhr sie durch Zufall, dass sie deutlich weniger verdiente als er. Ihr Versuch, sich zunächst mit dem Sender intern gütlich zu einigen, scheiterte.

Die daraufhin erhobenen Klagen vor dem Arbeitsgericht (ArbG, Urt. v. 01.02.2017, Az. 56 Ca 5356/15) und dem Landesarbeitsgericht (LAG, Urt. v. 05.02.2019, Az. 16 Sa 983/18) Berlin blieben für die Journalistin ohne Erfolg. Sie hatte ursprünglich Entschädigung für die Diskriminierung sowie die Feststellung beantragt, dass sie keine arbeitnehmerähnliche Freie, sondern eine Angestellte sei.

Die beiden Vorinstanzen hatten keine strukturelle Diskriminierung erkennen können. Vor allem aber – und dagegen wendete sich Meier mit ihrer Revision – habe sie als feste Freie keinen Auskunftsanspruch gegen ihren Arbeitgeber nach dem Entgelttransparenz (EntgTranspG). Das ist aus Meiers Sicht der Knackpunkt des ganzen Rechtsstreits: Einen Anspruch auf offizielle Auskunft über die Kollegengehälter bräuchte sie nämlich, um überhaupt - dann in einem zweiten Schritt - einen Ausgleich für den geringeren Lohn erstreiten zu können.

Männliche Kollegen verdienten monatlich 800 Euro mehr

Die langjährige ZDF-Reporterin, die den Sender im Sommer 2022 verlässt, hatte schließlich im Juni 2020 einen wichtigen Teilerfolg erzielt. Das BAG entschied, dass sie auch als feste Freie Anspruch auf Auskunft nach dem EntgTranspG hat (Beschl. v. 25.06.2020, Az. 8 AZR 145/19).

Dieser Anspruch gilt seit 2018 für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern. Sie können erfragen, wie viel eine Gruppe von Kollegen in vergleichbarer Position im Mittel verdient. Die Journalistin erzwang mit ihrer Klage vom ZDF die Auskunft, dass männlichen Kollegen 2017 tatsächlich rund 800 Euro im Monat mehr verdienten. Dazu kamen ihr verwehrte Zulagen.

Im zweiten Schritt wollte Meier durchsetzen, dass sie auch mehr verdient und die Differenz nachträglich ausgezahlt bekommt. In diesem Punkt war die Revision gar nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das BAG als unzulässig und wies die dagegen gerichtete Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Dagegen richtete sich die Verfassungsbeschwerde.

Zahlungsanspruch "nicht offensichtlich aussichtslos"

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde allerdings nicht zur Entscheidung an, weil sie unzulässig sei. Die Journalistin habe nicht den Subsidiaritätsgrundsatz nach § 90 Abs. 2 S. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) beachtet, wonach eine Grundrechtsverletzung zunächst von den Fachgerichten zu beseitigen sei.  

Die 3. Kammer des Ersten Senats verwies darauf, dass mit den Auskünften über das Vergleichsentgelt nun ein Zahlungsanspruch geltend gemacht werden könne. Ein solcher Versuch bei den Arbeitsgerichten sei "jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos". Denn das BAG habe klargestellt, dass eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts vermutet werden könne, wenn das mitgeteilte Vergleichsentgelt die eigene Vergütung übersteige. Hieraus resultiere eine Beweislastumkehr zugunsten Meiers gegenüber dem ZDF, so das BVerfG.

Vortrag zu Art. 3 GG verfristet

Die Journalistin hatte darüber hinaus noch weitere Rechtsverletzungen gerügt, die das BVerfG allesamt verwarf. So habe das BAG das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) gewahrt, als es die Rechtsfrage nicht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt habe. Das musste es nämlich auch nicht, weil die Erfurter Richter nicht in der Sache entschieden habe, so die Kammer.

Verletzungen des Gleichberechtigungsrecht aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG habe Meier hingegen nicht innerhalb der Monatsfrist hinreichend substantiiert vorgetragen. Das hatte auch Auswirkungen auf das Argument, die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen seien nicht mit dem Grundrecht der Gleichheit von Frauen und Männern aus Art. 23 Abs. 1 Charta der Europäischen Union (GRCh) vereinbar. Zu zeigen wäre gewesen, dass eine Prüfung allein an deutschen Grundrechten (Art. 3 Abs. 2 und 3 GG) in diesem Bereich das europäische Grundrechtsniveau nicht wahren kann. Mithin also das Schutzniveau der europäischen Grundrechte stärker ausfällt. Hierzu hatte sich die Beschwerde auf Rechtsprechung des EuGH gestützt. Durch den verfristeten Vortrag zu Art. 3 GG machte das BVerfG dazu keine weiteren Ausführungen in der Sache.**

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Journalistin unterstützt, teilte mit, dass eine Zahlungsklage bereits am 1. Dezember am Berliner ArbG erhoben worden sei. Das BVerfG habe zu verstehen gegeben, dass es dies für erfolgversprechend halte. "Dies ist ein deutlicher Wink an die Arbeitsgerichte", sagt Prof. Nora Markard, Vorstandsmitglied der GFF.

mgö/LTO-Redaktion

* Anm. d. Red.: Hier hieß es zunächst nicht zutreffend, dass BAG habe entschieden, dass ihr nicht die gleiche Bezahlung zustehe, wie ihren männlichen Kollegen. Das hatte das BAG aber nicht entschieden. Geändert am 19.07.2022, 15.43 Uhr.

** Anm. d. Red.: Hier hieß es zunächst nicht zutreffend, auch der Vortrag zu dem Verstoß gegen Unionsgrundrechte sei verfristet, die Passage ist nun präzisiert am 19.07.2022, 16.17 Uhr.

Zitiervorschlag

BVerfG zur Verfassungsbeschwerde von Birte Meier: Warum die ZDF-Redakteurin in Karlsruhe scheiterte . In: Legal Tribune Online, 19.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49087/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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