BSG zu Streikverbot: Kein Streik­recht für nie­der­ge­las­sene Ärzte

30.11.2016

Vertragsärzte dürfen nicht streiken. Dabei wird es nach der Entscheidung des BSG am Mittwoch vorerst bleiben. Patientenschützer begrüßten das Urteil, der Kläger will womöglich vor das BVerfG ziehen.

Geklagt hatte ein niedergelassener Arzt aus Stuttgart, der im Herbst 2012 seine Praxis an zwei Tagen geschlossen hatte, um an einem Streik von Vertragsärzten teilzunehmen. Dabei hatte er eine Vertretung sowie eine ausreichende Notfallversorgung eingerichtet. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hatte ihm dennoch einen Verweis erteilt. Zurecht, entschied nun das Bundessozialgericht (BSG) (Urt. v. 30.11.2016, Az.: B 6 KA 38/15 R). 

Der Verweis war gegen den Kläger, der auch Vorsitzender des Ärztezusammenschlusses Medi-Verbund ist, sowie fünf Kollegen ergangen. Sie hatten mit dem Streik gegen die Honorarpolitik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung protestieren wollen.

Bereits das Sozialgericht (SG) Stuttgart hatte in erster Instanz die Klage des Allgemeinmediziners gegen den Verweis abgelehnt. Im Wege der Sprungrevision wurde die Sache dann den Richtern in Kassel vorgelegt. Diese entschieden nun, der Kläger habe seine vertragsarztrechtlichen Pflichten schuldhaft verletzt. Für Vertragsärzte bestehe eine "Präsenzpflicht", nach der sie während der angegebenen Sprechstunden für die Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen müssten.

Durchsetzung von Forderungen über Schiedsamt

Diese könne aufgrund von Krankheit oder Urlaub ausgesetzt werden, jedoch nicht für einen Warnstreik. Vertragsärzten stehe nämlich kein Streikrecht zu, stellte der 6. Senat in seinem Urteil klar. Die gesetzliche Konzeption des Vertragsarztrechts erlaube es nicht, dass Kassenärzte während der Sprechzeiten ihre Praxen für einen Streik schlössen. Die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen aus dem 5. Buch des Sozialgesetzbuches und der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte seien auch verfassungsgemäß.

Der Kläger hatte sich darauf berufen, dass Ärzte gegenüber anderen Berufsgruppen nicht schlechter gestellt werden dürften. Dem entgegnete der Senat, die Ärzte könnten stattdessen bei Streitigkeiten mit Krankenkassen oder der KV ein Schiedsamt anrufen und dessen Entscheidungen gerichtlich überprüfen lassen. Außerdem gebe es keinen Gegner, an den sie ihre Streikforderungen direkt adressieren könnten. Das Honorar der Ärzte basiert auf einer Vergütungsvereinbarung, welche die KV mit den Krankenkassen aushandelt und dann an sie weiterleitet.

Patientenschützer wie Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, begrüßten die Entscheidung des BSG. "Ärzte, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen dürfen ihre Streitigkeiten nicht auf dem Rücken der Patienten austragen. Die Versorgung der kranken Menschen muss immer vorgehen", so Brysch. Der Kläger wolle weitere juristische Schritte prüfen, erklärte unterdessen sein Anwalt.

mam/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BSG zu Streikverbot: Kein Streikrecht für niedergelassene Ärzte . In: Legal Tribune Online, 30.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21311/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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