BGH erklärt Strafrichter wegen Facebook-Profils für befangen: "Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA"

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Der BGH hat ein Urteil des LG Rostock aufgehoben. Der Vorsitzende Richter sei befangen gewesen. Auf seinem öffentlichen Facebook-Profil feierte er sich nicht nur als "schwedische Gardinen-Verkäufer".
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Strafurteil des Landgerichts (LG) Rostock aufgehoben, weil an dem Urteil ein befangener Richter mitgewirkt hat (Beschl. v. 12.01.2016, Az. 3 StR 482/15). Was auf den ersten Blick nicht besonders spannend klingt, wird in Anbetracht des Sachverhalts zur feinsten Justiz-Posse.
Der Beschluss liegt dem Strafrechtsblog Burhoff online vor. Das LG verurteilte im April 2015 zwei Angeklagte zu Freiheitsstrafen unter anderem wegen erpresserischen Menschenraubs. Der Verteidiger eines der Angeklagten fand den Vorsitzenden Richter im Februar 2015 mit seinem privaten, öffentlich zugänglichen Profil auf Facebook.
Dort war ein Bild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt mit der Aufschrift: "Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA". Auf derselben Seite war - man darf vermuten, im Informationsbereich als Angabe des Arbeitsplatzes - vermerkt: "2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock", in der Zeile darunter hieß es: "1996 bis heute". Und im Kommentarbereich befand sich der folgende Eintrag des Vorsitzenden: "Das ist mein 'Wenn du raus kommst, bin ich in Rente'-Blick". Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: "...sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))" kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende selbst, "geliked" wurde.
"Insgesamt mit der gebotenen Haltung eines Strafrichters nicht vereinbar"
Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages am LG lehnten die Angeklagten daraufhin den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer Umstände wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Richter sah das zunächst gelassen: "Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern." Die Strafkammer wies die Ablehnungsgesuche der beiden Männer dann als unbegründet zurück. Der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt.
Das sah der BGH anders und hob das Urteil des LG auf. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiere eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lasse, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig.
Die beschriebene Facebook-Seite enthalte auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betreffe deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Einen näheren Bezug speziell zu dem Strafverfahren der beiden Angeklagten hält der 3. Strafsenat nicht für nötig: Der Internetauftritt des Vorsitzenden Richters sei insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“
Der BGH hat das Verfahren nun an das LG Stralsund zurückverwiesen. Dies zeigt nicht nur nach Einschätzung von Burhoff online, selbst Strafrichter am OLG a.D., was der BGH "vom LG Rostock hält". Das Tüpfelchen auf dem i: Es ist schon die zweite Aufhebung einer Entscheidung des LG Rostock in diesem Verfahren. Der BGH lässt es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass ein langer Zeitablauf bei einer künftigen Strafzumessung zu berücksichtigen sein kann.
acr/pl/LTO-Redaktion
m.E. nach eine naive Verknüpfung des Humors eines Menschen (was hier nur deshalb keine Privatsache sei, weil der Richter hier seinen Beruf angibt, was für FB ja völlig untypisch zu sein scheint) und der Einstellung des Menschen zu seinem Beruf.
HobbyhobbitFinde die Entscheidung richtig. Es geht ja um die "Besorgnis der Befangenheit" - ob der Richter tatsächlich befangen war oder ist, spielt keine Rolle. Durch öffentliche Meinungen - wie hier geschehen - kann diese Besorgnis begründet sein. Ob die Aussagen humorvoll gemeint sind oder nicht, spielt m.E. keine Rolle.
Ausgehend von diesem Fall sehr ausführlich der Aufsatz von Marie Herberger, "Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA - Facebook als Gefahrenquelle für Richter" in Juris, Die Monatszeitschrift, 2017, 79 (Heft Februar 2017).
Erinnert mich an einen Erstsemestler (Anfang der 80er Jahre) eine Reihe hinter mir im Hörsaal, der bei den ersten Vorlesungen im Privatrecht vor sich hinmurmelte: "Interessiert doch keinen, verknacken will ich, verknacken."
amxDas eigentlich schlimme daran ist, dass man im Wege des Befangenheitsantrages Dinge wie charakterliche und fachliche Nichteignung nicht rügen kann.
ReibertHier wäre nicht (nur) das urteil aufzuheben gewesen, sondern solch ein Subjekt muss insgesamt aus dem Justizdienst entfernt werden.
Wieso? Auch ein Richter hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und ob dem Richter dienstrechtliche Konsequenzen drohen, hat nicht der BGH zu entscheiden.
Mal darüber nachgedacht, dass es sich lediglich um einen Richter handelt, dessen Arroganz wahrscheinlich sein Einschätzungsvermögen übersteigt.
OliUnd nun denkt darüber nach, dass es bei den meisten Richtern umgekehrt ist - DAS ist gefährlich
Das ist natürlich richtig!
Trotzdem wird missbrauchte Selbstherrlichkeit in der Justiz immer kritisch zu sehen sein - gerade weil sich die Justiz so schwer damit tut, Objektivität auch innerhalb der eigenen Reihen walten zu lassen.
Ja, selber Schuld wenn man sein Facebookprofil halt öffentlich macht.
Na dannAber, Urteil aufgehoben = neues Urteil nur aufgeschoben. Macht jetzt eben eine neue Kammer nochmal. Mal schauen, zu welchem Ergebnis die kommen.
mensch ! das ist doch ein toller Werbespot für die LBS ! den könnte der Richter doch vermarkten . . . !
Walther LiesowIch empfinde die Kommentare als humoristisch und nehme mal naiv an, dass man daraus keine Befangenheit ableiten kann.
SarahUnd wenn er Befangen war: Ein wenig Ungerechtigkeit für Menschenräuber halte ich karmatechnisch für Fair;)
Man man man, wat haben manche kollegen für ein glück. Und unsereiner googelt sich regelmässig einen wolf. Das leben ist so ungerecht!!!
Ixidas kanns' de aber laut sagen. bei Facebook kann man sowieso mit jedem blöden Kommentar rechnen
Siehe www.ozenski.de, da gibt's auch so einen richter, marvin yuen vom lg münster und seine Auffassung von Recht
Carsten von OzenskiHier. Du hast Deinen Alubut verloren. Nimm den wieder mit.
Krass, was für Leute unterwegs sind :-) musste laut lachen. Entbehrt nicht eines gewissen Unterhaltungswertes