Anklage zu Bremer BAMF-Außenstelle: "Mas­sen­hafter Asyl­miss­brauch nicht bestä­tigt"

von Tanja Podolski

19.09.2019

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben gegen zwei Rechtsanwälte und die Ex-Leiterin der BAMF-Außenstelle in Bremen. Vom großen Skandal bleiben 121 angeklagte Taten.

Die Staatsanwaltschaft (StA) Bremen hat gegen die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie zwei Rechtsanwälte Anklage erhoben. Die StA wirft ihnen die Begehung von insgesamt 121 Straftaten vor, begangen teils als Einzeltäter und teilweise in Mittäterschaft.

Es geht insbesondere um Straftaten nach dem Asylgesetz (AsylG) und dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG), konkret u.a. um § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Demnach macht sich strafbar, wer Falschangaben macht, um für einen anderen einen Aufenthaltsstatus zu erhalten. Auch die gewerbsmäßige Variante dieser Tat gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1a u. Nr. 2 AufenthG hat die Bremer Behörde angeklagt, ebenso wie die Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung gem. § 84 Abs. 1 AsylG, Abs. 2 S. 2 Nr. 2 sowie dessen Versuchstatbestand nach Abs. 4 AsylG.

Im Raum stehen außerdem Delikte aus dem Strafgesetzbuch (StGB) wie Urkundenfälschung, die Verletzung des Dienstgeheimnisses und die Fälschung beweiserheblicher Daten.

Mutmaßlich massive Missstände waren Anfang 2018 in der Bremer Außenstelle des BAMF bekannt geworden. Zunächst war von tausenden falsch beschiedener Asylbescheide die Rede. Die Leiterin der Außenstelle wurde suspendiert. Die Staatsanwaltschaft nahm in der Folge die Ermittlungen gegen die Frau sowie die zwei Rechtsanwälte aus Niedersachsen auf.

Kern sind Tatbestände aus dem Ausländerrecht

"Die Taten nach dem AsylG und AufenthG sind der Kernvorwurf", erklärte der Bremer Oberstaatsanwalt Frank Passade im Gespräch mit LTO. Es geht dabei insbesondere um so genannte Folgeanträge. Das sind Asylanträge, die erneut gestellt werden, nachdem ein vorheriger bereits zurückgenommen oder unanfechtbar abgelehnt wurde, § 71 Abs. 3 AsylG. Diese Anträge sind nur unter den engen Voraussetzungen des Wiederaufgreifens gem. § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zulässig, wenn u.a. eine neue Sach- oder Rechtslage oder neue Beweismöglichkeiten vorliegen.

Die Bremer Behörde soll über Asylfolgeanträge entschieden haben, obwohl sie etwa örtlich schon gar nicht zuständig war. Dann seien Tatsachen behauptet worden, wie die Teilnahme des Ausländers an einer systemkritischen Demonstration, die es nie gegeben habe. Die Angeschuldigten sollen dafür ein regelrechtes System geschaffen haben, um den Ausländern den Aufenthalt zu verschaffen, es habe bewusst falsche Angaben zur Staatsangehörigkeit, dem jeweiligen Herkunftsland oder aber auch zu den sog. Wiederaufgreifensgründen gegeben.

Viele der 121 angeklagten Taten seien tateinheitlich begangen worden. Das bedeutet, dass eine Handlung – etwa eine Falschangabe zum Herkunftsland – gleichzeitig mehrere Straftatbestände erfüllt, diese werden im Falle einer Verurteilung nur einmal geahndet. Den drei Angeschuldigten wird vorgeworfen, diverse Taten jeweils als Einzeltäter begangen zu haben, darüber hinaus soll die ehemalige BAMF-Leiterin mit je einem Anwalt gemeinsam agiert haben. Laut Staatsanwaltschaft geht es aber nicht um ein gemeinsames Handeln von allen drei Beschuldigten und auch die Anwälte sollen unabhängig voneinander agiert haben.

Nicht entscheidend ist bei den Tatvorwürfen, ob die Asylbescheide durch die etwaigen Manipulationen erst richtig geworden sind. "Der Straftatbestand der Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung gem. § 84 AsylG ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt", sagt Oberstaatsanwalt Passade. Es gehe also nur darum, ob die Entscheidungen auf einem rechtsstaatlichen Verfahren beruhen, nicht um die Richtigkeit des Ergebnisses.

"Diese Auslegung kann es nicht treffen", meint ein Asylrechtler hingegen. Die Norm sei sicherlich nicht als abstraktes Gefährdungsdelikt gedacht gewesen und würde bei einer solchen Interpretation die Entscheider vor erhebliche Probleme stellen, vernünftige Absprachen mit Verfahrensbeteiligten zu treffen.

"Wir haben Klarheit geschaffen"

Als die möglichen Unregelmäßigkeiten in der BAMF-Außenstelle bekannt wurden, standen zunächst tausende unrechtmäßig erteilte Asylbescheide im Raum.

"Angeblich ging es um 18.000 zu überprüfende Vorgänge. Das war ein ungeheurer Vorwurf, den wir aufklären sollten", resümiert Passade. Bei beiden Rechtsanwälten hatte es Durchsuchungen gegeben, bei einem der Anwälte sind ca. 1.500 Mandantenakten überprüft worden. Über ein Jahr lang arbeitete ein für dieses Verfahren komplett freigestellter StA zusammen mit der Ermittlungsgruppe bestehend aus Kriminalpolizei Bremen, der Bundespolizei, der Polizei Niedersachsen und des Bundeskriminalamtes sowie Mitarbeitern des BAMF. "Das Ergebnis ist, dass sich der ursprüngliche Verdacht des massenhaften Asylmissbrauches nicht bestätigt hat", sagt Passade. "Gleichwohl haben wir strafrechtlich relevantes Fehlverhalten festgestellt und dieses angeklagt."

Das Landgericht Bremen muss die Anklage nun zulassen, bevor es zu einer Verhandlung oder in der Folge zu einer Verurteilung kommen kann. Der Anwalt einer der angeschuldigten Anwälte sagt allerdings: "Die gesamte Anklage ist, soweit es meinen Mandanten betrifft, unzutreffend."

Zitiervorschlag

Anklage zu Bremer BAMF-Außenstelle: "Massenhafter Asylmissbrauch nicht bestätigt" . In: Legal Tribune Online, 19.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37731/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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