Von der Großkanzlei zum Computerspiele-Unternehmen: "Ich kann hier mehr mitgestalten"

Interview von Dr. Anja Hall

16.12.2014

Rainer Altfuldisch war Partner im Berliner Büro einer internationalen Großkanzlei. Dann bekam er das Angebot, für das Computerspiele-Unternehmen Goodgame Studios eine Rechtsabteilung aufzubauen. Im LTO-Interview spricht er über diesen ungewöhnlichen Wechsel, die Pläne für die Rechtsabteilung und die Frage, ob seine Mitarbeiter auch Computerspiele zocken.

LTO: Sie waren Corporate-Partner bei K&L Gates in Berlin und sind Mitte September als General Counsel zu dem Online-Spiele-Entwickler Goodgame Studios nach Hamburg gewechselt. Hatten sie zuvor etwas mit der Computerspiele-Branche zu tun?

Altfuldisch: Ich hatte beruflich zwar BeDr. Rainer Altfuldischrührungspunkte zur Online-Branche und zur Berliner Start-up-Szene, Gaming ist aber noch mal ein sehr spezieller Bereich. Als mir ein Headhunter das Angebot machte, General Counsel bei einem Spiele-Entwickler zu werden, war ich zuerst ziemlich skeptisch. Gaming klingt immer so leichtfüßig. Das ist es aber gar nicht, das habe ich schnell gelernt. Die Branche hat ein hohes wirtschaftliches Gewicht und überholt die Umsatzzahlen von Filmen und Musik regelmäßig.

LTO: Eine ihrer Aufgaben ist es, eine Rechtsabteilung aufzubauen. Hat sich denn bislang in der Firma niemand um Rechtsfragen gekümmert?

Altfuldisch: Doch, in der Start-up-Phase hat das Management die rechtlichen Themen noch selbst übernommen. Der Chief Executive Officer Dr. Kai Wawrzinek ist promovierter Jurist, und auch der Chief Financial Officer hat eine Nähe zu rechtlichen Themen, zudem gab es gute externe Berater. Die Firma ist aber rasant gewachsen, derzeit haben wir schon über 1.100 Mitarbeiter. Damit hat sie eine Größe erreicht, bei der es notwendig ist, sich zu fokussieren und zu spezialisieren. Das Management wollte die rechtlichen Themen deshalb an einen berufserfahrenen Juristen übergeben.

Frauenanteil liegt bei über 30 Prozent

LTO: Wie groß soll die Rechtsabteilung einmal werden?

Altfuldisch: Derzeit sind wir zu dritt, und wir suchen zwei weitere Juristen. Wenn das Unternehmen in Zukunft weiter wächst, liegt es nahe, dass auch die Rechtsabteilung weitere Verstärkung benötigt.

LTO: Muss man als Bewerber auch Computerspiele mögen?

Altfuldisch: Es gibt viele Mitarbeiter, die unsere Titel - zum Beispiel "Empire: Four Kingdoms" - spielen, aber wichtig ist vor allem: Der Bewerber muss eine Affinität für Technologie und die digitale Wirtschaft haben, und er muss die Produkte sowie das Geschäftsmodell verstehen.

LTO: Insgesamt klingt das nach einer sehr männerdominierten Branche…

Altfuldisch: Das hatte ich auch befürchtet, bevor ich ins Unternehmen gekommen bin. Dann war ich aber überrascht, dass hier sehr viele Frauen arbeiten. Bei Goodgame Studios liegt die Frauenquote bei über 30 Prozent, in manchen Bereichen sogar deutlich über 50 oder 60 Prozent.

"Ich kenne alle Tricks"

LTO: Welche Rechtsbereiche will die neue Abteilung künftig selbst betreuen, und was werden Sie an externe Kanzleien vergeben?

Altfuldisch: Es gibt noch keine feste Regelung, aber generell wollen wir den operativen Teil abdecken und Dinge mit hoher Wiederkehr selbst übernehmen. Dazu gehören etwa Verträge, wie Vertriebs- oder Lizenzverträge, aber auch AGB, Daten- und Verbraucherschutz-Themen, außerdem natürlich Marken- und Urheberrecht. Extern vergeben wir eher Sonderbereiche, mit denen wir selten Berührung haben und wo uns auch das nötige Spezialwissen fehlt. Hier brauchen wir die externen Berater, um die Qualität sicherzustellen.

LTO: Sie haben Kanzlei-Erfahrung und sind jetzt in der Position, Aufträge an Externe zu vergeben. Worauf achten Sie besonders?

Altfuldisch: Ich kenne alle Tricks, insofern herrscht Waffengleichheit! (lacht) Aber im Ernst: Eine Zusammenarbeit muss für beide Seiten - für die Kanzlei und das Unternehmen - gleichermaßen gut funktionieren und soll deswegen fair ausgestaltet sein. Wir haben einige Kanzleien im Fokus, mit denen das Unternehmen schon zusammengearbeitet hat. Hinzu kommen durch meine Kontakte neue Berater, etwa für Spezialbereiche. Ein starres Panel haben wir aber nicht.

Die Rechtsabteilung als Impulsgeber

LTO: Worin unterscheidet sich die Arbeit, die Sie jetzt machen, von der Tätigkeit in einer Kanzlei?

Altfuldisch: Als Anwalt sieht man nur einen bestimmten Abschnitt eines Projekts. Man liefert ein Ergebnis ab und weiß oft gar nicht so richtig, was der Mandant daraus macht. Hier habe ich mehr Innensicht. Ich bin von der ersten Idee an dabei, im Idealfall sind wir sogar der Impulsgeber. Wir arbeiten allerdings auch nicht in einer klassischen Inhouse-Struktur, wo die Rechtsabteilung oft erst dann eingeschaltet wird, wenn es um Vertragsentwürfe geht. Ich tausche mich beinahe täglich mit dem Chief Strategy Officer aus, und natürlich auch regelmäßig mit dem übrigen Management.

LTO: Sie sind erst vor gut anderthalb Jahren Partner bei K&L Gates geworden werden, waren also auf der Karriereleiter ganz oben angekommen, als Sie ins Unternehmen gewechselt sind. Was war ausschlaggebend?

Altfuldisch: Ich habe den Wechsel nicht gesucht und war am Anfang auch etwas verhalten, weil ich Vorbehalte gegenüber der Gaming-Branche hatte. Die haben sich aber nicht bestätigt, die Firma bietet eine einzigartige Mischung aus Start-up-Flair, internationalem Arbeiten und der Chance, einen unheimlichen Wachstumskurs mitzuerleben. Ich kann hier mehr Unternehmergeist einbringen und mehr mitgestalten als es in einer Kanzlei möglich ist. Insofern war es aus heutiger Sicht für mich die richtige Entscheidung. Ich denke, die Gelegenheit muss sich bieten und es muss passen. Ob man dann den Wechsel wagt, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Goodgame Studios wurde 2009 gegründet und ist heute mit rund 1.100 Mitarbeitern nach eigenen Angaben der größte deutsche Entwickler von Spielesoftware. Der wohl bekannteste Titel des Unternehmens ist "Empire: Four Kingdoms", insgesamt gibt es mehr als zehn Spiele mit über 230 Millionen registrierten Nutzern. Der Umsatz von Goodgame Studios lag im Geschäftsjahr 2013 bei mehr als 102 Millionen Euro.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Von der Großkanzlei zum Computerspiele-Unternehmen: "Ich kann hier mehr mitgestalten" . In: Legal Tribune Online, 16.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14115/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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