Austausch von Steuerdaten mit der Türkei: Ein Steu­er­pa­ra­dies weniger?

Gastbeitrag von Dr. Heiko Hoffmann und Günter Graeber

28.07.2021

Erstmals wird die Türkei Steuerdaten nach Deutschland liefern. Wenn Betroffene ihre Einkünfte hier nicht korrekt versteuert haben, drohen Nachzahlungen und Strafverfahren, erklären Heiko Hoffmann und Günter Graeber.

Nach einem Erlass von Staatspräsident Erdogan wird die Türkei bis zum 30. September 2021 Steuerdaten nach Deutschland liefern. Wurden die mitgeteilten Einkünfte nicht korrekt in Deutschland versteuert, können Steuernachforderungen und der Vorwurf einer Steuerhinterziehung im Raum stehen. 

Seit 2014 haben zahlreiche Staaten unter anderem zur Bekämpfung von Steuerausfällen und von Steuerhinterziehung in einem mehrseitigen Abkommen vereinbart, Informationen zu Finanzkonten elektronisch und automatisiert untereinander auszutauschen. Diesem mehrseitigen Abkommen von zunächst 51 Unterzeichnerstaaten über den automatischen Informationsaustausch ("AIA") schlossen sich schrittweise bis Anfang 2021 109 Staaten an. Die Türkei trat am 21. April 2017 bei.  

In einer sogenannten "Staatenaustauschliste" des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) gibt Deutschland jedes Jahr bekannt, mit welchen Staaten es Finanzdaten austauscht. Im Jahr 2020 waren das 104 der 109 Vertragsstaaten. 

Automatische Meldung von Steuerdaten an Vertragsstaaten 

Das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz in Verbindung mit der Staatenaustauschliste verpflichtet Banken und Versicherungen dazu, Informationen über Konten und Depots in einem einheitlichen Format, dem sogenannten Common Reporting Standard ("CRS"), an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu melden. Die Finanzinstitute müssen unter anderem Daten wie den Namen des Kontoinhabers, die Steuernummer, die Bank und die Kontonummer, Kontensalden sowie Zinsen und Dividenden herausgeben. 

Das BZSt meldet die Daten dann automatisch und elektronisch an die am Austausch teilnehmenden Vertragspartner. Eine direkte Meldung deutscher Finanzinstitute an ausländische Behörden erfolgt nicht. Umgekehrt melden die Vertragspartner, zum Beispiel die Türkei, entsprechend an die Bundesrepublik, damit die Finanzbehörden die ordnungsgemäße Versteuerung dieser Einkünfte in Deutschland prüfen können. 

Grundsätzlich erfolgt der Informationsaustausch zwischen den Staaten bis zum 30. September des jeweiligen Folgejahres. Die Steuerdaten für das Jahr 2020 werden demnach bis zum 30. September 2021 ausgetauscht. 

Erstmals liefert die Türkei Steuerdaten nach Deutschland 

Die Staatenaustauschliste des Jahres 2020 des BMF nannte erstmals die Türkei, was auf eine Lieferung von Steuerdaten aus der Türkei hindeutete. Kurze Zeit später, im August 2020, veröffentlichte das türkische Finanzministerium auf seiner Homepage ein "Informationshandbuch" zum AIA und nannte darin die Staaten, an die die Türkei Daten übermittelt. Ausdrücklich ausgenommen war hier allerdings neben anderen Ländern Deutschland. 

Dies hat sich nun geändert. Auf Grundlage des Präsidialerlasses Nr. 4025 vom 31. Mai 2021 wurde das oben genannte Informationshandbuch aktualisiert. Bis zum 30. September 2021 liefert die Türkei Steuerdaten nunmehr auch nach Deutschland. Diese Daten werden nicht nur bei türkischen Banken und Versicherungen, sondern auch bei in der Türkei befindlichen Niederlassungen ausländischer Finanzinstitute erhoben und automatisch ausgetauscht.  

Die "Schonfrist" für in Deutschland ansässige Personen mit Konten in der Türkei läuft daher nun aus.

Türkei liefert Steuerdaten bei Hauptwohnsitz des Kunden in Deutschland 

Ein türkisches Finanzinstitut klärt im Vorfeld der Meldung unter anderem folgende Fragen ab: Welcher Kunde ist betroffen? Wo ist er hautsächlich ansässig? Welche Daten sind zu melden?

Aus türkischer Sicht zählen zu den Kunden nicht nur natürliche Personen mit eigenem Konto, sondern auch in Deutschland ansässige natürliche Personen, die Gesellschafter einiger Körperschaften mit Konten sind.

Nicht die Staatsangehörigkeit bestimmt, ob die Türkei Steuerdaten liefert, sondern die sogenannte Ansässigkeit, die sich zunächst nach dem Wohnsitz richtet. Finanzinstitute können auch Daten von türkischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern nach Deutschland übermitteln, selbst wenn diese in der Türkei eine zusätzliche Adresse angegeben haben. Entscheidend ist, ob der Kunde seinen Hauptwohnsitz in Deutschland hat. Für vor dem 1. Juli 2017 eröffnete Konten kommt es für die Ansässigkeit auf die bei Kontoeröffnung angegebene Adresse an.

Befinden sich in den Unterlagen der Bank dagegen Hinweise auf einen anderen Wohnsitz, kann die Bank den Kunden oder die Kundin auffordern, eine Erklärung über den Wohnsitz abzugeben und dies mit geeigneten Dokumenten glaubhaft zu machen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn zur Kontaktaufnahme oder für das mobile Banking eine ausländische Telefonnummer hinterlegt ist.

Meldepflichtige Informationen an die jeweiligen Steuerbehörden 

Bei ab Juli 2017 eröffneten Konten muss die Bank bei Kontoeröffnung eine Erklärung des Kunden zur Ansässigkeit einholen und einige Daten zum Steuerstatus erheben. Steht diese Erklärung zum Hauptwohnsitz "Türkei" nicht im Widerspruch zu den erhobenen Daten, müssen die Steuerdaten nicht gemeldet werden. 

Türkische Finanzinstitute sind demnach verpflichtet, den türkischen Steuerbehörden Informationen zu Konten von natürlichen Personen zu melden. Meldepflichtig sind etwa Kontosalden und Erträge wie Zinsen, Dividenden, Veräußerungsgewinne sowie Auszahlungen aus Kapital-(lebens-)versicherungen und Rentenverträgen.  

Informationen über die Quelle des Kontoguthabens, zum Beispiel über Einzahlungen, Renten oder Mieteinnahmen, müssen die Banken dagegen nicht erheben.  

Ebenso sind türkische Finanzinstitute unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, obige Steuerdaten in Bezug auf von Kunden beherrschte Unternehmen an die Staaten zu melden, in denen deren Gesellschafter ansässig sind. Dies betrifft etwa türkische Unternehmen, die überwiegend keine aktive wirtschaftliche Tätigkeit wie zum Beispiel Produktion oder Handel ausüben oder im Ausland ansässige Unternehmen mit Konten in der Türkei. 

Prüfung der Steuerdaten in Deutschland 

Nach Meldung der Steuerdaten nach Deutschland prüfen die deutschen Finanzbehörden im ersten Schritt, ob diese Steuerdaten richtig und vollständig in den jeweiligen jährlichen Einkommensteuerklärungen erklärt wurden. Entdeckt das Finanzamt Unstimmigkeiten, kann es Steuernachzahlungen nebst Zinsen festsetzen. 

Außerdem steht der Vorwurf einer Steuerhinterziehung im Raum. Diese kann mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden.  

In einem zweiten Schritt prüft das Finanzamt, welche Schlüsse die gemeldeten Daten noch zulassen. Auch wenn die Meldungen erst Erträge und Kontensalden ab 2019 umfassen, lassen die Steuerdaten auch Rückschlüsse auf entsprechende Kontenbestände und Einkünfte aus Vorjahren zu. Im Zweifel kann das Finanzamt Einkünfte aus den Vorjahren schätzen.  

Wegen des Kontostandes oder der Höhe des Vermögens in der Türkei drängen sich dem Finanzamt möglicherweise auch Fragen zur Herkunft der Finanzmittel auf: Reichen die versteuerten Einkünfte aus, um das gemeldete Vermögen zu erwirtschaften? 

Auch Erben können sich strafbar machen 

Ein besonderes Augenmerk ist hierbei auch auf das Thema "Schenken und Vererben" zu legen. Wer steuerlich nicht deklariertes Vermögen verschenkt oder vererbt, hinterlässt seinen Kindern ein schweres, da steuerlich kontaminiertes Erbe.

Wer ein solches Erbe antritt und steuerliche Verfehlungen des Erblassers fortführt, macht sich selbst strafbar. Die Grenze zum schweren Fall einer Steuerhinterziehung ist in diesen Fällen schnell erreicht.

Das Risiko, dass eine Steuerhinterziehung entdeckt wird, besteht immer. Auch vor dem automatischen Informationsaustausch wurden Steuerhinterziehungen entdeckt aufgeklärt und bestraft. 

Nachdem nunmehr auch die Türkei automatisch Steuerdaten mit Deutschland austauscht, "tickt die Uhr". Für Betroffene bleibt die Möglichkeit einer rechtzeitigen strafbefreienden Selbstanzeige vor dem Informationsaustausch. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass die Steuerstraftat noch nicht entdeckt ist. Nach der Meldung aus der Türkei ist es dafür möglicherweise zu spät.

Dr. Heiko Hoffmann, Partner, leitet bei KPMG Law den Bereich Steuerstrafrecht. Günter Graeber ist Senior Manager bei KPMG Law. Beide unterstützen Mandanten sowohl bei der Vermeidung steuerstrafrechtlicher Risiken als auch in der Abwehrberatung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Austausch von Steuerdaten mit der Türkei: Ein Steuerparadies weniger? . In: Legal Tribune Online, 28.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45581/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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