Abtretung von Ansprüchen an finanzierende Bank: BGH sieht Kre­dit­klausel bei Mer­cedes-Kauf kri­tisch

13.03.2023

Der Käufer eines Diesel-PKW verlangt Schadensersatz wegen angeblich unzulässiger Abgastechnik. Der Finanzierungsvertrag sieht eine Abtretung derartiger Forderungen an den Darlehensgeber vor. Der BGH soll die Klagebefugnis klären.

Haben Fahrzeugkäufer mit dem Abschluss ihres Autokredits auf sämtliche Schadensersatz-Forderungen verzichtet? Eine Klausel der Mercedes-Benz Bank legt dies nahe, der Bundesgerichtshof (BGH) spielt aber wohl nicht mit: In der Verhandlung eines Musterfalls äußerte sich das Gericht dazu sehr kritisch. Die Vorsitzende Richterin Eva Menges sagte am Montag in Karlsruhe, ihr Senat halte die Klausel nach ersten Beratungen tendenziell für unwirksam, weil sie die Verbraucher unangemessen benachteilige. Das Urteil soll am 24. April verkündet werden (Az. VIa ZR 1517/22).

Der Kläger hatte sich 2019 für mehr als 55.000 Euro einen neuen Mercedes GLC 250 gekauft. Die Finanzierung ist bei der hauseigenen Mercedes-Benz Bank angesiedelt. Im unterzeichneten Vertrag steht, dass der Darlehensnehmer als Sicherheit unter anderem auch gegenwärtige und zukünftige Ansprüche gegen Daimler an die Bank abtritt - "gleich aus welchem Rechtsgrund". Nach den Angaben des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart, das zuletzt mit dem Fall zu tun hatte, findet sich diese Klausel "regelmäßig" in den Darlehensbedingungen der Bank. Eine Sprecherin von Mercedes-Benz wollte sich dazu nicht äußern.

Vorinstanz sieht wirksame Abtretung

Der Mann verlangte später Schadensersatz von der Mercedes-Benz Group, wie Daimler inzwischen heißt. Er behauptet, sein Auto sei mit verschiedenen unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet und stoße beim Fahren mehr giftige Abgase aus als erlaubt. Vor Gericht ging es bisher in erster Linie darum, ob der Mann Mercedes-Benz überhaupt noch verklagen kann. Nach Auffassung des OLG hat er solche Ansprüche wirksam an die Bank abgetreten (Urt. v. 28.09.2022, Az. 23 U 2239/21).

Zuvor hatte bereits das Landgericht Stuttgart die Klage abgewiesen (Urt. v. 28.09.2022, Az. 23 U 2239/21). Der BGH dürfte das nun anders sehen. Sollte das Gericht das Urteil aus Stuttgart aufheben, müsste das OLG im nächsten Schritt inhaltlich prüfen, ob die Voraussetzungen für eine mögliche Haftung vorliegen.

Der Mann hatte unter anderem wegen des sogenannten Thermofensters in seinem Diesel geklagt. Die Technik, die auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wurde, kommt bei der Abgasreinigung ins Spiel. Damit die Fahrzeuge weniger giftige Stickoxide ausstoßen, wird ein Teil der Abgase direkt im Motor verbrannt. Herrschen draußen kühlere Temperaturen, wird dieser Mechanismus automatisch gedrosselt. Die Hersteller sagen, das sei notwendig, um den Motor zu schützen.

Bisher hatten Diesel-Käufer mit Thermofenster-Klagen eher schlechte Karten. Der BGH hat mehrmals entschieden (vgl. Urt. v. 16.09.2021, Az. VII ZR 190/20 u.a.), dass Daimler nur wegen Verwendung der Technik nicht gleich Betrugsabsichten unterstellt werden könnten. Zu anderen Komponenten der Abgastechnik bei Mercedes-Benz gibt es noch keine höchstrichterliche Entscheidung. Hierzu läuft auch eine Musterklage der Verbraucherzentralen.

Auch der EuGH befasst sich mit der Sache

Mit Spannung wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am 21. März erwartet, bei dem es ebenfalls um ein Thermofenster in einem Diesel von Mercedes geht (Az. C-100/21). Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts ist es denkbar, dass die Luxemburger Richter anders als der BGH eine Haftung des Herstellers schon bei einfacher Fahrlässigkeit annehmen. Das würde die Hürden für Schadenersatz-Klagen deutlich senken. In Deutschland liegen deshalb in allen Instanzen im Moment viele Diesel-Verfahren auf Eis.

Das BGH-Urteil zu den Autokrediten dürfte ausschließlich Mercedes-Benz betreffen. Die Berliner Kanzlei Goldenstein Rechtsanwälte, die im Dieselskandal sehr aktiv ist, teilte mit, sie habe in diesem Zusammenhang Tausende Finanzierungsverträge von Autobanken geprüft. "Die Dreistigkeit, durch AGB-Klauseln Schadensersatzklagen gegen den jeweiligen Mutterkonzern abzuwehren, hat unseres Wissens nach nur die Mercedes-Benz Bank besessen."

sts/LTO-Redaktion

Mit dpa-Material

Zitiervorschlag

Abtretung von Ansprüchen an finanzierende Bank: BGH sieht Kreditklausel bei Mercedes-Kauf kritisch . In: Legal Tribune Online, 13.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51299/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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