Strengere Promillegrenze für Radfahrer: Ein Volk von Alkoholliebhabern

von Prof. Dr. Dieter Müller

22.05.2013

Alkohol und Fahren vertragen sich nicht. Das gilt für Auto- wie für Radfahrer. Die Innenminister wollen daher vorschlagen, dass der  Promillewert von 1,6 für Fahrradfahrer gesenkt wird. Auf ihrem Frühjahrstreffen wollen sie das ihren Kollegen aus den Ressorts Verkehr und Justiz nahelegen. Dabei sollten sie gleich für eine gesetzlich fixierte Promillegrenze eintreten, meint Dieter Müller.

Wer über ein gewisses Maß hinaus Alkohol trinkt und danach Auto fährt, weiß, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne ist und nimmt dies bei seiner Fahrt in Kauf. Erst ab einem Wert von 0,5 Promille handelt er dabei jedoch ordnungswidrig. Zum Straftäter wird er erst, wenn er ab 0,3 Promille Ausfallerscheinungen an den Tag legt – also etwa Schlangenlinien fährt. In jedem Fall strafbar ist Autofahren ab 1,1 Promille.

Der erst genannte Wert steht im Gesetz, die beiden anderen werden von den Gerichten vorgegeben. Der Staat und damit die Gesellschaft tolerieren also Alkohol am Steuer bis zu bestimmten Grenzen.

Verkehrspolitiker messen mit zweierlei Maß

Für Radfahrer existiert derzeit kein gesetzlicher Promillewert. Ab 1,6 Promille verurteilen die Gerichte Radfahrer jedoch wegen einer Trunkenheitsfahrt. Das ist genau der Wert, ab dem Auto- und Radfahrer einen "Idiotentest", also eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), erfolgreich bestehen müssen, um ihren Führerschein zu behalten (Radfahrer) oder wiedererlangen zu können (Autofahrer). Damit soll ihre Fahreignung überprüft werden. Für diesen Zweck sind die 1, 6 Promille gesetzlich in der Fahrerlaubnis-Verordnung fixiert.

Der Wert von 1,1 Promille wurde schon im Jahr 1990 vom Bundesgerichtshof als ein Wert festgelegt, ab dem kein Autofahrer mehr dazu in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen. Da wäre es nur konsequent, wenn auch Radfahrer diesen Wert beachten müssten. Denn ein alkoholisierter Radfahrer gefährdet in einem solchen Zustand durch seine unkontrollierte Fahrweise nicht nur sich, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer.

Noch konsequenter und für alle Bürger nachvollziehbarer wäre es, wenn dieser Wert auch für die MPU relevant wäre. Warum die Verkehrspolitiker da immer noch mit zweierlei Maß messen, ist schlicht unverständlich.

Gesetzgeber sollte Radfahren unter Drogeneinfluss verbieten

Was in der gesamten Diskussion vollkommen vernachlässigt wird, ist das berauschte Fahrradfahren unter dem Einfluss illegaler Drogen. Man glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass ein Kiffer nach dem Rauchen seiner Tüte brav zu Fuß nach Hause geht. Nein, er nutzt wie die immer noch weiter ansteigenden Zahlen belegen sein Auto, aber auch sein Fahrrad, was allerdings in keiner Statistik auftaucht, weil es keine dem 0,5-Promillewert vergleichbare Grenze für Radfahrer gibt.

Das bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als dass der Staat es toleriert, wenn ein Kiffer Fahrrad fährt. Die Polizei hat keine rechtliche Handhabe, von ihm einen Drogentest verlangen zu können. Nur bei äußerlich erkennbaren Anzeichen darf ein Radfahrer zur Blutprobe gebeten werden.

Bei von Cannabisrauch rot angelaufenen Augen gilt das noch nicht. Auch das Radfahren unter der Wirkung von Drogen könnte durch einen Federstrich des Gesetzgebers verboten werden wie es bei Autofahrern schon seit vielen Jahren der Fall ist.

Hinter der gesamten Thematik steht ein gesellschaftliches Problem der Toleranz von Alkohol und so genannten "weichen Drogen". Solange Gesetzgeber und Gerichte bestimmte Promillegrenzen  tolerieren, wird es immer Diskussionen um die Richtigkeit dieser Werte geben. Selbst die konsequente Einführung einer Null-Promille-Grenze würde die Diskussion nicht beenden, weil wir, gemessen am Pro-Kopf-Konsum, ein Volk von Alkoholliebhabern sind und gar nicht genügend Polizisten auf der Straße haben, um die Verkehrsteilnehmer auch nur annähernd konsequent kontrollieren zu können.

In vielen deutschen Städten werden Polizeibeamte erst nach Verkehrsunfällen auf alkoholisierte oder berauschte Fahrer aufmerksam, weil sie gar keine Zeit mehr für vorbeugende Kontrollen haben. Wenn die Innenminister also eine niedrigere Promillegrenze für Radfahrer beschließen, müssen sie diese in ein Gesetz schreiben, damit sie für die Gerichte verbindlich ist. Aber sie müssen auch für genügend Kontrollpersonal sorgen, damit diese neue Promillegrenze nicht nur eine blumige Worthülse in der Schlagzeile einer Titelseite bleibt.

Der Autor Prof. Dr. Dieter Müller ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen und Autor zahlreicher Publikationen zum Verkehrsrecht.

Zitiervorschlag

Dieter Müller, Strengere Promillegrenze für Radfahrer: Ein Volk von Alkoholliebhabern . In: Legal Tribune Online, 22.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8776/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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