Wichtige Bundesratbeschlüsse: Mehr Rente, mehr Video­kon­fe­renz in Gerichts­ver­fahren, mehr Geld für die Bahn­sa­nie­rung

14.06.2024

Der Bundesrat gibt grünes Licht für mehrere Vorhaben der Bundesregierung, zu denen im Vermittlungsausschuss erst Kompromisse gesucht werden mussten. Mit dabei: Videoverhandlung im Zivilprozess, Rente und Cannabis.

Rentenerhöhung, Geld für die Bahn und Nachbesserungen beim Cannabisgesetz: Der Bundesrat hat unter mehrere Vorhaben seinen Haken gesetzt. Zu weiteren Beratungen in den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde bei der Sitzung am Freitag ein von acht Ländern eingebrachter Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung bei Organspenden. Die Vertreterinnen und Vertreter der Länder beschäftigten sich auch mit Cannabis und Lachgas. Die wichtigsten Beschlüsse vom Freitag im Überblick:

Mehr Rente

Die Renten steigen zum 1. Juli um 4,57 Prozent. Erstmals fällt die Erhöhung für die mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Ost und West gleich aus. Eine Rente von 1.000 Euro steigt damit um 45,70 Euro. Im Herbst waren die offiziellen Schätzer noch von einem Plus von nur rund 3,5 Prozent ausgegangen. Hauptgründe für die stärkere Erhöhung sind der stabile Arbeitsmarkt und gute Lohnabschlüsse.

Nachbesserungen bei Cannabis

Für den künftig erlaubten Anbau von Cannabis in Vereinen kommen strengere Regeln. Der Bundesrat ließ Änderungen des erst seit kurzem geltenden Legalisierungsgesetzes passieren, die der Bund den Ländern zugesagt hatte. Sie zielen darauf ab, dass die ab 1. Juli möglichen Anbauvereine nicht zu großen Plantagen werden, wie einige Bundesländer befürchten. Unter anderem können Genehmigungen verwehrt werden, wenn Anbauflächen in einem "baulichen Verbund" oder unmittelbarer Nähe mit denen anderer Vereine stehen. Flexibler als ursprünglich vorgesehen sind Kontrollen der Vereine zu handhaben. Generell sind Kiffen und privater Cannabis-Anbau für Volljährige seit dem 1. April unter zahlreichen Vorgaben legal.

Mehr Möglichkeiten für Video-Verhandlung

In Gerichtsverfahren soll künftig häufiger Videokonferenztechnik zum Einsatz kommen. Bereits heute können mündliche Verhandlungen per Videokonferenz durchgeführt werden, jedenfalls an Zivilgerichten und Fachgerichten wie Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichten.

Der ursprüngliche Entwurf der Ampel-Koalition sah noch weitreichendere Regelungen vor. Die Länderkammer, die das Vorhaben in den Vermittlungsausschuss schickte, drängte hier jedoch auf Änderungen. Es sei gut, dass auch in Zukunft kein Richter vom heimischen Sofa aus urteilen könne, sagte Baden-Württembergs Justizministerin, Marion Gentges (CDU). "Vielfach fehlt es noch an ausreichender Technik für Video-Verhandlungen, auch veraltete Software, überlastete Datennetze und fehlender IT-Support bremsen die Entwicklung", sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn. Hier sei mehr finanzielles Engagement auch des Bundes vonnöten.

"Hier ist es zu begrüßen, dass die Parteien weiterhin darüber entscheiden können, ob sie eine virtuelle Teilnahme wollen oder nicht", so Elisabeth Weber, Rechtsanwältin und Partnerin bei Freshfields. Es ist laut Weber sicherlich positiv, dass man an auch virtuell an Urteilsverkündungen teilnehmen kann. Allerdings gebe es auch zahlreiche Verfahren, in denen eine Verhandlung per Bild- und Tonübertragung schlicht ungeeignet ist. "Insgesamt ist der verstärkte Einsatz von Videokonferenztechnik ein weiterer Schritt hin zu einer stärkeren Digitalisierung der Justiz."

Bundesregierung soll sich um Lachgas kümmern

In einer weiteren Entschließung forderte die Länderkammer die Bundesregierung auf, den Verkauf von Lachgas, insbesondere an Kinder und Jugendliche, so einzuschränken, dass damit Missbrauch verhindert wird. Die zunehmende Verwendung als Partydroge mache eine solche Regelung notwendig. Der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) verwies auf teils schwere und langfristige gesundheitliche Folgen.

Einschränkungen für Laien als Verteidiger vor

Auf Initiative Bayerns beschloss der Bundesrat, einen Gesetzentwurf zur Laienverteidigung bei Strafprozessen in den Bundestag einzubringen. Mit Erlaubnis des Gerichts dürfen nicht nur Rechtsanwälte und Rechtslehrer an deutschen Hochschulen, sondern auch Laien als Verteidiger agieren. Die Hürden für solche Ausnahmen sollen aus Sicht der Länderkammer nun erhöht werden. Die Begründung: Extremisten könnten die Ausnahmereglung zur Selbstinszenierung missbrauchen. Künftig sollten als Laien nur noch volljährige Angehörige, Vertreter von Verbänden und unentgeltlich arbeitende Volljuristen, die nicht als Rechtsanwälte arbeiten, die Verteidigung übernehmen.

Geringere Mindeststrafe für Weiterleitung von Missbrauchsdarstellungen

Ohne Debatte wurde entschieden, das Strafmaß für die Verbreitung von Kinderpornografie zu reformieren. Nach Kritik von Fachleuten hatte der Bundestag das Mindeststrafmaß für die Verbreitung von einem Jahr auf sechs Monate, für den Abruf und Besitz solchen Materials auf drei Monate gesenkt. Wegen der Heraufsetzung der Mindeststrafe im Jahr 2021 war es zuletzt nicht mehr möglich, von einer Bestrafung abzusehen: Taten, die im Strafgesetzbuch mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis belegt sind, gelten nämlich als Verbrechen. Deshalb mussten etwa auch Mütter, Väter oder Lehrkräfte mit einer Haftstrafe rechnen, wenn sie Nacktfotos aus Schüler-Chats weiterleiten, um Kollegen oder andere Eltern zu alarmieren. Das wurde nun wieder geändert.

Elementarschadenpflichtversicherung

Im Streit um die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung für Gebäude haben die Länder den Druck erhöht. Der Bundesrat verwies in einem Entschließungsantrag auf die jüngsten Hochwasserkatastrophen und unterstrich erneut die dringende Notwendigkeit, "schnellstmöglich eine flächendeckende Elementarschadenpflichtversicherung einzuführen". Ziel müsse es sein, für die Betroffenen eine bezahlbare finanzielle Absicherung gegen die massiven materiellen Schäden zu schaffen.

Zugang zu Online-Leistungen der Verwaltung

Dass die deutsche Verwaltung in puncto Digitalisierung im europäischen Vergleich nicht in der Top-Liga mitspielt, ist bekannt. Das nun beschlossene Onlinezugangsgesetz 2.0 sieht ein einheitliches elektronisches Konto für alle Verwaltungsdienstleistungen vor. Die Kommunikation der Bürgerinnen und Bürgern mit den Behörden soll mithilfe der neuen Deutschland-ID komplett online ablaufen können. Das Gesetz bezieht sich im engeren Sinn zwar nur auf Bundesverwaltungen wie etwa die Bundesagentur für Arbeit oder das für das Bafög zuständige Amt für Ausbildungsförderung. Es soll aber auch auf die Länder und Kommunen ausstrahlen. Bund und Länder sollen gemeinsam Standards entwickeln, die dann für alle Beteiligten verbindlich sind. Zur besseren Akzeptanz des zentralen Bundeskontos (Bund-ID) soll ein vereinfachtes Log-in beitragen.

Reform des Waffenrechts mit Zusatzregeln zu Messern

Mit ihrem Entwurf für eine Reform des Waffenrechts kommt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht voran, vor allem wegen Bedenken der FDP. Jetzt hat der Bundesrat auf Initiative Niedersachsens die Bundesregierung gebeten, in den Beratungen über eine mögliche Gesetzesnovelle ein generelles Verbot von Springmessern zu prüfen, sowie ein Verbot des Führens von Messern mit feststehender Klinge bereits ab sechs Zentimeter Klingenlänge und weitere Einschränkungen beim Führen von Waffen insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen.

Gesetz zur Sanierung des Schienennetzes

Mit der Reform des Bundesschienenwegeausbaugesetzes kann sich der Bund künftig direkt auch an Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung des Schienennetzes beteiligen und nicht nur an Bauprojekten. Das Gesetz ist wichtig für die milliardenteure Generalsanierung wichtiger Bahnstrecken. Bis zum Jahr 2030 will die Bahn 40 hoch belastete Strecken grundlegend sanieren, um wieder pünktlicher und zuverlässiger zu werden. Los geht es Mitte Juli auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, die bis Mitte Dezember komplett gesperrt werden wird.

Reform des Straßenverkehrsgesetzes

Die Reform sieht vor, dass Städte und Gemeinden mehr Spielraum etwa für die Einrichtung von Busspuren und Tempo-30-Zonen bekommen sollen. Künftig sollen auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden. Die Sicherheit des Verkehrs darf nicht beeinträchtigt werden. Das Straßenverkehrsgesetz ist Grundlage für das Verkehrsrecht. Seit langem fordern Verkehrs- und Umweltverbände eine Modernisierung, damit Kommunen vor Ort mehr entscheiden und umsetzen können. Die Straßenverkehrsordnung muss noch geändert werden.

dpa/xp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Wichtige Bundesratbeschlüsse: . In: Legal Tribune Online, 14.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54778 (abgerufen am: 30.11.2024 )

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