Stille SMS: So basteln Sie sich eine Ermächtigungsgrundlage

von Claudia Kornmeier

08.08.2014

Das Ausmaß, in dem die Sicherheitsbehörden Personen per stiller SMS orten, ist gar nicht so aufsehenerregend, wie manche Medien jetzt glauben machen wollen, wenn man einen Blick auf die Zahlen der Vorjahre wirft – und zwar nicht nur die von 2013. Aber wer sagt überhaupt, dass Verfassungsschutz, BKA und Bundespolizei das dürfen? Das Gesetz jedenfalls nicht. Warum fragt danach keiner, fragt sich Claudia Kornmeier.

Die Aufregung in den Medien war groß, als Anfang der Woche die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag bekannt wurde: "Deutsche Behörden versenden Zehntausende 'stille SMS'", hieß es bei Spiegel Online. "'Stille SMS' ist bei Sicherheitsbehörden en vogue", titelte Heise. "Behörden setzen stille SMS massenhaft ein" lautete die Schlagzeile der Berliner Zeitung.

Der Abgeordnete Andrej Hunko von der Linken und seine Fraktion hatten – wie schon 2013 und 2011 – von der Bundesregierung wissen wollen, welche Bundesbehörden technisch und rechtlich in der Lage sind, stille SMS zu verschicken, um Personen heimlich zu orten (aktuelle Anfrage: BT-Drs. 18/1991).

Stille Ortung – manchmal bis auf einige hundert Meter genau

Stille SMS – das bedeutet, die Sicherheitsbehörde verschickt eine SMS, die nicht im Display des Empfängers angezeigt wird. Der Betroffene bekommt davon also nichts mit. Gleichzeitig bestätigt er aber unbemerkt den Empfang der Nachricht gegenüber dem Mobilfunknetz.

Diese Rückmeldung initiiert einen Kommunikationsvorgang, der Verkehrsdaten beim Netzbetreiber erzeugt, unter anderem die Information, in welcher Funkzelle sich das Telefon – und damit sehr wahrscheinlich auch sein Nutzer – zum Zeitpunkt der Kommunikation befand. Auf diese beim Netzbetreiber gespeicherten Daten greift dann die Sicherheitsbehörde zurück.

Je nach der Reichweite der einzelnen Funkzelle kann der Betroffene so geortet oder ein Bewegungsprofil von ihm erstellt werden. Im innerstädtischen Bereich ist eine Ortung auf einige hundert Meter genau möglich, im ländlichen Raum dagegen nur auf mehrere Kilometer.

Es wurden auch schon mal mehr "stille SMS" versandt

Im ersten Halbjahr 2014 hat der Verfassungsschutz fast 53.000 solcher stillen SMS versandt, das Bundeskriminalamt (BKA) knapp 35.000 und die Bundespolizei fast 69.000. Betroffen waren beim BKA von der Maßnahme 122 Personen in 58 Ermittlungsverfahren.

Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013 hat der Verfassungsschutz damit tatsächlich ungefähr doppelt so viele stille SMS versandt (28.000), beim BKA (32.000) und bei der Bundespolizei (65.000) sind die Zahlen dagegen nur leicht gestiegen. 2012 haben dagegen alle diese Behörden im gesamten Jahr nur in etwa so viele stille SMS verschickt wie 2014 – bzw. im Fall des Verfassungsschutzes 2013 – bereits bis Ende Juni.

Ein Blick noch weiter zurück zeigt aber, dass die Zahlen immer wieder schwanken. So hat das BKA 2010 schon einmal mehr stille SMS verschickt (ca. 96.000), als es dies voraussichtlich dieses Jahr tun wird, wenn man die Zahlen für das erste Halbjahr hochrechnet. Und auch der Verfassungsschutz war 2010 schon so aktiv wie heute, und brachte es 2008 schon mal auf 125.000 Geheim-Nachrichten im Jahr. Diese Zahlen finden sich in der Bundestags-Drucksache 17/8102 – eine Antwort der Bundesregierung von 2011 auf eine schriftliche Frage des Linken-Politikers Hunko.

Behörden uneinig über einschlägige Rechtsgrundlage

Das eigentliche Problem ist aber nicht das Ausmaß der Überwachung, sondern dass es dafür gar keine rechtliche Grundlage gibt. Und es ist verstörend, dass das offenbar kaum jemandem auffällt und niemand danach fragt. Die Linke lässt sich Jahr für Jahr mit der bloßen Feststellung abspeisen, Verfassungsschutz, BKA, Bundespolizei und der Zoll seien rechtlich befugt, stille SMS zu versenden, ohne dass sich die Bundesregierung dabei auch nur die Mühe macht, eine (mögliche) Rechtsgrundlage zu zitieren.

Auch die Sicherheitsbehörden der Länder, die einen Großteil der Ermittlungsarbeit übernehmen und deshalb im Zweifel sehr viel mehr stille SMS versenden dürften als die Bundesbehörden (allein bei der Berliner Polizei waren es 2013 zur Strafverfolgung über 250.000), haben keine entsprechende Ermächtigung.

Fragt man bei den Behörden nach, auf welche Grundlage sie das Versenden stiller SMS stützen, bekommt man unterschiedliche Antworten. Das BKA beruft sich auf §§ 100a, 100b Strafprozessordnung (StPO) bzw. auf § 20l Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) für die präventive Arbeit (ebenso etwa das Staatsministerium des Innern in Bayern). Das Bundesinnenministerium (BMI) dagegen verweist für die Strafverfolgungsbehörden auf § 100g StPO und für den Verfassungsschutz auf §§ 1, 3 des G-10-Gesetzes.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Stille SMS: So basteln Sie sich eine Ermächtigungsgrundlage . In: Legal Tribune Online, 08.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12848/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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