Staatsrechtler hält Ökostrom-Umlage für verfassungswidrig: "Das EEG ist ein Selbst­be­di­e­nungs­laden"

Interview mit Prof. Dr. Gerrit Manssen

11.10.2012

Seite 2/2: "Klagen der Textilunternehmen erledigen sich durch Altmaiers Vorschläge nicht"

LTO: Einige Textilunternehmen verklagen nun auf der Grundlage Ihres Gutachtes, die Energieversorger auf Rückzahlung der EEG-Umlage. Eine erste mündliche Verhandlung ist für Mitte November vor dem Landgericht Bochum terminiert. Könnten sich die Klagen durch die aktuellen Reformvorschläge Altmaiers erledigen?

Manssen: Die anhängigen Gerichtsverfahren erledigen sich natürlich nicht. Die Vorschläge Altmaiers zielen ja auf eine zukünftige Änderung der Gesetzeslage. Die Frage, ob die Umlage 2010, 2011 und 2012 zu Recht erhoben wurde, bleibt davon unberührt.

Außerdem beabsichtigt der Minister nicht das System grundlegend zu ändern, soweit ich seine Vorschläge kenne. Wenn ich richtig informiert bin, will der Minister die EEG-Umlage nicht abschaffen, sondern nur novellieren, also zum Beispiel der Höhe nach begrenzen. Das ändert aber nichts am Grundproblem. So kann man sicherlich versuchen, die Steigerung des Strompreises abzufedern, aber das finanzverfassungsrechtliche Problem wird dadurch nicht gelöst.

LTO: Was schlagen Sie den vor? Wie könnte der Gesetzgeber das Problem lösen?

Manssen: Es gibt mittlerweile verschiedene Denkansätze. Der klassische Weg wäre, die Anlagenbetreiber zu subventionieren, damit sie ihren Strom zu Marktpreisen verkaufen können. Eine andere Möglichkeit wäre, Quotenmodelle einzuführen. Die Netzbetreiber und die Stromversorger müssten danach verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil von Ökostrom zu kaufen.

LTO: Und wie sollten etwa solche Subventionen finanziert werden?

Manssen: Da bleibt wohl nichts anderes übrig, als das über Steuern zu finanzieren. Wie es eben in einem Steuerstaat von der Verfassung vorgesehen ist. Und natürlich hätte der Gesetzgeber dabei auch die Möglichkeit, die Steuern zu erhöhen. Als der Kohlepfennig für verfassungswidrig erklärt wurde, hat der Gesetzgeber die Stromsteuer entsprechend angehoben. Für den Stromverbraucher hat es im Endergebnis also gar keinen großen Unterschied gemacht. Aber das ist eben finanzverfassungsrechtlich der saubere Weg.

LTO: Das heißt, im Prinzip würde sich nichts ändern? Es wäre nur anders geregelt?

Manssen: Es würde sich schon etwas ändern. Das EEG ist nämlich ein Selbstbedienungsladen. Wenn der Haushaltsgesetzgeber aber eine Subvention verteilt, dann setzt er vorher genau fest, in welcher Höhe er das tut. Beim EEG hängt die Summe der verteilten Gelder dagegen davon ab, wie viele Anlagen ans Netz gehen. Und das wird nicht gesteuert. Den starken Anstieg der EEG-Umlage könnte man daher auch durch bessere Steuerungsinstrumente regulieren.

Klage der Textilunternehmen könnte vor EuGH landen

LTO: Welche Argumente halten Ihnen die Befürworter der EEG-Umlage entgegen?

Manssen: Die politischen Argumente sind bekannt. Es geht um die Energiewende, den Atomausstieg, den Klimaschutz. Die rechtlichen sind dagegen sehr sparsam. Bisher gibt es keine wirklich substanzielle Verteidigung der EEG-Umlage. Das einzige, was man einwenden könnte, ist, dass die Umlage nicht in einen staatlichen Fonds oder Haushalt fließt, sondern quasi über die Stromversorger und die Netzbetreiber abgewickelt wird. Das ist auch der Unterschied zur Kohlestromförderung.

Der Staat bekommt das Geld also selber nicht zu sehen. Man könnte deshalb darüber diskutieren, ob die Umlage wirklich eine öffentliche Abgabe ist. Aber das ist eigentlich kein entscheidender Punkt. Natürlich hat der Gesetzgeber immer das Recht einen Privaten heranzuziehen, um eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen. Das ändert an dem grundsätzlichen Charakter der Umlage als öffentliche Abgabe nichts.

LTO: Gibt es bereits Entscheidungen des BVerfG zum EEG?

Manssen: Es gibt alte Entscheidungen von vor etwa 15 Jahren, aber zu einer anderen Rechtsfrage. Damals legten Gerichte Karlsruhe die Frage vor, ob der Gesetzgeber den Ökostrom überhaupt durch eine Abnahmegarantie fördern dürfe. Es ging also nur darum, ob man die örtlichen Stromversorger dazu verpflichten kann, Ökostrom zu bestimmten Preisen anzukaufen.
Das ist eine Preis- und Abnahmeregelung, die der Gesetzgeber treffen kann. Keine öffentliche Abgabe. Deshalb gab es damals keine verfassungsrechtlichen Bedenken und das BVerfG hat die entsprechenden Vorlagen gar nicht erst zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 09.01.1996, Az. 2 BvL 12/95).

LTO: Ist die Umlage auch europarechtlich ein Problem?

Manssen: Ja, wobei es da Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gibt, die davon ausgeht, dass die Umlage keine unzulässige Beihilfe ist, weil praktisch nicht der Staat, sondern private Haushalte die Förderung der Ökoenergie finanzieren. Aber ich denke, da ist europarechtlich das letzte Wort noch nicht gesprochen. Und auch die Ausnahmen für die energieintensiven Unternehmen werden europarechtlich nochmal hinterfragt werden müssen. Das sind eigentlich eindeutig Beihilfen.

LTO: Das heißt, die Verfahren der Textilunternehmen könnten nicht nur in Karlsruhe, sondern auch vor dem EuGH landen?

Manssen: Das ist nicht auszuschließen.

LTO: Herr Professor Manssen, ich bedanke mich für das Gespräch.

Prof. Dr. Gerrit Manssen ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und europäisches Verwaltungsrecht an der Universität Regensburg.

Die Fragen stellte Dr. Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Gerrit Manssen, Staatsrechtler hält Ökostrom-Umlage für verfassungswidrig: "Das EEG ist ein Selbstbedienungsladen" . In: Legal Tribune Online, 11.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7292/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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