Am Donnerstag präsentierte Bundesumweltminister Altmaier, wie er bei einer umfassenden Reform des EEG vorgehen will. Dabei pries er das Gesetz als eine "Erfolgsgeschichte". Warum er diese Meinung nicht unbedingt teilt, erklärt Gerrit Manssen im LTO-Interview. Der Staatsrechtler kam Anfang des Jahres in einem Gutachten für die Textilbranche zu dem Ergebnis, dass die Öko-Umlage verfassungswidrig ist.
LTO: Was ist die EEG- oder Ökostrom-Umlage überhaupt?
Manssen: Das ist ein Aufschlag auf jede Kilowattstunde Strom, den der Verbraucher zahlen muss. Damit wird das Defizit gedeckt, das die Netzbetreiber wirtschaftlich dadurch erleiden, dass sie Ökostrom teuer ankaufen müssen und ihn an der Strombörse in Leipzig aber nicht zum selben hohen Preis weiterverkaufen können.
Stromverbraucher sind dabei selbstverständlich nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen. Grundsätzlich muss jeder, der Strom verbraucht, die Umlage zahlen.
LTO: Sie haben im Auftrag des Gesamtverbands Textil + Mode ein Gutachten verfasst, in dem Sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Öko-Umlage verfassungswidrig ist. Was führt Sie zu diesem Schluss?
Manssen: Es gibt eine ältere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum so genannten Kohlepfennig. Damals erhob der Gesetzgeber einen Aufschlag auf den Strompreis, um damit die Steinkohlebergwerke zu subventionieren. Die Verfassungsrichter stellten fest, dass es nicht Aufgabe des Stromverbrauchers ist, den Einsatz deutscher Steinkohle zu sichern. Der Gesetzgeber müsse eine solche Subventionierung vielmehr über Steuern finanzieren (Beschl. v. 11.10.1994, Az. 2 BvR 633/86).
Im Prinzip gilt heute das Gleiche für die erneuerbaren Energien. Die EEG-Umlage ist eine hoheitliche Abgabe, die genauso verfassungswidrig ist wie früher der Kohlepfennig.
"Umlage wurde still und heimlich eingeführt"
LTO: Seit wann gibt es diese Umlage?
Manssen: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat eine lange Geschichte. Die EEG-Umlage in der jetzigen Form gibt es seit dem 01.01.2010.
LTO: Das ist nun über zweieinhalb Jahre her. Wieso hat sich bisher noch niemand dagegen gewehrt?
Manssen: Das liegt wohl daran, dass die Umlage still und heimlich eingeführt wurde. Zunächst wurde die Umlage durch eine Verordnung aufgrund einer Experimentierklausel im alten EEG eingeführt. Erst 2011 regelte der Gesetzgeber die Umlage dann im EEG selbst. Diese Novellierung des EEG hat die Textilbranche dann zum Anlass für eine verfassungsrechtliche Überprüfung genommen. Das Ergebnis ist eindeutig.
LTO: In Ihrem Gutachten kommen Sie zu dem Ergebnis, die Umlage ist eine unzulässige Sonderabgabe und damit finanzverfassungsrechtlich fragwürdig. Das Budgetrecht des Parlaments werde ausgehöhlt. Können Sie das erläutern?
Manssen: Deutschland ist ein Steuerstaat. Das bedeutet, öffentliche Aufgaben müssen grundsätzlich durch Steuern finanziert werden. Es ist nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen zulässig, neben der Steuer eine andere Abgabe zu erheben. Das hängt mit der Verteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern zusammen, aber auch mit der Gesetzgebungskompetenz und der Gesamtverantwortung des Parlaments, also des Haushaltsgesetzgebers, für die steuerlichen Belastungen, die den Bürgern auferlegt werden.
"Ausnahmen kann der Gesetzgeber nie trennscharf formulieren"
LTO: Grundrechte und den Gleichheitsgrundsatz sehen Sie dagegen nicht verletzt?
Manssen: Es ging bei diesen grundrechtlichen Überlegungen darum, ob die Ausnahmen für energieintensive Unternehmen verfassungswidrig sind. Denn diese Ausnahmen führen dazu, dass die EEG-Umlage für nicht-privilegierte Unternehmen immer teurer wird. Der Gesetzgeber hat da aber einen weiten Gestaltungsspielraum. Er kann sehr wohl aus Gründen der Wirtschaftsförderung sagen, dass er bestimmte Unternehmen von der Umlage freistellt oder diese für sie reduziert. Dagegen ist grundrechtlich nichts zu sagen. Aber das Instrument ist das falsche. Eine nicht-steuerliche Abgabe ist eben nicht möglich.
LTO: Das heißt, das Problem ist allein finanzverfassungsrechtlicher Natur?
Manssen: Ja.
LTO: Diese Ausnahmeregelungen werden aktuell besonders kritisiert. Nicht nur Aluminiumhütten, sondern auch Golfplätze profitieren von der Förderung. Überschreitet der Gesetzgeber damit nicht seinen Gestaltungsspielraum?
Manssen: Natürlich führen solche Privilegien immer dazu, dass man darüber streiten kann, ob tatsächlich alle Unternehmen, die die Voraussetzungen erfüllen, berechtigterweise von der Ausnahme profitieren. Das ist bei einer abstrakt-generellen Regelung, wie einem Gesetz, unvermeidlich. Man kriegt das nie trennscharf hin.
LTO: Ist die Privilegierung des Golfplatzes also eher ein Problem der konkreten Anwendung des Gesetzes? Ist auf dieser Ebene irgendetwas schief gelaufen?
Manssen: Nein. Das ist einfach die Konsequenz daraus, dass Sie nicht jeden konkreten Einzelfall im Gesetz regeln können. Es kommt vielmehr abstrakt auf den Stromverbrauch und darauf an, wie hoch der Stromverbrauch an der Gesamtwertschöpfung ist. Und wenn der Golfplatz diese Voraussetzungen erfüllt, dann profitiert er eben von der Ausnahme, wenn der Gesetzgeber ihn nicht ausdrücklich ausnimmt.
Staatsrechtler hält Ökostrom-Umlage für verfassungswidrig: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7292 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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